Wenn Jannis Kounellis wufft, schauen die einen verzückt. Und die anderen irritiert. Denn Jannis Kounellis ist einer der international bedeutendsten zeitgenössischen griechischen Künstler. Er ist Mitbegründer der Arte Povera-Bewegung und hat lebendige Pferde zu Kunst erhoben. Und - Jannis Kounellis ist ein Hund. Genauer gesagt der Labrador der Galeristin Jule Kewenig. Dass diese Namensverwandtschaft kein Zufall ist, lässt sich wohl schon erahnen, wie es genau dazu kam, erzählt Jule Kewenig auf ihrer Lieblingsrunde durch Palma de Mallorca.
Wir starten die Runde im Herzen der Altstadt, an der Oratorio de Sant Feliú, einer Kapelle aus dem 13. Jahrhundert, in der die Galerie untergebracht ist. Neben Jule und Jannis sind noch zwei weitere Hunde samt Frauchen mit dabei: die Deutsche Inga mit ihrem Hund Fuh, von dem vermutet wird, dass ein waschechter Pudel-Schnauzer in ihm steckt. Außerdem werden sie von der Engländerin Clare und ihrem Russen Otto begleitet. Der Bolonka Zwetna stammt aus Sankt Petersburg und Clares Blitzliebe beim Anblick einer dieser russischen Schoßhündchen verdankt er seine abenteuerliche Reise zu seinem neuen Zuhause auf den Balearen.
Die drei Frauen haben sich durch die Hunde kennen gelernt,. Auf ihrer täglichen Runde zwischen dem Parque de la Feixina und der Plaça de la Reina sind sie sich immer wieder begegnet und haben irgendwann beschlossen, dass es einfach mehr Spaß macht, gemeinsam zu gehen. Auch den Hunden. Die beschnuppern sich kurz und flitzen auch gleich los. Und ich erfahre Geschichten von dieser großen Liebe, die Menschen zu Hunden haben können: von Inga, die es nach dem Tod ihres Münsterländers keine 14 Tage ausgehalten hat und zum Tierheim gefahren ist. Um auf dem Weg dorthin in einem Industriegebiet den kleinen Fuh zu entdecken, ausgesetzt, verstört und unbedingt zu retten, wie Ingas 12-jährige Tochter befand. Und von Clare, die einen Hund gesucht hat, „to fall in love with“ und das ausgerechnet ein Russe wurde. Den es nur in Russland gibt, versteht sich. Und für den sie den weiten Weg nach Sankt Petersburg auf sich genommen hat, inklusive Bürokratie-Wahnsinn und Visa-Wust.
"Ich spreche mit dem Hund zärtlicher als mit meinen Kindern"
Und von Jule erfahre ich, dass sie mit ihrem Hund zärtlicher spricht, als mit ihren drei Kindern. Vielleicht, weil Hunde so unschuldig sind und sich nicht wehren können, im Gegensatz zu ihren mittlerweile erwachsenen Kindern. Das zumindest vermutet Jule, die ihren Jannis eigentlich gar nicht haben wollte. Obwohl sie Hunde liebt. Und nach dem Tod ihres letzten Labradors doch froh war, keine Verantwortung mehr zu haben. Die Kinder aus dem Haus, wollte sie nun endlich die Freiheit genießen, auf niemanden mehr Rücksicht nehmen zu müssen. Doch dann kam dieser Anruf aus Rom, von Jannis Kounellis Frau Michelle. Sie hatte Jahre zuvor von Jule Kewenig einen kleinen Labrador geschenkt bekommen. Und nun hat dieser Junge bekommen. Ganz bezaubernde! Von denen sie unbedingt einen haben solle! Jule lehnte dankend ab, doch ihr Mann Michael gab nichts um ihren Wunsch, flog kurzerhand nach Rom und kam mit einem putzigen Welpe zurück. So einem, zu dem man – einmal in die Augen geschaut – nicht mehr nein sagen kann. Auf der Suche nach einem Namen für den putzigen Kerl, gab es eine Voraussetzung: mit "J" müsse er anfangen, genauso wie die Namen ihrer drei Kinder. Der Rest ist Geschichte: ein Anruf in Rom, ein Künstler, der nichts gegen einen Namenserben auf vier Pfoten hatte ein Hauch von Stolz in den Augen, als Künstler Jannis bei seinem nächsten Mallorca-Besuch Labrador Jannis gegenüber steht.
Ich bin Jannis! Jannis Kounellis! Vom Namen Künstler, vom Herzen Streuner! Ich sag, wo`s lang geht und Jule folgt mir. Das ist cool, wenn sie nur nicht so schrecklich langsam wär! Dafür kümmert sie sich ganz toll um mich, macht mir immer lecker Fresschen und streichelt mich. Na ja, nur das ewige „Dutsi dutsi“ nervt ein isschen. Das kann sie mit ihren Kids machen...!
.Jannis ist heute fünf Jahre alt. Fünf weitere Jahre der Verantwortung für einen Hund, die Jule Kewenig so eigentlich nicht mehr übernehmen wollte. Aber so sei das. Ihr Mann respektiere einfach ihre Wünsche nicht, sagt sie, und wird kräftig gezogen: Jannis hat es plötzlich mächtig eilig und es scheint so, als ginge er mit Jule Gassi und nicht umgekehrt. Jule wirkt gestresst und darauf angesprochen, erzählt sie, wie schwer es ihr fällt, konsequent zu sein im Umgang mit dem starken Rüden. Und auch, dass sie schon mehrere Hundetrainer hatte. Die auch erfolgreich waren, solange sie dabei waren. War das Training allerdings vorbei und die Trainer weg, wurde wieder sie ausgeführt von ihrem Hund. Doch Jannis hergeben? Den Hund, der gegen ihren Willen in Jule Kewenigs Leben gelandet ist? Nein! Hergeben würde sie ihn nicht mehr. Dafür liebt sie ihren Künstler einfach zu sehr!