Drei Dinge sind dem Kölner besonders heilig: der Dom, der Rhein und der Karneval. Für diese Hunderunde spreche ich deswegen mit einer Frau, die nicht weniger vorhat, als eines dieser Heiligtümer anzugreifen. Im Kölner Süden treffe ich Elena Navarini mit ihren zwei Mischlingshunden Otto und Lilli. Wir wollen uns auf ihre Lieblingsrunde zwischen Waldrand und Rhein in Rodenkirchen begeben. Navarini ist selbst nur gefühlte 1,60 Meter (ihre wahre Größe verschweigt sie) aber probt jetzt den ganz großen Aufschlag. Groß vor allem deswegen, weil sie vor drei Jahren nicht weniger als eine echte Revolution im Kölner Karneval losgetreten hat. 2014 hat sie den ersten weiblichen Funken Korps gegründet, die „1. Damengarde Coeln e.V. 2014“.
"Dann mach' ich halt mein eigenes Korps"
Rein weibliche Vereine und Gruppen, wie zum Beispiel die „Colombia Colonia e.V.“, „Schmuckstückchen e.V.“ oder „De Kölsche Madämscher“ gibt es schon länger - nur handelt es sich hierbei eben um keine Garde. Kleiner Exkurs für alle Nichtkarnevalisten: Die Funken sind eine Persiflage der alten Kölner Stadtsoldaten. Die Mitgliedschaft ist traditionell nur Männern vorbehalten. Es gibt unzählige Vereine, Tanztruppen, Narrengruppen und eben neun verschiedene Traditionskorps. So ein Traditionskorps möchte eines Tages auch die 1. Damengarde Coeln e.V. werden. Mit der Aktion hat sie natürlich für sehr viel Aufsehen in der Presse gesorgt und wurde sogar von Alice Schwarzer interviewt. Klar, eine Frau, die eine Männerdomäne mit hunderten Jahren an Tradition durcheinanderwirbelt, das riecht nicht nur nach Revolution, sondern auch nach Emanzipation. Etwas was in Köln trotz des aufrührerischen Grundgedankens von Karneval bei einigen Männern nicht gerne gesehen wird. Doch Emanzipation ist für Navarini eigentlich nur ein positiver Nebeneffekt. Im Mittelpunkt steht ihr Wunsch von einer eigenen Uniform und der Mitgliedschaft bei einer Funkengarde. Als ihr dieser Wunsch bei den roten Funken abgeschlagen wurde dachte sie: „Dann mach’ ich halt ein eigenes Korps“ und hat kurzerhand ihre eigene Garde gegründet. Jetzt befehligt sie als Generalfeldmarschall ihr eigenes Regiment.
Ich finde Karneval total beschissen, weil "Mama" viel zu viel unterwegs ist und ich zur Oma muss.
Für diese Aufgabe braucht man Verbündete und Vertraute!
Der Kölner Karneval schien nur darauf gewartet zu haben. Schon nach dem ersten Jahr gab es über 160 Aufnahmeanträge für die weibliche Gardenvereinigung. Neben den Vereinsaufgaben und all dem bürokratischen Aufwand des deutschen Vereinswesens war es jetzt natürlich daran diese Anträge zu bearbeiten. Eine Mammutaufgabe und für eine Person nicht zu bewältigen. Mit der Zeit hat Elena Navarini deshalb ein kleines Team von Vertrauten und fleißigen Helferinnen um sich geschart, die sich genau so engagiert um alle Dinge kümmern wie sie selbst das tut. „Um die großen Hürden zu nehmen braucht es enge Verbündete und Vertraute“, sagt sie selbstbewusst, und die größte Hürde ist, neben all den Aufgaben, die rund um Karneval und der Sitzungszeit anfallen, ein ganz besondere. Navarini will irgendwann einmal als vollwertiges Mitglied beim Rosenmontagszug mitziehen. Das kann vom ersten Antrag bis zur tatsächlichen Teilnahme über zehn Jahre dauern. Die erste Hürde hat sie und ihre Garde schon genommen. Seit diesem Jahr gehören sie zu den fördernden Gesellschaften des Festkommitees des Kölner Karneval, ein Verein im Verein sozusagen. In fünf Jahren dann, werden sie, wenn alles gut geht, den nächsten Schritt gehen und zu den hospitierenden Gesellschaften gehören, bevor es dann fünf weitere Jahre dauert, bis sie ordentliches Mitglied werden. Die Eintrittskarte für den Rosenmontagszug.
Viel tun für den guten Zweck
Was die meisten Menschen auch nicht wissen: Der soziale Aspekt hat im Kölner Karneval sehr tiefe Wurzeln. Jedes Jahr werden Sitzungen und andere Veranstaltungen für Senioren und behinderte Menschen geplant. Fast alle der Vereine und Garden sammeln während und zwischen der Session Geld für den guten Zweck. Navarinis Damen Corps zum Beispiel hat im letzten Jahr über 2.500 Euro gesammelt und sie für Kölner Frauen und Kinderorganisationen gespendet. Dieser Teil, so sagt Navarini, ist vielen Außenstehenden gar nicht bewusst, denn es geht nicht immer nur um Spaß und Narrentum. Karneval ist über die wildesten Tage im Februar oder März jeden Jahres hinaus auch sonst ein extrem wichtiger Bestandteil für den Zusammenhalt der Kölner Gesellschaft.
Karneval ist eine ernste Sache!
Mein Eindruck nach dem Gespräch: Um den Kölner Karneval verstehen zu können braucht es mindestens ein fünfjähriges Studium. Genau das bestätigt mir Elena Navarini auch direkt. Mit einem breiten Grinsen sagt sie: „Ich studiere gerade Karneval und bin gerade erst im 3. Semester“. Abschlussprüfungen werden dann, wenn überhaupt, erst in zehn Jahren abgenommen, wenn Navarini beim Zug mitläuft. Mir wird klar: Karneval ist eine ernstere Sache als mir bewusst war. Karnevalist oder Gardist werde ich in diesem Leben bestimmt nicht mehr, aber vielleicht gehe ich dieses Jahr mal als Funkemariechen.