Lydia Müller - „Ist mein Hund taub!?“

Neulich auf der Hundewiese: „Macht mein Hund das eigentlich mit Absicht oder leidet er einfach nur an Alzheimer? Oder vielleicht ist er taub? Ob ich mal zum Tierarzt gehen sollte?“ - „Gestern hat er das doch noch gekonnt!“  - „Eigentlich waren wir schon viel weiter, aber irgendwie hat Bello wieder alles vergessen“.

Wahrscheinlich hat jeder schon einmal Sätze dieser Art gehört, selbst gedacht oder gesagt. Meistens, wenn man kurz davor war, alles hinzuschmeißen und sich von allen zuvor gesetzten Trainingszielen zu verabschieden, da man sie ja eh nicht erreichen kann.

Die gute Nachricht ist: Diese Situation ist wahrscheinlich jedem Hundehalter vertraut (auch wenn es nicht jeder zugeben will). Und ja: Solche Momente lassen einen echt manchmal verzweifeln. Aber auch wenn es öfter mal so aussieht, als wolle der eigene Hund einen absichtlich in den Wahnsinn treiben, so muss man sich in solchen Situationen in Erinnerung rufen, dass dies zu einem normalen Trainingsprozess dazugehört.

In Situationen, in denen der Hund das schon Erlernte scheinbar vergessen hat, sollte man sich an ein schönes, altes Sprichwor erinnern: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“. Doch was ist damit gemeint? Wie soll einem das in der konkreten und auch frustrierenden Situation, dass der Hund auf ein schon erlerntes und eigentlich auch abrufbares Kommando nicht oder falsch reagiert, weiterhelfen? Wieso kann ein Hund, der sonst super Fuß gehen oder Sitz machen kann, es jetzt gerade nicht, bzw. nicht mehr? Nun, das kann viele Ursachen haben.

Die häufigste Ursache: Ablenkung. Zu Hause ist alles vertraut, es gibt keine neuen Gerüche, Menschen oder andere Tiere. Zu Hause sind Hund und Halter konzentriert. Draußen jedoch verändert sich die Situation. Sowohl Hund als auch Halter sind abgelenkt, auch wenn dies eventuell keinem wirklich bewusst ist. Denn wer ist wirklich konzentriert, wenn am Horizont Enten oder Schwäne auftauchen, und man weiß, dass der eigene Hund nur zu gerne ins Wasser springen würde, um genau diese zu jagen. Und ist der Hund wirklich konzentriert, wenn es um ihn herum aus seiner Sicht so viele interessante Sachen zu beobachten oder zu erschnüffeln gibt?

Konzentration bei Hund und Halter

Konzentration bei Hund und Halter ist aber notwendig, um Lernen zu ermöglichen. Man baut ja auch keine Schule direkt an eine vierspurige Autobahn und erwartet, dass die Schüler trotz permanenter Lärmbelästigung und vorbeirauschenden Autos sich ununterbrochen auf den Lehrer oder schwierigen Unterrichtsstoff konzentrieren. Und das gilt auch für den Hund.

Je „schwieriger“ die Aufgabe für den Hund, umso ablenkungsfreier sollte man zu Beginn sein Lernumfeld halten. Grundkommandos wie Sitz, Platz oder Such kann man schnell von den eigenen vier Wänden ins Training nach draußen bringen. Doch auch hier sollte man bedenken, dass es eventuell eine Weile dauern kann, bis diese Kommandos genauso flüssig laufen wie in den eigenen vier Wänden. Von einem Hund, der zu Hause gerade mal 15 Minuten ruhig liegen bleibt, kann man jedoch nicht verlangen, dass er von jetzt auf gleich entspannt eine Stunde auf dem Boden im Straßencafé liegen bleibt. Hier wären beim ersten Mal schon fünf Minuten eine Leistung. Bei all dem Kommen und Gehen und den Gerüchen und Geräuschen in einem Café, fällt es den meisten Hunden schwer, entspannt auf ihrer Decke oder auf dem zugewiesenen Platz zu bleiben. Hinzu kommt, dass der Hund schnell mitbekommt, dass man selbst ihm ja auch nicht mehr die volle Aufmerksamkeit widmet - und da kann der Drang, sich selbstständig zu machen, schon mal groß werden.

Platz!

Um dem Hund beizubringen, dass er auch außerhalb seines Heims auf dem ihm zugewiesenen Platz zu bleiben hat, gibt es mehrere Möglichkeiten. Wichtig dabei ist es, dem Hund das Lernen zu erleichtern und die Ablenkungen zu verringern. Hierzu bietet es sich zum Beispiel an, immer eine kleine Decke mitzunehmen, die dem Hund als Liegeplatz und Entspannungsmöglichkeit dient. Dies kennt der Hund ja schließlich von zu Hause, wo er auch in sein Körbchen oder auf seine Decke geschickt wird, um zur Ruhe zu kommen und zu entspannen. Zusätzlich kann man versuchen, dem Hund den Liegeplatz außerhalb der eigenen vier Wände dadurch schmackhaft zu machen, indem man ihm einen Kauartikel gibt. Dies ist immer dann besonders effektiv, wenn er schon zu Hause gelernt hat, dass er den Knabberspaß nur auf der Decke erhält.

Grundsätzlich gilt in jedem Training, dass man nicht zu schnell zu viel vom eigenen Hund erwarten sollte, aber auch nicht von einem selbst. Größere Trainingsschritte sollten in kleinere Abschnitte zerlegt werden, die dem Hund aber auch dem Menschen kontinuierliche Trainingserfolge liefern und so die Frustrationsschwelle senken. Bei schwierigen Übungen ist es wichtig die Ablenkung erst nach und nach zu steigern. Auch sollte sich der Halter während des Trainings selbst kritisch im Auge behalten und für den Fall, dass er mehr auf das Drumherum als auf den Hund und die aktuelle Trainingseinheit konzentriert ist, eine reizärmere Umgebung suchen.  

"Bevor man die Geduld verliert: "Ein- und ausatmen!"

Ganz wichtig, bevor man die Geduld verliert: einfach mal eine Runde ein- und wieder ausatmen. Falls das nicht hilft, einfach zum vorherigen Trainingsschritt zurückgehen und vor dort wieder von neuem anfangen. Und falls auch das nicht hilft, ist es auch keine Schande, beim Hundetrainer des Vertrauens um Hilfe zu bitten. Meistens hilft der Blick von außen um das konkrete Problem zu entdecken.

Und schließlich gibt es da noch die Tage, an denen man einfach akzeptieren sollte, dass man bestenfalls den momentanen Status beibehalten aber nicht ausbauen kann. Auch der Hund kann mal einen schlechten Tag haben. Wichtig ist nur, jedes Training mit einem positiven Ergebnis bzw. einem korrekt ausgeführten Befehl zu beenden, bevor man den lieben Gott einfach nur einen guten Mann sein lässt und das Training für den Tag beendet. Daher bitte nicht verzweifeln, sollte sich der gewünschte Erfolg nicht sofort einstellen oder wenn man Trainingseinheiten, die letztens noch funktioniert haben, wiederholen muss. Jede Zeit, die man im Training mit seinem Hund verbringt, führt zu einer besseren Bindung und damit langfristig zum gewünschten Erfolg.