Bei der Hunderunde über Ausbildung und Zukunft von Journalisten sprechen? Die Idee ist gar nicht so seltsam, wie sie zunächst klingt. Denn Bella, die fast 13-jährige Hundedame von David Selbach aus Köln, ist inzwischen wahrscheinlich selbst eine kleine Expertin für den Medien-Job – gemessen an der Zeit, die sie zwischen angehenden und ausgebildeten Journalisten verbringt. Sie begleitet Selbach seit Jahren regelmäßig in die Redaktion, und immer wieder liegt sie sogar während der Seminar-Stunden in der Kölner Journalistenschule, die der 43-Jährige regelmäßig leitet, zwischen den Schüler-Beinen, wenn der Dozent und die Nachwuchs-Redakteure Texte bis zum einzelnen Satzzeichen sezieren. Selbachs Frau, die Bella vor sechs Jahren mit in die Ehe gebracht hat, arbeitet ebenfalls in Vollzeit. Einer muss sich tagsüber aber um den Hund kümmern. Und obwohl Selbach nur das „Stief-Herrchen“ ist, kann er sich die Zeit als Selbständiger natürlich besser einteilen. Deshalb nimmt er Bella in der Regel dienstags bis donnerstags mit ins Büro. „Bella ist in der Redaktion unser Maskottchen“, sagt er. „Sie trottet von Kollege zu Kollege und holt sich überall Streicheleinheiten ab.“
Die Hunderunde ist heute also ein Spaziergang unter Profis. Selbach hat sich dafür die „Poller Wiesen“ auf der rechten Rheinseite ausgesucht ("Profirunde in Köln am Rhein"). Im Alltag mutet er der alten Hündin keine derart langen Strecken mehr zu, aber heute hat er frei, die Sonne scheint, und er kann sich Zeit lassen. Er schlendert durchs Gras, während Bella Wühlmäuse sucht und vorbeikommende Artgenossen ausführlichen Geruchskontrollen unterzieht.
Unter der Woche begleitet Bella ihr "Stief-Herrchen" morgens durch den Volksgarten, bevor die beiden dann entweder in die Straßenbahn steigen oder Bella im Hundeanhänger Platz nimmt, den Selbach mit dem Fahrrad durch die Stadt zieht. Mittags folgt eine kleine Runde durch den Klingelpütz-Park, denn der ist nur fünf Minuten vom Büro entfernt. Manchmal übernehmen auch Selbachs Kollegen das mittägliche Gassi-Gehen mit dem Bürohund. Abends geht es wieder zurück aus dem Kölner Norden in die Südstadt: Zuerst zu Fuß durch Mediapark und Stadtgarten. Dann in den Hundeanhänger. Oder eben in die Bahn.
Die Hunderunde am Rhein macht mir deutlich mehr Spaß als die Fahrradtour ins Büro."
Bella kommt ursprünglich aus Griechenland. Sie ist eine Promenadenmischung, die Tierschützer gerettet und dann an Selbachs heutige Frau vermittelt haben. Der Hund ist sehr gemütlich und ruhig, aber auch ziemlich selbstbewusst. „Er hört auf mich, wenn ich rufe. Aber zuerst guckt er mich dann an, als wolle er sagen: Ich MUSS hier rein gar nix“, erzählt Selbach und lacht. Bellas phlegmatisches, sanftes Wesen ist allerdings äußerst praktisch für die Lebensumstände von Hund und Herrchen. Sie bellt kaum, springt nicht hektisch herum, lässt sich von jedem anfassen. „Total Büro-kompatibel“, sagt Selbach.
"Erklären ist die halbe Miete!"
David Selbach recherchiert und schreibt seit nunmehr 20 Jahren für renommierte Wirtschaftszeitungen und Magazine, er entwirft Kundenzeitschriften und Social-Media-Inhalte für Unternehmen mit schwierigen Zielgruppen. „Schwarzbrot“, nennt er solche Themen: komplizierter „Content“ für Hidden Champions und Spezialisten mit Geschäftskunden, mit deren Bereich sich nur wenige auskennen. Kein Wunder, dass „gut erklären“ auch in der Journalistenausbildung Selbachs Ansatz ist, ob an der Journalistenschule oder bei den wortwert-Volontären, für die er zuständig ist. „Erklären ist die halbe Miete“, sagt er. „Heute mehr denn je.“ Nachrichten zu machen und Neuigkeiten zu melden, das sei in Zeiten von Facebook und Co. ein Hase- und Igel-Spiel. Die Menschen steigen täglich in ein Meer von Informationen, Headlines und Halbwahrheiten, über ihre Social-Media-Timelines brandet ständig neues Treibgut an. Was fehlt, ist Einordnung. Wer als Journalist also gut und anschaulich, lebendig und unterhaltsam erklären kann, wer komplizierte Dinge in packende Stories übersetzt, der braucht sich um seinen Job auch in Zukunft keine Sorgen zu machen.
Die Kunst des Weglassens ...
Die Arbeit an sich verändert sich allerdings: Statt langer Texte produzieren Journalisten inzwischen immer öfter kurze Häppchen, Klickstrecken oder sogar interaktive Spiele und Grafiken. Selbach spricht lieber von „Formaten“, die einen Sachverhalt auf unterschiedlichste Weise vermitteln.
Er sieht seinen Job als „Informationsverarbeiter“. „Journalisten sammeln und sortieren, setzen Prioritäten und bringen Dinge auf den Punkt.“ Sprache ist für ihn das Werkzeug, dies so deutlich und unterhaltsam wie möglich zu tun. „Es trägt ziemlich viel zur Verständlichkeit eines Formats bei, wenn es den Nutzer anspricht und man es gerne konsumiert“, sagt Selbach. Im Übrigen sei Journalismus damals wie heute die Kunst des Weglassens: „Ich plädiere immer für Einfachheit. Schnörkel und schöngeistiges Geschwafel halten nur auf.“ Gute Autoren, findet er, brauchen nicht viele Worte, damit man sie versteht. Es ist ein bisschen wie im Umgang mit Hunden, sagt Selbach und zeigt wortlos auf den Platz neben sich.
Bella wirft ihm diesen Blick zu, der sagt „ich mach das alles nur freiwillig“, kommt dann aber doch angetrabt und setzt sich vor ihn hin. Genau an die Stelle, auf die er gezeigt hat. Der Mann kann einfach gut erklären.