Winzerin Mélissa Bergey - "Céleste, der rote Traum im Glas"

Portrait Andreas Moll
von Andreas Moll – 07.09.2017

Das Medoc ist für Weinfreunde und -kenner ein wunderbarer Spielplatz. In diesem zwischen der Gironde und dem Atlantik gelegene Fleckchen Land gedeihen viele, viele Trauben, die die Winzer zu teilweise grandiosen Weinen verarbeiten. Geht man als unbeleckter Weintrinker in die ortsansässigen Supermärkte, wird man vom mannigfaltigen Angebot schier erschlagen. 

Testen können Neugierige den ein oder anderen Wein bei den im Sommer stattfindenden "Grillages", „Sardinades“ oder „Marchés Noctures“ - das sind kleine, feine von den Dorfgemeinschaften organisierte Foodfestivals, die hauptsächlich in den Sommermonaten stattfinden. Der mit Abstand gelungenste "Fressmarkt" findet im Sommer jeweils donnerstags in dem kleinen, 950 Einwohner zählenden Weindorf Vensac statt. Hier gibt es frische Austern, gebratene Entenbrüste, Käse aus der Region, französisch interpretierte Paella und viele andere, bezahlbare Leckereien - die Damen der Dorfgemeinschaft machen derweil Pommes Frites im Akkord. Darüber hinaus verkaufen immer zwei ansässige Winzer ihre in Flaschen gefüllten Produkte jeweils für einen kleinen Euro.

Der mit Abstand beste Wein - das ist nicht nur die ganz persönliche Meinung des Autors - hört auf den Namen „Céleste“. Für zehn Euro gibt es einen wunderbar dichten, kräftigen Begleiter, der ideal zu den kulinarischen Köstlichkeiten des Marktes passt. Winzerin Melissa und ihr Bruder Loic selbst stehen hinter dem Verkaufstresen und strahlen um die Wette, während die beiden ihre Weine verkaufen, die dann direkt vor Ort getrunken werden. Der Essenbegleiter ist so gut, dass ein kleiner Weinvorrat gekauft werden soll - doch den gibt es nur direkt auf dem Chateau, auf das die junge Winzerin tags darauf einlädt. 

Dégustation: Verkostung der Weine direkt auf dem Weingut

In Begleitung meines Berliner Freundes Lars, dem sehr neugierigen Nachwuchs-Weinfreund, mache ich mich dann einen Tag nach dem Nachtmarkt in Vensac auf nach Valeyrac, um das Weingut zu besichtigen und die Weine noch einmal in aller Ruhe zu „degustieren“. Begrüßt werden wir hier nicht nur von Melissa, sondern auch noch ihren drei Beauceron-Hunden, die an eine stämmigere Ausgabe eines Dobermanns, bzw. die schlanke Version eines Rottweilers erinnern. Cador (13 Jahre), Elios (4 Jahre) und Naïa (4 Monate) machen nur ihren Job und passen auf, dass hier auf dem Hof nichts passiert. Während sich die "Alten" nach der ersten Aufregung verlassen, begleitet und der Hundenachwuchs auf unserer Hofführung zur im Jahr 2000 renovierte Scheune mit den Stahltanks und zum Hauptgebäude, in dem die großen Eichenfässer liegen. Hier reift momentan noch der „Céleste“ aus dem vorigen Jahrgang – insgesamt zwölf Monaten lang  liegt der Wein im „Barrique“, erhält dadurch seine einzigartige Note und ist dadurch viele Jahre haltbar. Der 2009er Jahrgang ist derzeit auf dem Höhepunkt, während der Wein aus dem Jahr 2010 noch ungefähr zwei Jahre in der Flasche reifen muss, ehe er zu einem unvergesslichem Weinerlebnis wird.

Drei Generationen unter einem Dach.

Mélissa Bergey hat an der Universität in Bordeaux das "Diplôme national d'œnologie" gemacht. Als wir die Weine probieren, starten wir zunächst mit einem frischen, aber keinesfalls langweiligen Rosé, der im Sommer absoluten Spaß macht. Dann ist der Rotwein an der Reihe, den Vater Jean-Pierre seit Jahren macht und der zu 70 Prozent exportiert wird. In Asien, Russland, Belgien und auch in Deutschland schätzt man den typischen Bordeaux aus dem Hause Bergey. Der Höhepunkt jedoch ist der schon am Abend vorverkostete Rotwein, der nach der Mélissas Tochter benannt wurde, der der erste ist, den die Önologin selbst kreiert hat und der in den letzten Jahren unzählige Male augezeichnet wurde. Während der Verkostung kommt die achtjährige Tochter dazu. Stolz ist die Weinmacherin, dass ihre Tochter regelmäßig und mit großem Elan auf dem Hof hilft. Jeden Tag ein oder zwei Stunden. Es macht also den Anschein, als ob auch die fünfte Generation der Familie ins Weingeschäft einsteigen würde. 

Mélissa hat nie Zeit, mit mir zu spielen. Immer nur Wein, Wein und noch einmal Wein.

Naïa

Beauceron, 4 Monate

Das Weingut selbst ist seit 1932 im Besitz der Familie Bergey. 75 Kilometer von Bordeaux entfernt findet man die Domaine "Le Temple de Tourteyron" im kleinen Dorf Valeyrac - idyllisch gelegen zwischen der Dordogne und dem Atlantik. Das Gut befindet sich bereits in der vierten Generation der Familie und blickt auf eine Geschichte, die sich bis zu den Tempelrittern zurückverfolgen lässt. Tatsächlich entstand der Name "Le Temple de Tourteyron" durch die Anwesenheit der Templer, die die Pilger medizinisch versorgten, die auf dem Weg nach Santiago de Compostela waren. Das ehemalige Krankenlager dient heute noch als Wohnhaus der Familie. „Tourteyron“ beschreibt umgangssprachlich die zahlreichen Tauben, die sich seit Jahrzehnten in den Gebäuden des Hofes einnisten. 

Die Familie - neben Mélissa sind das Vater Jean-Pierre und Bruder Loïc - bewirtschaftet insgesamt 100 Hektar Land. Vater Jean-Pierre ist zwar der Mensch mit der größten Erfahrung, doch er arbeitet auf Augenhöhe mit seinen Kindern Mélissa und Loïc zusammen. Gemeinsam kümmern sie sich um die Charolais-Kühe, die die Familie seit Jahren mit Erfolg züchtet, und zusammen machen sie ihre Weine. Auf insgesamt 24 Hektar werden Weinreben produziert, und zwar die Trauben Cabernet Sauvignon (50%), Merlot Black (48%) und Petit Verdot (2%), die zu den leckeren Weinen verarbeitet werden. 

In Deutschland ist der "Médoc Cru Bourgois" der Familie Bergey über den Online-Weinhändler "Weinvorteil.de" zu haben, der in der Verkostungsnotiz über den Wein schreibt: "Gleich beim Einschenken des ersten Glases waren wir tief beeindruckt vom enorm üppigen, betörenden Duft von Kirsche, roter Frucht, Leder, Würzkräutern und Gewürzen." Wer diesen Rotwein mag, wird von Melissas erstem, selbst komponierten Wein niederknien. Hier schmeckt man einfach die Leidenschaft, mit dem dieser Wein gemacht ist. Die Tannine, die durch die zwölfmonatige Lagerung in den Eichenfässern, zu schmecken sind, sind herrlich eingebunden. Wer gerne grillt, findet in "Céleste" einen ganz ausgezeichneten Begleiter. 

Schwierig ist es nur, an den Wein zu kommen. Entweder man kauft ihn in den Sommermonaten auf dem Food-Market in Vensac oder fährt direkt auf das Weingut - Melissa und ihre Familie freuen sich das ganze Jahr über auf einen Besuch. Kurz vorher Bescheid geben, wäre nicht schlecht.