Regina Hiertz - Canis Tutor: "Hundepost"

Portrait Marion May
von Marion May – 07.11.2016

Vielleicht könnte Alva diesen Text schreiben. Denn Alva schreibt auch Briefe. Briefe, in denen sie von ihren Urlauben erzählt, vor der Angst vor Böllern an Silvester oder kluge Fragen stellt. Warum Seehunde Hunde sein sollen. Und warum das Meer so viel ekliger schmeckt als Pfützen. Alva ist überhaupt ein toller Hund.

Sie arbeitet mit ihrer Cousine Frieda als Therapiehund und begleitet Regina Hiertz zweimal die Woche in die Schule. Die drei arbeiten mit Kindern aus schwierigen Familienumfeldern und helfen, Dinge auch mal anders zu hinterfragen oder das zu lernen, die eben nicht jedem leicht fällt. Manchmal gehört dazu, den eigenen Namen zu schreiben. 

Schreiben Hunde Briefe mit der Schnauze oder mit der Pfote?
"Die Kinder gehen sehr empathisch mit Alva und Frieda um und entwickeln richtige Beschützerinstinkte. Und auf dem Schulhof zucken sie dann die Achseln, wenn es einem Mitschüler schlecht geht.", berichtet die Pädagogin. So entstehen Gespräche ohne Moralpredigt, in denen dennoch von Respekt erzählt werden kann und ein anständiger Ton eingefordert wird. Das ist Regina Hiertz wichtig: Achtung vor jedem - groß, klein, Mann, Frau, Hund, Kind.

In einigen Kulturkreisen ist der Umgang mit Hunden tabuisiert – dann ringen die Kinder mit der Spannung zwischen Verbot und Verlockung. „Wir haben Handschuhe zum Streicheln, das ist ein guter Kompromiss.“ Alva kann auch rechnen. Wenn die Lehrerin zwei Häufchen mit Leckerlis vor sie legt, frisst sie immer den größeren zuerst. Etwas, über das die Kinder immer wieder staunen. Und das hilft, wenn junge Menschen das Konzept von größer und kleiner verstehen wollen. Was würde Alva tun?

Mehr als gut geht ja nicht
Regina Hiertz betreut die vier Eingangsklassen einer Schule in Neubrück. „Es ist mir wichtig, die Geschichten der Kinder ernst zu nehmen und erst einmal zu glauben, was erzählt wird. Dann finde ich heraus, was die Intention dahinter ist: Sollen wir eingreifen oder reicht es, etwas einfach erzählt zu haben.“

Ist es schwer, in einem sozialen Brennpunkt zu arbeiten? "Mein Charakter gibt es glücklicherweise her, auch mal nein zu sagen.", beschreibt die studierte Sozialpädagogin. "Deswegen bin ich auch Beauftragte für sexuellen Missbrauch. Das kommt bei uns leider ein- oder zweimal mal im Jahr vor. Das sind oft Kinder, die ungebunden sind, sie sind dann sehr dankbar für Kleinigkeiten. Wenn ich dann abends in die Eifel fahre und weiß, dass das Kind heute Abend wieder angegangen wird ... ich versuche das, was ich kann, zu machen. Mehr als gut geht ja nicht."

Einen guten Ausgleich findet das Team in der Eifel. Jedes Wochenende fahren Regina, ihr Mann Andreas, Alva und Frieda dorthin. Hier wartet ein schnuckeliges Haus auf die vier. Baujahr 1730 mit großer Dachterrasse und viel Wald drumherum – für die beiden Collies eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass sie sich im Wald am wohlsten fühlen. Allein die ganzen Eichhörnchen, die man da jagen und anbellen kann, wenn sie unverschämterweise auf die Bäume flitzen.

Frau Hiertz ist oft ganz komisch. Sie rennt nicht über die Wiese und buddelt keine Löcher.

Alva + Frieda

Collies, 4 + 2 Jahre

„Alva ist eine Fehlfarbe der Collie-Zucht; sie ist fast weiß.“ Eigentlich war vor fünf Jahren geplant, einen Hund in den Sommerferien aufzunehmen, damit genug Zeit sein würde, ihn einzugewöhnen und in die Arbeit als Therapiehund zu trainieren. Und dann kam Alva. Im Januar. „Ich bin so flexibel wie eine Eisenbahnschiene“, also war es eigentlich ein paar Monate zu früh. Und dennoch blieb der Züchter beharrlich: Aus der ganzen Welt gab es teilweise höchst arrogante Anforderungen für den ungewöhnlichen Hund. Ein Hund passend zur Einrichtung? Nein, dann wirklich lieber ein Therapiehund. Wie es ausging, ist klar: Der vierjährige Collie tobt glücklich durch den Friedenspark.

Die Chefin von Alva erzählt die Hundegeschichten lebhaft und lebendig und zwischendrin fragt man sich fast, ob die zierliche 1,55 cm große Frau einfach horizontal mitfliegen würde, wenn die zwei Collies lospreschen würden. Dass die drei toll mit Kindern arbeiten, versteht man sofort. Und dann kommen im Spazierengehen die ganzen erwachsenen Themen auf. Nationalsozialismus und Rechtsextremismus zum Beispiel – etwas, zu dem Regina und ihr Mann seit vielen Jahren sehr engagiert sind und Vorträge halten. Oder auch, warum die Arbeit in der Schule vor zehn Jahren erweitert werden musste. “Mit Ende 30 hatte ich in der Schule erreicht, was ging. War´s das jetzt?“

Im Laufen lösen sich Gedankenknoten
Mit dieser beruflichen Erfahrung lag die Arbeit mit Erwachsenen auf der Hand. Unterwegs zu sein mit den Hunden ergänzt systemische Arbeit mehrschichtig. In der Bewegung lösen sich Gedankenknoten - man erzählt anders. Die Hunde sind immer da, um sie anzusehen, statt dem anderen Menschen ins Gesicht schauen zu müssen. Pausen machen. Und dann lernen Menschen ja auch durchs Zusehen und Erleben: Sich selber fühlen, wieder bei sich sein – darin sind Frieda und Alva Profis. Wenn man mit den dreien unterwegs ist, schleicht sich Leichtigkeit ein und man beobachtet die Freude, die die Hunde ausstrahlen.

"Es ist schlimm, wenn Menschen in ihrer Depression steckenbleiben". Aktuelles Projekt: Burnout-Prophylaxe. Ob dieses Thema angenommen wird, wird sich erst noch zeigen; die Dichte an Coaches, Beratern und Therapeuten in der Kölner Südstadt ist hoch. Aber es lohnt sich, mal reinzuschnuppern. Im Kalender vom Onlineportal "Meine Südstadt" finden sich aktuelle Angebote von Regina Hiertz.