Kutschfahrt mit Hund zur heiligen Quelle

Portrait Andreas Moll
von Andreas Moll – 31.08.2020

Wer weiß, ob das Quellwasser des Marien-Wallfahrtsortes Heiligenbrunn, das laut uralten Erzählungen nicht nur Bauerstöchter, sondern auch Hunde von der "Hinfallenden Sucht", heute als Epilepsie bekannt, heit. Der Legende nach soll der Vater des geheilten Mädchens im späten 16. Jahrhundert zum Dank die erste hölzerne Marienfigur gestiftet haben. Seitdem strömten die Menschen an diesen Ort, der bei Jägerwirth in der Gemeinde Fürstenzell bei Passau zu finden ist. Früher, um in der Kapelle naher der Quelle eine Kerze aufzustellen, heute, um das kalkarme Wasser in Kanister abzufüllen, um es zum Tee- und Kaffeekochen zu benutzen.

Nach Heiligenbrunnn führt die Hunderunde, die Tierarzt Florian Szikora mit seiner Rhodesian Ridgeback-Hündin Fatou an diesem Sonntag gewählt hat. Nachdem er morgens bereits die Strecke mit dem Mountain-Bike absolviert hatte, hat er nun seinen siebenjährigen Wallach Buali, er sage und schreibe 800 Kilogramm auf die Waage bringt, vor die Kutsche gespannt. Neben ihm nimmt Pferde- und Hundefreundin Esther Platz, die den ihn bei dieser Ausfahrt unterstützt. Wer in Deutschland eine Kutsche führen möchte, muss übrigens einen Lehrgang machen, der sicherstellt, dass ein Fahrer, bzw. eine Fahrerin ein Gespann auf öffentlichen Wegen und Straßen führen kann. Fatou nimmt auf den ersten Metern im Wagen Platz, erst im Wald darf sich die Hündin frei bewegen. Buali freut sich auf die Ausfahrt und ist, genau wie die Menschen, ein wenig aufgeregt.

Ich reise zwar gerne in der Kutsche mit, doch genieße ich den Ausflug erst so richtig, wenn ich frei laufen darf."

Fatou

Rhodesian Ridgeback, 2 Jahre

Vom Gelände des Sandgruberhofes führt die Runde einige hundert Meter auf der Straße entlang. Florian hält die Zügel fest im Griff, Esther hält beim Abbiegen die Kelle raus und Fatou wartet geduldig, bis endlich der Waldweg erreicht wird. Nun kann der Kutscher auch ein bisschen über sich und ihren Pferdehof erzählen, den er und seine Freundin, die Tierärztin Rebekka Reimold, vor gut einem Jahr gekauft haben. "Wir haben uns mit diesem Hof einen lang ersehnten Traum erfüllt", erklärt Florian, während er Buali immer wieder mit einigen aufmunternden Worten motiviert. Auf insgesamt vier Hektar haben neben Florian und Rebekka, Fatou, den eigenen Pferden Buali und Gaviota und den beiden Hofkätzchen noch fünf weitere Pferde Platz, die sich als ständige Pensionsgäste zu Hause sind.

"Bei uns stehen die Pferde im Mittelpunkt!"

Kennen und lieben gelernt haben sich die beiden Hofbesitzer nach dem Tiermedizinstudium in München, als beide für ein Pharmaunternehmen der Branche tätig waren. Florians Partnerin Rebekka liebt seit ihrer Kindheit Pferde und reitet bereits ihr Leben lang. Sie liebt ihr eigenes Pferd, das auf den Namen Gaviota (übersetzt bedeutet das Möwe) hört, bietet Reitunterricht an und bildet zudem junge Pferde aus. Permanent bildet sich Rebekka als Reiterin weiter, wie auch an diesem Wochenende. "Die Besitzer der Pensionspferde schätzen besonders die familiäre und vor allem ungestresste Atmosphäre bei uns", erklärt der Kutscher.

Das Wasser aus der Quelle - und ganz besonders aus den Händen von Florian - schmeckt mir ausgezeichnet."

Fatou

Rhodesian Ridgeback, 2 Jahre

Fatou ist eine waschechte Österreicherin

Bei einem Züchter in Vorarlberg, dem im Westen Österreichs gelegenen Bundesland, wurde Fatou vor zwei Jahren geboren. Der "Ridge", das ist der in die entgegengesetzte Richtung zum restlichen Haar wachsende Strich auf dem Rücken des Hundes, ist deutlich sichtbar. Respekt verursacht das große Tier, doch ist Fatou eine Seele von Hund, der sofort den Kontakt sucht und absolut nichts dagegen hat, ausgiebig gestreichelt zu werden. "Anfangs waren wir mit dem Hund in der Welpenschule", sagt Florian, "damit Fatou lernen konnte, Artgenossen zu begegnen und mit ihnen klarzukommen. Schließlich ist Sozialisation eines der Grundbedürfnisse aller sozialen Lebewesen, und somit auch das des Hundes." Mittlerweile weiß die Hündin ganz genau Bescheid, wie sie sich auf dem Pferdehof zu benehmen und vor allen Dingen zu bewegen hat. Und wenn der Rhodesian Ridgeback seine Besitzer auf einem Ausflug mit Pferd, Fahrrad oder Kutsche begleiten darf, ist er überglücklich - an Kraft und Ausdauer feht es Fatou keinesfalls.

Heiligenbrunn und zurück

Zweimal in der Woche findet der Kutschenausflug nach Heiligenbrunn statt. Und jedes Mal dürfen Hund und Mensch einen tiefen Schluck aus der Quelle nehmen. Offiziell ist dies kein Trinkwasser, doch schmeckt das kühle Nass und löscht den Durst. Eine weitere Legende sagt, dass im 17. Jahrhundert der Grundeigentümer den Teich zugeschüttet und das Marienbild entfernt lassen hat, weil sich dieser über die zertretene Wiese durch die zahlreichen Wallfahrer gestört fühlte. Die Strafe jedoch folgte auf dem Fuße, denn der Hof des Landwirtes brannte ab und alle seine Tiere gingen zu Grunde. Da diese Geschichte noch 400 Jahre danach noch in lebendigen Worten erzählt wird, kann man getrost davon ausgehen, dass der Durst von Menschen und Tieren hier auch noch in den nächsten Jahrhunderten gestillt werden kann.