Jäger Jochen Schumacher: "Verantwortung für das Tier"

Portrait Marion May
von Marion May – 07.10.2016

Das ist Jochen. Jochen ist Jäger. Jäger kümmern sich um die Tiere, die frei im Wald leben. Viele Menschen finden Jäger doof. Klingt komisch, ist aber so.

Jäger sein ist etwas, das Menschen schon sehr lange sind. Als die Menschheit noch jung war, gab es nur Jäger, die Landwirtschaft wurde erst später erfunden. Inzwischen sind nicht mehr so viele Menschen Jäger. Jochen war erst gar kein Jäger, sondern Hundebesitzer. Er hat sich eine schwarze Labradordame gekauft. Flame und Jochen sind ein gutes Team, und als Flame vier Jahre alt war, wollte Jochen noch mehr mit ihr machen als nur spielen und spazieren gehen. Er hat gelernt, dass sich die Rasse gut für die Jagd eignet. So wurde Jochen Jäger.

Wer kümmert sich um den Wald?
Jäger kümmern sich um die Tiere im Wald, so wie Förster sich um die Bäume und Landwirte sich um die Felder kümmern. In Deutschland gehört jedes Stück Land jemandem. Jäger sind verantwortlich für die Tiere, die frei auf diesem Land leben. Sie müssen beispielsweise aufpassen, dass die Tiere nicht über die Felder der Bauern herfallen und alles auffressen. Wildschweine tun das nämlich, wenn man sie lässt. Also bauen sie Zäune um Felder und bauen sie auch wieder ab, wenn geerntet werden soll. Sie kümmern sich aber auch um Seuchenschutz. Das heißt, dass sie kranke Tiere finden und erschießen, so dass nicht alle Tiere im Wald krank werden. Und sie kontrollieren den Bestand der Tiere, damit alle genug Nahrung haben und gesund bleiben. Als die Welt noch jung war, konnten sich Tiere einfach vermehren und das war gut so. Inzwischen gibt es viele Städte rund um die Wälder. Tiere werden dennoch trächtig und würden so viele Junge bekommen, dass nicht genug Futter für alle da ist. Damit sich nicht Wildschweine und Rehe auf den Füßen rumstehen, kontrolliert der Jäger, wie viele Tiere wild in seinem Revier leben und schießt gerade so viele, dass es allen noch gut geht. 

„Da lastet eine Riesenverantwortung auf meinen Schultern“, erzählt Jochen. „Das ist kein Computerspiel, da geht es um Leben und Tod. Idealerweise tritt der Tod so schnell ein, dass das Tier den Knall noch nicht gehört hat. Wenn es geklappt hat, dann erst kommt die Erleichterung und die Freude.“ Die Jagd ist eine Mischung aus Fürsorge, Passion, Mitgefühl und Notwendigkeit. „Pflanzenfresser kauen sich im Laufe ihres Lebens ihre Zähne ab und können dann das Futter nicht mehr fressen. Der natürliche Tod eines Rehs ist Verhungern.“

Ist der Tod sinnvoll?  

„Ach, schade!“ denkt der Jäger manchmal , wenn es ein Tier ist, das besonders hübsch ist. „Kohlfüchse sind bildschön. Fast schwarz.“ „Ein Mensch sollte seinen Hund nach dem Wesen aussuchen, das zu ihm passt. Ich bin ein Fan der Zuchthunde – auch hier haben die Menschen mit den Mitteln der Selektion Verantwortung übernommen. Letztlich ist ein Mischlingshund etwas, wo der Mensch in seiner Verantwortung versagt hat.“ Auch wenn er locker spricht: Es ist merkbar, dass sich der Jäger viele Gedanken über Verantwortung gegenüber dem Tier gemacht hat.

Mit Flame jagt Jochen hauptsächlich Tiere, die der Hund noch tragen kann: Enten, Kaninchen. Wenn Hochwasser ist, zieht Jochen Gummistiefel an, geht mit Flame über die überfluteten Wege und erlebt ein ganz ruhiges Köln auf der Suche nach den Enten in den Gewächsen neben dem Fluss. Und so jagt der Labrador auch nicht einfach Bällchen nach, sie bleibt ganz nah bei ihrem Jäger. Und wenn der sie mit Handzeichen und Ansage vorschickt, läuft sie in die Richtung, die er anzeigt, bleibt dort, wartet und schaut. Und apportiert später. „Würde sie gleich dem Bällchen nachsprinten, würde sie ja nicht sehen, wenn später noch eines käme.“ Die zwei sind ständig in Kontakt.

Früher war Jochen sehr kreativ, was Aufgaben angeht, damit wir zusammen die Jagd lernen konnten. Ich bin zufrieden in meinem Leben, mir geht’s gut. Nur: Mehr Fressen, das geht immer!

Flame vom Blanken Nagel

Labrador, 12 Jahre

Andere Hunde und Menschen lassen Flame eigentlich relativ kalt. Bis sie mit Leberwurst locken, denn Verfressen-Sein steckt Labradoren tief in den Genen. „Aber da krieg ich Krawatte, wenn andere meinen Hund füttern“, grollt Jochen. „Das ist übergriffig. Ich bleibe das Zentrum für meinen Hund, wenn alles Gute von mir ausgeht.“ Und letztlich soll Flame gesund bleiben und beweglich und arbeitsfreudig. Wer die beiden miteinander sieht, sieht ein gutes Team. „Wir sind symbiotisch – ganz wie eine gute Ehe. Nicht, dass wir nicht auch mal Stress hätten…“, grinst der Mensch und erzählt eine Geschichte, in der sein Jagdhund ihm locker die Mittelkralle gezeigt hat. Denn letztlich hat der Hund im Feld dann doch immer Recht.

Aus der Sicht des Tierhüters lässt sich einiges hinterfragen, über das Stadtmenschen oft noch nicht nachgedacht haben: Der Umgang mit Tod, wo kommt unser Fleisch eigentlich her, welche Verantwortung haben wir für die Tiere?

Podcasts für die Neugier
Jochen Schumacher ist reflektiert, freundlich, witzig und neugierig. Er hat eine Meinung und spricht mit Fachleuten über Themen rund um die Jagd und macht Podcasts daraus, von denen auch andere Menschen lernen können. Von der Ausbildung eines Jagdhundes, über das Wild selbst bis hin zur Ethik dahinter. Auch seine Podcasts sind ungewöhnlich: Er nimmt sich Zeit für seinen Gesprächspartner und den Inhalt. Und so kommen tiefe Gespräche heraus, die auch manchmal für eine ganze Zugfahrt von Köln nach Hannover reichen. Oder für einen Abend zu Hause, in denen die Hörer die dreistündigen Unterhaltungen im Hintergrund laufen lassen können. Es gibt eine treue Fangemeinde, die sich jeden Podcast herunterladen und sehr gerne tief einsteigen.

Seit April ist er auch Vorstand bei „Horn und Hund“ – einer Gruppe, die das jagdliche Brauchtum und damit auch die jagdliche Musik pflegt. Das Jagdhorn ist das Smartphone der früheren Zeit: ein Kommunikationsmedium unterwegs. Und zum Schluss kommt das Halali, der Dank, dass man der Natur etwas entnehmen durfte. Und Zeichen für Flame, dass jetzt Schluss ist mit der Musik und Zeit, aufzustehen und nach Hause zu gehen.