Im Normalfall dreht der Dortmunder Carsten Drescher die Mittagsrunde mit seinen beiden Riesenhunden, Tucker und Winston im Fredenbaumpark. Die über 60 Hektar große Parkanlage ist die „grüne Lunge“ und liegt in der Dortmunder Nordstadt. Im Jahr 1891 gastierte Buffalo Bill mit seiner Wild West Show im Rahmen seiner ersten Tournee durch das Deutsche Reich im Fredenbaumpark, die von rund 5000 Zuschauern besucht wurde.
Seine Sommerferien jedoch verbringt der Agenturinhaber Drescher mit Familie und natürlich seinen Hunden auf dem Campingplatz "Le Gurp" an der französischen Atlantikküste. Vor einem Vierteljahrhundert ist er dem "Gurpfieber" erlegen und besucht jedes Jahr aufs Neue das ca. 80 Kilometer nördlich von Bordeaux gelegene Feriendomizil. Der weitläufige Strand und die Pinienlandschaft im Hinterland bieten seinen beiden Hunden ein ausgezeichnetes Terrain, um sich entsprechend ihrer Größe bewegen zu können.
Nachdem im vergangenen Jahr der ältere seiner beiden Doggenmischlinge mit 14,5 Jahren gestorben war, gab es nun nur noch den Dogge-Mastiff-Mischling „Watson“. „Eigentlich wollte ich ersteinmal keinen zweiten Hund, weil Watson mit seiner schweren Epilepsie schon Aufgabe genug war“, erklärte der Hundefreund, doch bei einem Hollandtrip am „Tag der Deutschen Einheit“ lief ihm und seiner Frau ein ganz außergewöhnlicher Hund mit großen Schlappohren über den Weg. Ein Bracco Italiano. Drescher „fing Feuer“, recherchierte im Netz, fand aber sehr, sehr wenige Informationen über diese in Deutschland kaum verbreitete Rasse. Der VDH, der Verband für das Deutsche Hundewesen, lieferte die ersten Informationen ("Rasselexikon"), die ihn jedoch nicht gänzlich befriedigten. Wie der Zufall es wollte, besuchte er kurze Zeit später seine in Cambridge studierende Tochter und fand im Bücherschrank seiner Herberge ein Buch über Hunderassen, in dem der Bracco Italiano ausführlichst beschrieben wurde.
Bracco Italiano
Der Bracco Italiano ist ein Jagdgebrauchshund, der bis zu 40 Kilogramm schwer wird und dessen Wurzenl aus dem 14. Jahrhundert stammen. Die Rasse war nach dem Zweiten Weltkrieg so stark dezimiert, dass sie fast ausgestorben wäre. Im Artikel der Fachredakteurin Sabine Middelhaufe ("10 Vor-/Urteile über den Bracco Italiano") erfährt der interessierte Leser, dass der Bracco Italiano als Vorsteher gezüchtet ist und in Italien hauptsächlich für die Suche, das Vorstehen und Apportieren von Federwild eingesetzt wird. Die Rasse hat sich jedoch außerhalb seiner Heimat bereits als hervorragender Helfer auf der Schweißfährte bewährt. Deshalb trifft auch zu, dass man diese Hunde außerhalb des Jagdeinsatzes oder als Nichtjäger im Rahmen der täglichen Ausgänge sehr gut mit Schleppen, Kunstschweißfährten und Apportierübungen beschäftigen kann. In ihrem Beitrag schreibt sie, dass der moderne Bracco ein Kraftpaket ist, der sich elegant und voller Energie bewegt und "sicher kein Hund ist, den man nur ein Stündchen im Stadtpark lüften muss".
Ich kann mich auf Carsten total verlassen. Er ist mein verantwortungsvoller und manchmal auch sehr verschmuster Papa!"
"Tucker hört auf den ersten Pfiff!"
Carsten Drescher fand mit Claudia Schrock-Opitz in Moormerland eine Züchterin, von der er seinen Wunschhund erwarb. Mit seinem Bracco hat er bisher nur positive Erfahrungen gemacht. Der Hundenarr war sich sehr bewusst, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben einen Hund mit Jagdtrieb zugelegt hatte. "Bisher ist die Schleppleine, von der ich dachte, dass ich sie in der Erziehung des Hundes einsetzen müsste, noch gänzlich unbenutzt", erklärt er. Tucker, der derzeit knapp 35 Kilogramm wiegt, lässt sich jederzeit abrufen, auch wenn er im Wald die Fährte eines Tieres aufgenommen hat. "Da mein Hund jedoch die Pubertät noch nicht beendet hat, weiß ich nicht, wie er sich künftig der Damenwelt gegenüber verhält." Drescher sagt, dass Tucker ein aufmerksamer Beobachter ist, einen "feinen Charakter" hat und sehr sensibel ist. Sein Bracco liebt das Leben innerhalb des Familienverbandes, ist aber dennoch sehr personengebunden und auf ihn fixiert. Während der täglichen Spaziergänge arbeitet Drescher mit Dummys, die er im Wald versteckt und die sein Hund dann finden muss. "Außerdem fährt Tucker total auf Mantrailing ab", erklärt der Hundebesitzer erfreut. Dabei handelt es sich um eine Personensuche, bei der der hervorragende Geruchssinn des Hundes genutzt.
Tucker & Winston
Leider musste der Dortmunder Anfang Juni seinen geliebten Watson einschläfern lassen - die Medikamente, die die Krankheit jahrelang im Griff halten konnten, hatten besonders die Leber in Mitleidenschaft gezogen, so dass dieser schwere Schritt unumgänglich war. Aber da Tucker kein Einzelkind bleiben sollte und weil die Erziehung seines Bracco so easy lief, hat er sich entschieden, wieder einen zweiten Hund in die Familie zu holen. „Ein Hund ist kein Hund", sagt Drescher lächelnd. Winston ist ein fünf Monate alter Doggen-Leonberger-Mix mit voraussichtlich 60 Kilogramm Lebendgewicht und totaler Fan seines "großen Bruders“.
Wenn die beiden unterwegs mit ihrem Herrchen sind, flößt das im ersten Moment erst einmal einen gehörigen Respekt ein. Menschen verkrampfen und werden kleinlaut, Hunde klemmen den Schwanz ein. Die beiden Riesenhunde jedoch freuen sich über jeden Kontakt, sind neugierig, extrem offen und gehen fast liebevoll mit ihrem gegenüber um. "Bisher gab es noch keinen Zwischenfall", sagt Drescher, der sich sicher ist, dass das auch so bleiben wird - sowohl auf der Urlaubsrunde am Atlantik, im Fredenbaumpark oder auf dem achteinhalb Kilometer langen Arbeitsweg in und um Dortmund.