Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung von Verhaltensauffälligkeiten beim Hundewelpen

Wenn man sich einen Welpen anschafft, möchte man von Anfang an alles richtig machen. Man geht zum Tierarzt, lässt ihn impfen, er bekommt eine Wurmkur, und das richtige Futter muss auch noch besorgt werden. Dann wird er in der Welpenschule angemeldet, damit er Kontakt zu Artgenossen und man selbst wertvolle Tipps für die Erziehung bekommt. Dann ist der Welpenkurs vorbei und für den Tierbesitzer geht die Erziehungsarbeit nun erst richtig los. Was mache ich, wenn der Hund nicht alleine bleiben möchte? Wie schaffe ich es, dass alles mit den Kindern gut läuft und er nicht beißt? Wie reagiere ich, wenn er ängstlich das Weite suchen möchte, sobald man sich einem Auto nähert? Damit einem solche Probleme erspart bleiben, gibt dieser Artikel wertvolle Tipps, um Verhaltensprobleme vorzubeugen.

Entwicklung von Verhaltensproblemen

Die Entwicklungsursachen von Verhaltensstörungen können vielfältig sein. Sie reichen von genetischen Ursachen über Krankheiten, traumatische Erfahrungen während der Entwicklung und mangelnde Sozialisation bis hin zu Fehlkonditionierungen durch die Hundehalter (Abb. 1).

Aggressionen beinhalten die mit Abstand am häufigsten beschriebene Kategorie von Verhaltensproblemen bei Hunden. Aber auch ängstliches Verhalten kann zu Problemen führen. Hierbei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Aggression Teil des natürlichen Verhaltens von Hunden darstellt. Auch Ängstliches Verhalten gehört zum normalen Verhaltensrepertoire eines Hundes und sichert in der Natur das Überleben des Individuums. Dem normalen Verhalten gegenüber steht jedoch die pathologische Verhaltensreaktion oder Verhaltensstörung (z. B. Zwangsstörungen und/oder Stereotypien, generalisierte Angststörung, pathologische Aggression).

Präventionsmaßnahmen

Umwelteinflüsse und Erfahrungen, insbesondere während der frühen Entwicklung des Hundes, können sich nachhaltig auf das Verhalten des erwachsenen Hundes auswirken. Die Erfahrung, die ein Welpe in seinen ersten Lebenswochen macht, prägen sein Verhalten oftmals ein Leben lang.

1. Sozialisation und Habituation

Stress (auch schon des Muttertieres) sowie soziale Deprivation (Abb. 1) in den ersten Lebenswochen können zu erhöhter Stressempfindlichkeit gegenüber neuen Reizen und Situationen führen. Die wichtigste Zeit zur Vorbeugung von Verhaltensstörungen ist jedoch die Sozialisationsphase (sensible/sensitive Phase: 3.-14. Lebenswoche). In dieser Zeit entwickeln Welpen nicht nur soziale Bindungen zu Eltern, Wurfgeschwistern und anderen Rudelmitgliedern, sondern gehen auch besonders leicht artfremde Bindungen zu Menschen und anderen Tieren ein. Phobien und generalisierte Ängste z. B. richten sich vorzugsweise auf Reize, denen die Hunde erstmals nach der 12. Lebenswoche ausgesetzt sind. Da in der Sozialisierungsphase auch eine Prägung auf Objekte (z. B. Staubsauger) der Umgebung stattfindet, können objektbezogene Ängste und Aggressionen am ehesten vermieden werden, indem Welpen in dieser Zeit einem möglichst reichhaltigen Angebot an sozialen und unbelebten Reizen ausgesetzt werden (Abb. 2).

Bei der Sozialisierung an den Menschen z. B. sollte das Spektrum unterschiedliche Größe, Haut- bzw. Haarfarbe und unterschiedliche Geschlechter sowie Altersgruppen umfassen. Gerade im Hinblick auf die Bissprävention, sollten Welpen mit Kindern unterschiedlichen Alters ebenso konfrontiert werden, wie im Gegenzug Kinder im Umgang mit Hunden vertraut gemacht werden. Auch unterschiedliche Kleidung/Accessoires sollten berücksichtigt werden (z. B. Hüte, Brillen, Schirme, Mäntel, Gehhilfen etc.). Viele Mitmenschen sind Welpen gegenüber unvoreingenommener eingestellt als erwachsenen Hunden. Somit ist es zusätzlich hilfreich, möglichst junge Hunde an unterschiedliche Orte oder Situationen zu gewöhnen (z. B. Fußgängerzone, Straßenbahn, Stadtpark, etc.). Dies kann gleichzeitig auch eine gute Sozialisation an andere Tiere oder Artgenossen zur Folge haben, welche sich ebenfalls in Größe, Alter, Geschlecht, Farbe etc. voneinander unterscheiden (Abb. 3).

Als unbelebte Gewöhnungsobjekte eignen sich Gegenstände aller Art, mit denen die Welpen auch im Erwachsenenalter konfrontiert werden könnten, wie z. B. Staubsauger, Fernseher, Fahrräder, etc. (Abb. 1.3). Bevor ein Welpe in sein neues zu Hause gebracht wird, sollte er auch an das Autofahren gewöhnt werden und positive Erlebnisse mit der Autofahrt verbinden können (z. B. die Fahrt ins freie Feld, auf die Hundewiese, etc.). Unterschiedliche Geräusche spielen bei der Sozialisation des Welpen ebenso eine große Rolle. Daher sollte auf die Habituation an verschiedene Geräuschkulissen (z. B. Stadtverkehr, Feuerwerk, Gewitter, etc.) nicht verzichtet werden. Hierbei lernen Welpen einfacher von positiven Assoziationen als von negativen Erfahrungen. Zu jeder Zeit sollte die Sozialisation an die unterschiedlichen Umweltsituationen sicher für den Welpen sein und Vergnügen bereiten. Traumatische Erfahrungen hingegen können gegenteilige Effekte bewirken.

Beachte: Das Training sollte auch nicht übertrieben werden. Für einen kleinen Hundewelpen sind 5 Minuten Training oftmals schon genug.

Hunde lernen nicht nur im Welpenalter sondern ein Leben lang."

Dr. Patricia Solms, Tierärztin und Praxisinhaberin

2. Erziehungsmaßnahmen

Ähnlich wie Kinder brauchen auch Welpen klare Regeln mit konsequenten und konsistenten Erziehungsmethoden. Eine gut ausgebildete Gehorsamkeit fördert die Hund-Halter-Bindung und ist essenziell, um (auch späteren) Verhaltensproblemen vorzubeugen. Das sichere Beherrschen von einfachen Kommandos wie „sitz“, „komm“, „aus“ oder „geh‘ auf deinen Platz“ macht es auf der einen Seite dem Hund erfassbarer sich in schwierigen Situationen adäquat zu verhalten. Aber auch das Alleinebleiben will gelernt sein und muss demnach geübt werden.

Beachte: Deutsch ist nicht des Hundes Muttersprache. Ein Welpe kann erst dann ein Kommando ausführen, wenn er vorher gelernt hat, was es überhaupt bedeutet!

Eine gute Erziehung macht es dem Halter aber auch einfacher, seinen Hund zu kontrollieren und damit Konfliktsituationen zu umgehen. Wenn zum Beispiel ein Welpe niemals Warnsignale (knurren, Zähne fletschen, etc.) zeigen darf, weil er für dieses unerwünschte Verhalten vom Menschen bestraft wird, kann er beim nächsten Mal in einer ähnlichen Situation direkt zubeißen, um eine nochmalige Bestrafung für das Warnverhalten zu umgehen (gelernte Aggression). Die bessere Möglichkeit hierbei wäre es, die Situation durch ein vom Halter gefordertes Alternativverhalten seitens des Welpen zu entschärfen und somit eine Eskalation zu vermeiden. Ein Konflikt, welcher durch einen Junghund hervorgerufen wird, der auf dem Sofa liegt und seinen Besitzer anknurrt, kann somit durch das Kommando „geh‘ auf Deinen Platz“ aufgelöst werden. Dafür muss der Welpe das Kommando aber auch verstanden haben und sicher beherrschen.

Beachte: Als Faustregel gilt: Ein Hund hat ein Kommando dann verstanden, wenn er bei acht von zehn Mal das gewünschte Verhalten bei der ersten Aufforderung sicher ausführt.

Ein weiteres Beispiel ist die spielerische Aggression: Ein Welpe erkundet seine Umwelt durch Exploration. Dies bedeutet unter anderem auch, dass viele Dinge, genau wie beim Kleinkind, durch Zubeißen kennen gelernt werden. Dabei macht der Welpe auch im Spiel mit der menschlichen Hand keine Ausnahme. Als effektive Gegenmaßnahme gilt es hier, das Spiel mit einer durchdringenden Schmerzäußerung (z. B. ein Schrei) und ohne weitere Strafmaßnahmen abrupt zu beenden. Inadäquate Erziehungsmaßnahmen wie Nackenschütteln oder ähnliche Gewaltanwendungen sollten gänzlich unterbleiben, da dies Angst und Aggression fördern kann. Das Ende des Spieles ist hierbei für den Welpen Strafe genug. Demzufolge lernt der Welpe beim nächsten Spiel mit seinem Besitzer entsprechend vorsichtiger zu sein und die Beißhemmung einzusetzen.

Kurze Einheiten von Folgsamkeitstraining mehrmals am Tag können schon früh begonnen werden. Das Training sollte leicht verständlich, vorhersehbar, konsistent und stressfrei aufgebaut werden. Positive Verstärkung durch Belohnung sollte dabei Bestrafungen vorgezogen werden. Gewünschtes Verhalten sollte belohnt und unerwünschtes Verhalten ignoriert werden. Zum Beispiel wird das Anspringen von Leuten mit Wegdrehen derselben ignoriert, aber ein „Sitz“ vor einer Person zur Begrüßung wird belohnt (Abb. 4a+b).

Beachte: Es hilft dem Welpen sich besser zurecht zu finden, wenn man ihm nicht nur beibringt, was er lassen soll, sondern ihm auch zeigt, was erwünscht ist.

Ein Verhalten, was nicht belohnt wird (auch nicht durch Aufmerksamkeit), wird in der Regel mit der Zeit nicht mehr gezeigt (Extinktion). Bei selbstbelohnendem Verhalten (z. B. das Stehlen von Essen) hilft Ignorieren nicht. Hierbei steht an erster Stelle, dem Welpen keine Gelegenheit zu geben, das unerwünschte Verhalten zeigen zu können (das Essen steht in unerreichbarer Höhe) und Alternativen anzubieten, um ein gewünschtes Verhalten zu belohnen (z. B. Beschäftigung mit einem Futterspielzeug) - (Abb. 5).

Beachte: Die Belohnung eines positiven Verhaltens ist immer einer Strafmaßnahme vorzuziehen.

Durch Desensibilisierung und Gegenkonditionierung können viele Verhaltensprobleme schon im Vorfeld gelöst werden (siehe Artikel Geräuschangst). Diese Techniken finden sowohl bei einfachen Dingen (z. B. Halsband anlegen, Futternapf berühren, in die Ohren schauen, Pfoten putzen etc.) als auch bei etwas aufwändigeren Situationen (z. B. alleine bleiben müssen) Anwendung.

Ängste sollten abgebaut werden, indem der Welpe lernt, dass beängstigende Situationen auch ganz harmlos sein und sogar mit etwas positiven assoziiert werden können. Wenn ein Welpe z. B. schon früh lernt, dass die Berührung am Fang, das Öffnen des Fangs und das Massieren des Zahnfleischs immer mit einem Leckerli verbunden sind, wird er sich im späteren Alter gerne die Zähne putzen lassen. Auch ein Tierarztbesuch kann sich ganz entspannt gestalten, wenn der Besitzer mit seinem Welpen Berührungen aller Art (Ohren schauen, Fieber messen, Pfoten berühren, etc.) frühzeitig übt (Abb. 6).

Beachte: Ein Welpe lernt leichter sich richtig zu verhalten, wenn er weiß, was er tun soll und damit positive Erfahrungen macht.

3. Beschäftigung

Neben der unzureichenden Sozialisation des Welpen ist ein häufiger Grund für Verhaltensprobleme die mangelnde Kenntnis des Besitzers über das natürliche Verhalten ihres Tieres. Hunde gehören zu den Tieren, welche eine hohe Motivation haben, ein instinktives Verhalten (z. B. Nahrungssuche) auszuführen. Oftmals wird ihnen dies aber nicht ermöglicht, da bei vielen Haushunden die Futtersuche ausschließlich im Leeren ihres Futternapfes besteht, welches dem komplexen Verhalten der Nahrungssuche in der Natur (wittern, lauern, jagen, erlegen, etc.) nicht gerecht wird. Fehlende geistige Auslastung und Frustration kann davon eine Folge sein. Verschiedene Studien belegen jedoch, dass bei Tieren die Förderung von komplexer und variabler Futtersuche generell das Auftreten von Verhaltensstörungen reduzieren kann (siehe Abb. 1.5). Daher sollten Welpen ausreichend beschäftigt werden, um Verhaltensprobleme vorzubeugen und weitgehend zu vermeiden. Beschäftigungsmöglichkeiten bereiten dem Welpen nicht nur Freude, sondern motivieren ihn zusätzlich, neue Dinge kennenzulernen und helfen somit die Sozialisation sowie Habituation an neue Gegebenheiten zu unterstützen.

Beachte: Vielseitige und ausreichende Beschäftigung mit dem Welpen hilft Verhaltensstörungen vorzubeugen.

Trainingseinheiten und Explorationsmöglichkeiten bieten eine effektive Form für Aufmerksamkeit, Abwechslungsreichtum und soziale Interaktion. Gezielte, beaufsichtigte Beschäftigung hält zudem den Welpen davon ab, unerwünschtes Verhalten zu zeigen (z. B. Beknabbern von Gegenständen) und vermindert dieses zusätzlich durch die folgende Ermüdung. Interaktives Spielzeug (z. B. Nina Ottosson®), angemessene körperliche Aktivitäten oder leichte Denksportaufgaben fördern die mentale Stimulation und neuronale Entwicklung. Die Art der Beschäftigung sollte dem Alter, der Rasse und den individuellen Bedürfnissen des Welpen angepasst werden. Temperamentvolle oder bewegungsfreudige Rassen, wie z. B. Terrier oder Huskys, brauchen zudem noch mehr Beschäftigung als weniger aktive Rassen. Dem Halter sind durch die immer weitreichendere Entwicklung von Beschäftigungsmaterialien keine Grenzen gesetzt. Exzessive Bewegung, wie z. B. am Fahrrad laufen, ist der orthopädischen Gesundheit des Welpen nicht zuträglich und sollte durch angemessene Spaziergänge und Konzentrationsaufgaben, wie z. B. Nasenarbeit oder Futtersuchspiele etc., ersetzt werden.

Beachte: Hunde lernen nicht nur im Welpenalter sondern ein Leben lang.

Weitere Informationen zum Thema Entwicklung und Prävention von Verhaltensstörungen beim Hund finden Sie in den Büchern:
Axel Wehrend
: „Neonatologie des Hundes“, Schlütersche Verlagsanstalt
Patricia Solms
: „Verhaltensprobleme beim Hund“ (in press), Schlütersche Verlagsanstalt