Erbkrankheiten beim Hund - Grundlagen der Genetik

Genetische Untersuchungen von Erbkrankheiten und Merkmalen, wie Haarlänge oder Fellfarben, spielen für die Gesundheit der Hunde und in der Hundezucht eine immer größer werdende Rolle. Erbkrankheiten oder bestimmte Merkmale werden durch dauerhafte Veränderungen des Erbguts, sogenannte Mutationen, hervorgerufen. Diese Mutationen können bereits vor etlichen Jahren im Erbgut von Vorfahren entstanden und weitervererbt worden sein.

Im Jahr 2005 konnte das Hundegenom anhand des Boxers „Tasha“ vollständig entschlüsselt werden. Dadurch ist der Nachweis vieler Erbkrankheiten und Merkmale, deren zugrundeliegende Mutation erforscht und deren Erbgang aufgeklärt ist, heute mittels Gentest möglich. Mittlerweile stehen zahlreiche Gentests für Züchter zur Verfügung, so dass gezielte Verpaarungen durchgeführt werden können, um von einer Erbkrankheit betroffene Nachkommen zu vermeiden. Dabei kann zum Beispiel auf neuromuskuläre Erkrankungen, Augenerkrankungen, Speicherkrankheiten, Blutgerinnungsstörungen, aber auch auf Fellfarben, Haarstruktur und Haarlänge getestet werden. Auch das Erstellen von DNA-Profilen und Abstammungsnachweisen nimmt eine immer größer werdende Bedeutung in der Hundezucht ein.

Das Erbgut/DNA jedes Lebewesen besteht aus vier verschiedenen Basen (Abb. 1): Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin. Die Abfolge dieser Basen/Nukleotide bestimmt grundlegend die Struktur und Funktion eines Proteins und somit den genetischen Bauplan jedes Lebewesens. Eine Mutation von Basen in Bereichen, die wichtige Informationen enthalten, den sogenannten Genen, kann zu Erbkrankheiten / Merkmalsveränderungen führen. Liegt die Mutation in DNA-Bereichen, die keine Informationen enthalten, oder beeinflusst sie die Struktur oder Funktion des produzierten Proteins nicht, hat sie keine Auswirkungen, man spricht in diesem Fall von einer „stillen“ Mutation.

Häufig liegen Punktmutationen vor, bei denen nur eine einzige Base in der DNA ausgetauscht ist. Es gibt allerdings auch Deleletions-, Insertions- und Duplikationsmutationen, bei denen eine oder mehrere Basen deletiert (fehlen), inseriert (zusätzlich eingebaut) oder dupliziert (doppelt eingebaut) sind.

Genetische Untersuchungen von Erbkrankheiten und Merkmalen, wie Haarlänge oder Fellfarben, spielen für die Gesundheit der Hunde und in der Hundezucht eine immer größer werdende Rolle."

Christina Dangel, Dipl.-Ing. Biotechnologie, Molekularbiologie

Für jedes Merkmal liegen im Genom eines Hundes zwei Kopien (Allele) vor. Je eine Kopie erhält das Tier von seinem Vater und eine von seiner Mutter. Durch einen Gentest kann man so zum Beispiel feststellen, ob ein Hund frei, Träger oder genetisch betroffen von einer Erbkrankheit ist.

Es existieren daher bei jeder Erbkrankheit drei Genotypen:



1. Genotyp N/N (homozygot gesund/frei): Der untersuchte Hund ist reinerbig (homozygot) für das Wildtyp-Allel. Es trägt somit nicht die ursächliche Mutation für diese Erbkrankheit


2. Genotyp N/mut (heterozygoter Träger): Der untersuchte Hund ist Anlageträger (heterozygot) für die ursächliche Mutation für diese Erbkrankheit

3. Genotyp mut/mut (homozygot betroffen): Der untersuchte Hund ist reinerbig (homozygot) für die ursächliche Mutation für diese Erbkrankheit

Ob der Hund an dieser Erbkrankheit erkrankt hängt vor allem vom Erbgang ab. Die am häufigsten vorkommenden Erbgänge sind:

Autosomal-rezessiver Erbgang

Wird eine Erbkrankung autosomal rezessiv vererbt, kann sich das mutierte Gen nicht über das gesunde Gen durchsetzen. Nur ein homozygot betroffener Hund (mut/mut), der von beiden Elterntieren das kranke Gen geerbt hat, hat ein erhöhtes Risiko, an der Erbkrankheit zu erkranken. Hunde mit den Genotypen N/N (frei) und N/mut (Träger) erkranken selbst nicht daran. Ein Trägertier (N/mut) kann die Mutation allerdings mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an seine Nachkommen weitergeben.

Bei Verpaarung von zwei Trägern besteht die Gefahr, dass die Nachkommen von der Erkrankung betroffen sind (25 %). Daher sollte man Trägertiere (N/mut) immer mit mutationsfreien (N/N)-Hunden verpaaren, so dass keine homozygot betroffenen Hunde entstehen. Die Existenz von Trägern in einer gesunden Population erhöht die Variabilität des gesamten Genpools, weshalb diese nicht kategorisch von der Zucht ausgeschlossen werden sollten.

Autosomal-dominanter Erbgang

Bei einem autosomal-dominanten Erbgang führt bereits eine Kopie des mutierten Gens zum Auftreten der Erkrankung. Somit haben sowohl Trägertiere (N/mut) als auch homozygot betroffene Tiere mut/mut ein erhöhtes Risiko zu erkranken. Gentests für autosomal-dominante Erbgänge werden daher nur selten entwickelt, da ein Zuchtausschluss in der Regel auch ohne das Hilfsmittel Gentest möglich ist, weil jedes Tier, welches die Mutation trägt, auch klinische Symptome der Erkrankung zeigt. Ausnahmen sind hier allerdings Nachweise von Erbkrankheiten, die erst in höherem Alter des Hundes auftreten (late onset) oder Erbkrankheiten mit variabler Penetranz.

Zusätzlich zum Erbgang beeinflussen die Faktoren Penetranz und Expressivität den Unterschied zwischen Vorliegen der Mutation und Auftreten des korrespondierenden klinischen Bildes einer Erkrankung:

Begriffserklärung: Penetranz

Durchschlagskraft, mit der ein Merkmal/eine Erbkrankheit bei einem Lebewesen tatsächlich zur Ausprägung kommt. Man unterscheidet zwischen vollständiger Penetranz, bei der es immer zur Ausprägung kommt und unvollständiger Penetranz, bei der das Merkmal/die Erbkrankheit trotz vorhandenen Genotyps nicht in jedem Fall phänotypisch ausgeprägt wird.

Begriffserklärung: Expressivität

Als Expressivität bezeichnet man das Ausmaß und die Art der phänotypischen Ausprägung. Ist die Ausprägung eines Merkmals/einer Erbkrankheit trotz identischen Genotyps unterschiedlich spricht man von einer variablen Expressivität. Als Beispiel kann die Erbkrankheit Hämophilie A beim Deutschen Schäferhund nennen. Je nach Ausprägung der Erkrankung weisen die einzelnen Hunde eine leichte bis schwere Blutungsneigung auf.

Testmethoden

Im Labor wird aus dem Untersuchungsmaterial zunächst die Nukleinsäure, die DNA, isoliert. Im nächsten Schritt wird mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) ein Abschnitt des für die angeforderte Untersuchung relevanten Gens millionenfach vervielfältigt (amplifiziert), sodass es in den nachfolgenden Schritten analysiert werden kann. Zur Analyse der Mutation können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Eine wichtige Methode möchte ich Ihnen kurz vorstellen:

Sequenzierung eines Genabschnittes nach Sanger

Nach Vervielfältigung des zu untersuchenden Genabschnitts mittels PCR wird bei einer nachfolgenden Sequenzierung die Nukleotid-/Basenabfolge der DNA direkt abgelesen. Dazu wird die Didesoxymethode nach Sanger (auch Kettenabbruch-Synthese genannt) angewendet, bei der in einer zweiten PCR mit fluoreszenzfarbstoffmarkierten Reagenzien gearbeitet wird, deren Einbau bei der Replikation jeweils zum Abbruch der Kettenreaktion führt. Die entstehenden Kettenabbruchprodukte werden mittels Kapillargelelektrophorese aufgetrennt und mit Hilfe eines Lasers zur Fluoreszenz angeregt. Das enthaltende Fluoreszenzmuster, gemessen über eine Detektor, spielgelt die Sequenz/Abfolge der Basen des untersuchten DNA-Strang wieder (Abb. 2 und 3).

PS: Mehr zu diesem Thema, sowie Vorteile und Grenzen von DNA-Tests, wird die Autorin auf der Labogen-Züchtertagung 2019 in Bad Bocklet vortragen.