Wenn die Waage zu viele Pfunde zählt - wie klappt die Gewichtsreduktion?

Starkes Übergewicht, fachsprachlich auch Adipositas genannt, zählt zu den häufigsten ernährungsbedingten Störungen bei Hunden. Dennoch scheint das Thema nicht beliebt. Aus Unbehagen oder Missverständnis werden offensichtliche Anzeichen gerne verharmlost, als Reserven für schlechte Zeiten verteidigt oder resigniert der Veranlagung zugeschrieben.

Das Anlegen von Fettreserven war evolutionär bedeutsam, als Hunde ihre Nahrung noch selbst erbeuten und bei Misserfolg Hungerphasen überstehen mussten. Eine regelmäßige Fütterung machen diese Überlebensstrategie unnötig und mehr noch: Übermäßige Fetteinlagerungen schmälern Gesundheit und Lebenserwartung.

Wie entsteht Übergewicht?

Oftmals liegt eine Fehleinschätzung der verabreichten Futtermittel hinsichtlich des tatsächlichen Bedarfs des Hundes vor. Insbesondere Snacks zur Belohnung oder Beschäftigung weisen oft hohe Energiegehalte auf. Aber auch Stress, Langeweile oder häufige Futterwechsel können zu erhöhter Nahrungsaufnahme führen und eine Überversorgung provozieren. Von den Nährstoffen liefern vor allem die Nahrungsfette viel Energie.

Ein anhaltender Energieüberschuss führt bei adulten Hunden zur steten Zunahme von Körperfett. Ist das Fettansatzvermögen des Hundes erreicht, kann selbst eine begrenzte, dem Körpergewicht angepasste Fütterung das bestehende Übergewicht kaum beeinflussen. Verantwortlich sind die fettbedingt stärkere Hautisolation, die reduzierte Aktivität und hormonelle Einflüsse, die den Bedarf weiter senken.

Ausschlaggebend für den Energie- und Nähstoffbedarf des Hundes sind Alter, Rasse, Geschlecht, Temperament, Bewegungsanspruch und viele weitere Faktoren. Das Risiko für Übergewicht steigt vor allem bei Hunden mit niedrigem Grundumsatz, geringer Bewegung, aber auch durch hormonelle Veränderungen. Daher neigen ältere und kastrierte Hunde, ebenso wie einige Rassen eher zu Gewichtsproblemen. Erkrankungen, insbesondere der Schilddrüse, der Knochen und Gelenke, aber auch Herz-Kreislauf-Probleme und Medikamente können ebenfalls eine Rolle spielen und sollten stets tierärztlich abgeklärt werden.

Definitionsgemäß wird ein um 10 % erhöhtes Körpergewicht gegenüber dem Rassedurchschnitt als beginnende, ab 20 % als manifeste Adipositas (deutsch: Fettleibigkeit) bezeichnet.

Die Folgen übermäßiger Fetteinlagerungen

Nachgewiesen sind eine kürzere Lebenserwartung adipöser Hunde und ein erhöhtes Tumorrisiko. Neben der Belastung von Skelett und Kreislauf ist ein steigendes Körpergewicht mit einer zunehmenden Insulinresistenz verbunden und leistet so einer Diabeteserkrankung Vorschub. Zudem ist Fettgewebe hormonell aktiv und kann über Entzündungsreaktionen Erkrankungen der Gelenke, des Immunsystems und der Haut provozieren. Selbst die Darmflora verändert sich und trägt durch ihren Stoffwechsel zu einer erhöhten Energieausbeute für den Hund bei. Hierdurch sinkt der Bedarf an Nahrungsenergie nochmals. Es gilt also eine Art Teufelskreis zu durchbrechen.

Zurück zum Idealgewicht, aber wie?

Die Antwort scheint einfach: die Zufuhr der Nahrungsenergie muss angemessen reduziert und der Energieverbrauch des Hundes erhöht werden. Im ersten Schritt ist der tatsächliche Nährstoff- und Energiebedarf zu ermitteln und mit der aktuellen Fütterung zu vergleichen. Grundlage dafür ist das Körpergewicht des Hundes und das Zielgewicht. Es fällt nicht immer leicht, das Idealgewicht des Hundes festzulegen. Selbst innerhalb der Rassen und Zuchtlinien bestehen Unterschiede. In solchen Fällen bieten gleichgeschlechtige Elterntiere eine gute Orientierung und die Beurteilung sicht- und tastbarer Körperkonturen des Hundes. Als ideal gelten ein leichtes Ertasten der Rippen unter der Haut und eine sichtbare Abgrenzung der Taille.

Im zweiten Schritt ist die tägliche Futtergabe und das Bewegungspensum dem Zielgewicht anzupassen, angelehnt an die individuellen Bedürfnisse des Hundes, aber auch an die Lebenssituation des Halters. Als besonders hilfreich hat sich das Führen eines Protokolls erwiesen, um die tägliche Futterration (inklusive Zugaben und Snacks), aber auch den Gewichtsverlauf zu dokumentieren.

Als Faustregel für ein gesundes Abnehmen gelten 1 - 2 % des aktuellen Körpergewichts pro Woche.

Bei leichtem Übergewicht und ausgewogener Futterzusammensetzung reichen häufig die Einhaltung der für das Zielgewicht empfohlenen Futtermenge, der Verzicht oder zumindest die Reduzierung von Snacks auf maximal 10 % des täglichen Energiebedarfs und insbesondere die Ausweitung der täglichen Gassigänge. Klappt dies nicht, liegen ein stärkeres Übergewicht oder weitere Erkrankungen vor, sollte eine tierärztlich gestützte Fachberatung hinzugezogen und ein individuelles Diät- und Bewegungsprogramm festgelegt werden.

Für eine langfristig erfolgreiche Gewichtsreduktion sind neben erhöhter Aktivität, begrenzter Energieaufnahme und ausreichende Nährstoffdeckung vor allem eine an Hund und Halter angepasste Fütterungsstrategie entscheidend."

Dr. Anne Kinast-Dörries

Welche Vorzüge bieten Diätfutter?

Trotz üblichem Futtervolumen weisen Diätnahrungen zur Gewichtsreduktion eine deutlich reduzierte Energiedichte auf, meist durch weniger Fett und mehr Ballaststoffe. Das verhindert Hungerphasen und erleichtert die Futterumstellung für Hund und Halter. Ein erhöhter Proteinanteil sorgt für eine hohe Schmackhaftigkeit, eine längere Sättigung und den Erhalt der Muskelmasse.

Für Reduktionsdiäten ein Muss: sichere Bedarfsdeckung mit allen essenziellen Nährstoffen und ein Plus an Vitaminen und Mineralien (Abb.2). Diese Absicherung ist elementar für einen aktiven Stoffwechsel, zahlreiche Körperfunktionen und das Immunsystem. Nur dann werden überschüssige Reserven „gesund“ abgebaut, Muskelmasse und Fitness hingegen erhalten. Ein Zusatz von Taurin und L-Carnitin zur Nahrung kann den Fettstoffwechsel und die körpereigene Fettverbrennung verbessern. Zudem sind oft mehr zellschützende Antioxidanzien, wie beispielsweise Vitamin E, aber auch gelenkbezogene Nährstoffe wie Glucosamin und Chondroitinsulfat enthalten. Spezielle Diätfuttermittel sollten stets in Absprache mit dem betreuenden Tierarzt verwendet werden.

Was ist zu vermeiden?

Ein Aussetzen der Fütterung ist generell nicht zu empfehlen. Neben dem leidigen Hungergefühl stellt ein plötzlicher Nahrungsentzug eine extreme Stoffwechselbelastung dar und führt zum Verlust von Muskelmasse. Ebenso ist eine starke Reduktion der Futtermenge zugunsten von Snacks und Leckerchen zu vermeiden. Die verminderte Konzentration essenzieller Nährstoffe reicht dann oft nicht aus, um den Bedarf zu decken (Abb.3). Ein Mangel lässt nicht nur den Erfolg der Diät offen, sondern kann zu ernsten gesundheitlichen Störungen führen.

Wenn ein Futterwechsel nicht möglich ist ...

Muss die Standardnahrung beibehalten werden, beispielsweise aufgrund einer Allergie, kann die Futtermenge und damit die Energieaufnahme bis zu 60 % der Bedarfsempfehlung für das Zielgewicht gesenkt werden. Voraussetzung ist auch hier eine ausreichende Nährstoffdichte des Futters. Situationsabhängig sind zusätzliche Vitamin- und Mineralstoffgaben nötig. Je nach Höhe des Übergewichts ist ein schrittweises Vorgehen angezeigt. Ein Ausgleich der geringeren Futtermenge durch fett- und energiearme, ballaststoffreiche Futterzusätze (Futterzellulose, Weizenkleie) und wasserreiche Gemüse (Karotte, Zucchini) ist möglich und kann häufigem Betteln, der Aufnahme artfremder Nahrung und möglicherweise auch Aggression vorbeugen. Die Mengen sollten jedoch kontrolliert bleiben, da Ballaststoffe die Verdaulichkeit des Futters beeinflussen und damit auch die Verfügbarkeit essenzieller Nährstoffe reduzieren können.

Fazit

Für eine langfristig erfolgreiche Gewichtsreduktion sind neben erhöhter Aktivität, begrenzter Energieaufnahme und ausreichende Nährstoffdeckung vor allem eine an Hund und Halter angepasste Fütterungsstrategie entscheidend.

Anlässlich der 6. Labogen Züchtertagung, die am 28. September 2020 in Bad Bocklet stattfindet, wird Dr. Anne Kinast-Dörries das Thema weiter vertiefen. Ihr Thema dann: "Ach Du dicker Hund. Was macht Übergewicht und klappt es mit der Gewichtsreduktion?" Mehr Informationen unter "Labogen Züchtertagung 2020".