Schmerzerkennung bei Hund und Katze

Laut Definition ist der Schmerz ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, welches mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist. Die Dauer entscheidet, ob dieser akut oder chronisch ist (Lexikon der Veterinärmedizin E. Wiesner * R. Ribbeck).

Schmerzdiagnostik, -empfindlichkeit, -ausschaltung

In der Fachliteratur gibt es bestimmte Begriffsdefinitionen wie Schmerzausschaltung, Schmerzempfindlichkeit oder Schmerzpunktdiagnose. Die Möglichkeiten zur Schmerzausschaltung sind begrenzt, und Schmerzmittel verlieren oft in der Langzeittherapie an Wirksamkeit. Eine Schmerzempfindlichkeit ist im Untersuchungsvorgang häufig schwierig zu ermitteln, da sie von sehr vielen Faktoren abhängig ist - jeder Tierarzt oder Therapeut untersucht unterschiedlich.

Die Schmerzpunktdiagnostik gibt einen zuverlässigeren Anhaltspunkt über einen physiologischen oder pathologischen Reizzustand, da das Tier mit Abwehrbewegungen reagiert. Eine Schmerzpunktdiagnose wird aber nicht routinemäßig durchgeführt. Definitionen lassen demnach wenig Spielraum für den Untersuchenden (Besitzer, Tierarzt, Physiotherapeut usw.). Untersuchungen und Reaktionen verlaufen nicht standardisiert. Schmerz ist in seiner Qualität und Ausprägung nie gleich, sondern immer individuell. Oft bleibt der Schmerz, bzw. die Ursache des Schmerzes, zu lange unerkannt. Der Patient gerät so sehr schnell in eine Schmerzspirale.

Störfaktor Schmerz

In der Schmerzphysiologie wird als Auslöser ein sogenannter „Störfaktor“ beschrieben. Dazu gehören beispielsweise eine Zerrung, eine Entzündung, eine Verletzung oder eine Arthrose. Auf diesen Störfaktor folgt eine relative Muskelkontraktion. Der Muskel zieht sich als Reaktion auf den Schmerz zusammen. In Folge dieser relativen Muskelkontraktion wird der Muskel nicht mehr adäquat durchblutet und ist in seiner Mechanik eingeschränkt. Das Tier begibt sich in eine Schonhaltung und belastet falsch. Dies geschieht meist zuerst unbewusst und ist für den Besitzer oft nicht sichtbar. Die massive Schmerzempfindung führt zu einer Muskelverhärtung und einem Abwehrverhalten.

Die Schonhaltung ist eine Art Vermeidungsstrategie für den Patienten. Es ist eine Technik schmerzhafte Bereiche nicht mehr so stark belasten zu müssen. Diese wird so lange perfektioniert, bis sich das Tier auf eine neue Technik umstellen und als Schonhaltung verlassen muss, da der Schmerz nicht mehr zu ertragen ist. Dies schafft ein Tier unterschiedlich lange, und wenn keine „Lösungen“ bzw. Schonhaltungen mehr greifen, kommt es zum Festliegen, zur totalen Entlastung, stolpern und einer eindeutigen Lahmheit.

Aus der Verkettungen von Störfaktor zur Schmerzverstärkung resultiert der SCHMERZPATIENT.

Durch eine Sensibilität für kleine Hinweise könnte die Schmerzverstärkung aufgehalten, bzw. frühzeitig therapiert werden."

Dr. Nadine Klein, Tierärztin in Kerpen

Durch eine Sensibilität für kleine Hinweise könnte die Schmerzverstärkung aufgehalten beziehungsweise früher therapiert werden. Winzige Symptome sind oft wichtige Hinweise, werden aber nicht beachtet oder als psychische Störung abgetan. Es kann sein, dass das Tier bestimmte Körperstellen immer wieder beleckt, bestimmte Abläufe oder Gewohnheiten vermieden oder verändert werden. Ausgeprägtes Narbengewebe beispielsweise, welches durch Verletzungen oder Operationen entstanden ist, kann zu Verspannungen oder Fehlbelastungen führen, die leicht übersehen werden.

Ein Schmerzpatient ist für den Tierbesitzer oft wie ein lähmender Zustand, der unter einem Gefühl der Ausweglosigkeit und monatlicher Schmerzmittelbestellung hingenommen werden muss. Schmerzmittel sollen verhindern, dass chronische Schmerzen beziehungsweise ein Schmerzgedächtnis entstehen. Oft wird jedoch das „Zentrum oder der Ausgangspunkt“ des Schmerzes nicht entdeckt, und das Tier befindet sich längst im Zustand der Vermeidungsstrategie. Beispielsweise ist schon seit langer Zeit ein Schmerz in der Hüfte vorhanden, der aber für Halter oder Tierarzt nicht erkennbar ist. Deutlich sichtbar ist dann erst die Lahmheit an einer Vordergliedmaße, die dann auch untersucht und therapiert wird. Das Ergebnis ist jedoch unter Umständen nur bedingt zufriedenstellend, da der Hüftschmerz nach wie vor vorhanden ist, aber nicht entdeckt wurde.

Die Tiere verändern in manchen Situationen ihr Verhalten wie beim Spielen mit Artgenossen, Berührungen bestimmter Körperregionen oder sonst üblichen Verhaltensweisen (springen auf die Couch oder in den Kofferraum). Sie reagieren dann mit einem teilweise aggressiven Abwehrverhalten, welches für den Halter oft „überraschend“ ist. Schmerzmessung und Schmerzäußerung sind sehr individuell und abhängig von Rasse, Geschlecht, Körpermasse und Umgebungsfaktoren.

Nicht jedes Tier leidet gleich, ist gleich laut oder reagiert gleich. Anhaltspunkte für Tierbesitzer sind Klagelaute, Schwanz- oder Schweifschlagen, aufkrümmen des Rückens, Abwehrbewegungen, Unruhe, „sich beißen“, vermehrtes hecheln oder schmatzen. Das Bewusstsein für Schmerz kann der Halter früh schärfen, indem er Hinweise oder Veränderungen als „Frühwarnsystem“ wertet.

Gezielte Fragen beziehungsweise Anhaltspunkte für den Untersucher, Therapeut oder Besitzer sind beispielsweise:

- Länge, Häufigkeit und Motivation bei Spaziergängen

- Lahmheit oder Entlastung - wie oft ist dies innerhalb des letzten Jahres aufgetreten?

- Gab es Traumata - z. B. durch einen Sprung, beim toben oder bei einer Beißerei?

- Werden Befehle oder Alltagssituationen vermieden? (springen in den Kofferraum, auf die Couch, Kommando Sitz oder Platz, Pfoten anheben)

FAZIT

Liebe Tierhalterin, lieber Tierhalter, bitte achten Sie gut auf Ihren vierbeinigen, treuen Begleiter! Jede Abweichung vom normalen Gangbild kann ein Hinweis auf eine Problematik sein. Machen Sie sich Notizen und besprechen dies mit Ihrer Tierärztin oder Ihrem Tierarzt.