Der Fall „Sergeant Pepper“ - FSME beim Hund

von Prof. Dr. med. vet. Andrea Fischer und Gesine Buhmann

„Sergeant Pepper“, genannt „Pepper“, kam an einem Sonntag im Spätsommer letzten Jahres mit seiner Besitzerin in den Notdienst der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Der Besitzerin waren das deutlich reduzierte Allgemeinbefinden, einmaliger Durchfall sowie zunehmende Koordinationsstörungen im Gangbild ihres knapp zehnjährigen Labradorrüden aufgefallen. Die klinische Untersuchung ergab zusätzlich eine erhöhte Körpertemperatur von 40,5 °C. Pepper wurde stationär aufgenommen. Noch in der Nacht verschlechterte sich sein Zustand deutlich. Er hatte weiterhin sehr hohes Fieber und konnte nicht mehr selbständig gehen und stehen.

Dramatische Verschlechterung von Peppers Zustand

Aufgrund der Symptome und der schnellen und dramatischen Verschlechterung übernahmen Montagfrüh sofort die Spezialistin für Neurologie an der Medizinischen Kleintierklinik, Prof. Dr. Andrea Fischer, und ihr Team die Betreuung von Pepper und führten eine Gehirnwasserentnahme sowie eine Kernspintomographie des Kopfes und der Halswirbelsäule durch. Es ließen sich allerdings nur sehr dezente Auffälligkeiten im Gehirngewebe und im Halsrückenmark feststellen. Dafür konnte in Peppers Gehirnwasser eine massive Entzündung diagnostiziert werden, die sich in einer deutlich erhöhten Zahl an Entzündungszellen sowie erhöhtem Protein darstellte.

Die Diagnose lautete Meningoenzephalomyelitis, also eine Entzündung der Hirnhäute, des Gehirns und des Rückenmarks. Das Tierarztteam leitete verschiedene Nachweisverfahren für Erreger ein, die eine derartige Entzündung im Zentralen Nervensystem (ZNS) beim Hund verursachen können, u. a. Nachweisverfahren für das FSME-Virus. Sowohl die Antikörperuntersuchungen (IgG und IgM) als auch der direkte Erregernachweis (PCR) aus Gehirnwasser waren positiv: Pepper war an FSME erkrankt.

Peppers Zustand verschlechterte sich zusehends. In den folgenden zwei Tagen verringerte sich sein Bewusstsein immer weiter, er reagierte kaum noch auf seine Umwelt und er war nicht mehr in der Lage, seinen Kopf selbst zu halten. Auch Schlucken war ihm nicht mehr möglich, was den Tierärzten größte Sorge bereitete, da dadurch die Gefahr einer Aspirationspneumonie (Lungenentzündung) deutlich stieg. Auffällig war auch, dass Pepper ständige Muskelzuckungen, sogenannte Myoklonien, zeigte, die möglicherweise auch epileptische Anfälle sein konnten. Für die Besitzer war es schwer, noch an eine Genesung zu glauben.

Die Diagnose lautete Meningoenzephalomyelitis, also eine Entzündung der Hirnhäute, des Gehirns und des Rückenmarks."

Prof. Dr. Andrea Fischer, Medizinische Kleintierklinik der LMU

FSME kann nur symptomatisch therapiert werden.

Wie jede andere Viruserkrankung kann auch FSME nur symptomatisch therapiert werden, sprich: mit Schmerzmedikation, Infusionstherapie, Verhinderung von Sekundärinfektionen sowie Physiotherapie. Die Verabreichung von Kortison wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Es wird angenommen, dass diese in der frühen Phase der Erkrankung eher nachteilig ist. In der Rekonvaleszenz könnte Kortison allerdings die Symptome schneller verbessern. Entscheidender Therapiebestandteil bleibt hier aber in jedem Fall die intensive Physiotherapie.

Am Tag vier seiner Einlieferung besserte sich Peppers Zustandes. Das Fieber klang ab, die Myoklonien wurden weniger und Pepper reagierte wieder mehr auf seine Umwelt. Die Besitzer entschieden sich gemeinsam mit dem Tierärzteteam, nicht aufzugeben und Pepper eine Chance auf Genesung zu geben. Vor Pepper und seinen Besitzern lag jedoch noch ein langer Weg.

Intensive Physiotherapie bringt jeden Tag kleine Erfolge.

Mehrmals täglich erhielt der Rüde intensivste Physiotherapie, die jeden Tag kleine Erfolge brachte. Es begann damit, dass Pepper sich wieder für kurze Zeit in Brust-Bauch-Lage halten und seinen Kopf selbst tragen konnte. Die nächsten Fortschritte waren in seinen Vordergliedmaßen zu verzeichnen, die von Beginn an deutlich schwerer betroffen waren, als die Hintergliedmaßen. Nach ca. vier Wochen konnte Pepper erstmals für wenige Sekunden stehen. Von da an ging es stetig bergauf.

Auch wenn sein Gangbild noch Auffälligkeiten zeigt, insbesondere in der rechten Vordergliedmaße, ist Pepper heute wieder ein lebensfroher Hund. Er schafft kurze Spaziergänge, und seine Besitzer machen jeden Tag Übungen mit ihm. Zweimal in der Woche erhält er Physiotherapie. In regemäßigen Abständen können seine Besitzer Peppers Trainingsplan im Zentrum für Tiermobilität an der Medizinischen Kleintierklinik überprüfe und optimieren lassen.

Peppers Geschichte zeigt, wie viel die Physikalische Therapie für schwerkranke Vierbeiner leisten kann. Aus eben dieser Überzeugung heraus und mit diesem Ziel ist mit der Unterstützung der Firma Vetoquinol an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU das Zentrum für Tiermobilität entstanden. Erfahrene klinische Spezialisten und Wissenschaftler der Fachbereiche Neurologie, Orthopädie, Onkologie, Kardiologie, Rehabilitationsmedizin, Innere Medizin, Gesundheitsvorsorge und Ernährung arbeiten hier in engem Austausch miteinander, um die Lebensqualität ihrer Patienten zu verbessern und zu erhalten sowie evidenzbasiert die wirkungsvollsten Behandlungsmethoden zu identifizieren und Qualitätsstandards zu schaffen, die den Tierbesitzern Orientierung bieten (siehe auch Artikel: "Zukunftsweisendes Zentrum für Tiermobilität an der LMU München").

Das Zentrum für Tiermobilität steht Hunden und Katzen mit eingeschränkter Mobilität ab sofort fünf Tage in der Woche zur Verfügung – Terminvereinbarung unter Tel.: 089/2180-2650 (Montag bis Donnerstag, 8 Uhr bis 18.30 Uhr, und Freitag, 8 Uhr bis 17.30 Uhr) oder per Mail info@medizinische-kleintierklinik.de

Peppers Geschichte zeigt, wieviel die Physikalische Therapie für schwerkranke Vierbeiner leisten kann."

Gesine Buhmann, Tierärztin & wiss. Mitarbeiterin an der LMU

FSME-Erkrankung beim Hund: ergänzende Informationen

FSME ist ein Virus, das über einen Zeckenstich innerhalb der ersten Stunden übertragen wird. Es handelt sich um eine saisonale Erkrankung in Abhängigkeit von der Zeckenaktivität. Die Hochzeiten sind von April bis Juli und von September bis Oktober. Die Infektion mit dem Europäischen Virus ist durch einen zweiphasigen Krankheitsverlauf gekennzeichnet. Die Inkubationszeit, also die Zeit von der Übertragung des Virus bis zu den ersten Krankheitssymptomen, beträgt beim Menschen ein bis zwei Wochen, beim Hund kann sie jeweils kürzer oder länger sein. In der ersten Phase, die bis zu vier Tage dauert, zeigen Betroffene Fieber, Unwohlsein, Kopfschmerzen, manchmal gastrointestinale Symptome, Blutbildveränderungen (Leukopenie, Thrombozytopenie) und erhöhte Leberenzyme. Anschließend folgt eine symptomfreie Woche. In der zweiten Phase treten zentralnervöse Symptome auf. Das Virus gelangt über die Blut-Hirn-Schranke oder die olfaktorischen Nervenzellen ins Zentrale Nervensystem (ZNS). Diese zweite Phase tritt beim Mensch in 25 Prozent der Fälle auf.

Hunde sind weniger empfänglich für das Virus als der Mensch. Sie gelten als unbeabsichtigte Wirte. Wenn Hunde erkranken, präsentieren sie sich mit einem ähnlichen Krankheitsverlauf, jedoch scheinen sie oft schwerer betroffen zu sein. Häufig haben sie Fieber, teilweise bis 41,4 °C. Die neurologischen Symptome des erkrankten Hundes lassen auf eine multifokale – also mehrere Stellen betreffende – Erkrankung des Nervensystems schließen. Bei der Diagnostik einer FSME-Erkrankung beim Hund gilt es zu beachten, dass viele Hunde Antikörper aufweisen, ohne erkrankt zu sein. Deshalb ist erst der Nachweis von Ig M-Antikörpern („die schnelle Einsatzgruppe von Antikörpern“) oder einem vierfachen Anstieg des Ig G-Antikörpers („die Langzeitantikörper“) in einem Serumpaar (Zwei-Wochen-Abstand) beweisend. Alternativ ist der direkte Antigennachweis mittels PCR-Verfahren möglich.

Die Prognose eines an FSME-Virus erkrankten Hundes wird in der Literatur eher als vorsichtig angegeben. Wenn der Hund die erste Woche überlebt, wird die Prognose als etwas besser eingeschätzt, aber es können Spätfolgen bleiben.

Für die Verhinderung einer FSME-Erkrankung ist eine bestmögliche Prävention von Zeckenstichen entscheidend. Hier ist anzumerken, dass Pepper zum Zeitpunkt der Infektion eine Zeckenprophylaxe hatte, jedoch handelte es sich nicht um ein repellierendes Ektoparasitikum. Repellierend bedeutet, dass die Zecke davon abgehalten wird, überhaupt auf den Hund zu klettern. Bei vielen Ektoparasitika wird die Zecke leider erst durch den Saugakt getötet. Insgesamt wird die Häufigkeit von FSME-Erkrankungen in der Humanmedizin als steigend beschrieben. So entstehen der Verdacht und eine große Sorge, dass diese Erkrankung in Zukunft auch beim Hund eine größere Rolle spielen könnte.

Die Autorinnen

Prof. Dr. med. vet. Andrea Fischer leitet seit vielen Jahren als international anerkannte Spezialistin für Neurologie (Diplomate European College of Veterinary Neurology (ECVN), Diplomate American College of Veterinary Internal Medicine – Neurologie (ACVIM) den Fachbereich an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Genetik und Therapie von Epilepsie und neuromuskulären Erkrankungen bei Hund und Katze.

Gesine Buhmann studierte Tiermedizin an der LMU München. Seit rund vier Jahren arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Andrea Fischer und promoviert über ZNS-Entzündungen beim Hund sowie die Diskospondylitis durch das Bakterium Brucella canis.