Meerschweinchen-Haltung – wie leben sie artgerecht?

Meerschweinchen sind beliebte Haustiere, die ihre Bedürfnisse nicht einfordern und so oftmals still leiden. Umso wichtiger ist ein Grundverständnis für ihr Wesen um eine artgerechte Haltung umzusetzen.

Grundbedürfnisse

Sozialkontakte: Meerschweinchen leben idealerweise im Harem aus einem kastrierten Böckchen und einem oder mehreren Weibchen. Für erfahrene Halter:innen sind auch Böckchengruppen möglich. Reinen Jungtiergruppen sollte ein adultes, sozialkompetentes „Erzieher-Meerschweinchen“ hinzugesellt werden um eine optimale Sozialisation zu ermöglichen. Wird die Haltung auslaufen gelassen, ist das möglich, indem das verbliebene Meerschweinchen vermittelt oder ein sogenanntes „Leihmeerschweinchen“ aufgenommen wird. Für die Zusammenführung neuer Tiere sind spezielle Regeln einzuhalten. Bei Unverträglichkeiten sollte eine sachkundige Person hinzugezogen werden.

Bewegungsdrang: Auch wenn man es ihnen nicht ansieht – sie sind sehr aktive Tiere die eine Rennstrecke von zumindest zwei Meter Länge im Gehege benötigen. Als Grundfläche sind zwei Quadratmeter für bis zu vier Meerschweinchen geeignet. Ein Stall oder Käfig, der diese Mindestmaße nicht erfüllt, muss durch einen Dauerauslauf erweitert werden. Meerschweinchen sind wechselaktiv und schlafen nachts nicht, deshalb ist diese Fläche auch in der Nacht nötig. Zusätzlicher Auslauf sollte mittels ebenerdigen Zugangs direkt am Gehege ohne größere Hürden ermöglicht werden.

Nage- und Kaubedürfnis: In der Natur verbringen die Vorfahren unserer Meerschweinchen die meiste Zeit des Tages mit Grasen Pflanzen. Die Nahrungsaufnahme ist die Hauptbeschäftigung. In der Haustierhaltung führen energiereiche Futtermittel wie Trockenfutter, Getreide, Obst oder zu viele Leckerlis dazu, dass Meerschweinchen schnell satt sind. Eine faserreiche Ernährung mit abwechslungsreichem Grünfutter, Heu und frischen Zweigen befriedigt das Kaubedürfnis.

Schutz und sich verstecken: Als Fluchttiere suchen Meerschweinchen immer nach Deckung. Freie Flächen versetzen Meerschweinchen in Angst, deshalb wandern sie häufig von Unterschlupf zu Unterschlupf. Viele Häuschen, Unterstände und Röhren helfen dabei, dass auch freie Flächen besser genutzt werden, Tannen oder Fichtenzweigen sorgen für mehr Deckung. Auch Artgenossen sind essenziell für das Sicherheitsgefühl.

Ruhe und Entspannung: Meerschweinchen sollten in ihren Ruhephasen nicht gestört werden.

Meerschweinchen sind häufige Patienten in der Tierarztpraxis, viele ihrer Krankheiten wären durch eine artgemäße Ernährung und Haltung vermeidbar."

Viola Schillinger, Kaninchenwiese.de

Wohnungshaltung

Meerschweinchen eignen sich sehr gut für eine Innenhaltung, sofern der Platz für ein großes Gehege gegeben ist. Der engere Bezug zu den Tieren ermöglicht zudem eine engmaschige Gesundheitskontrolle, so dass Krankheiten frühzeitiger erkannt werden. Älteren oder geschwächten Meerschweinchen tut das milde Klima gut, sie müssen nicht mit Wetterextremen kämpfen.

Meerschweinchen sind ängstlich, reges Treiben in der Nähe des Geheges verunsichert viele Tiere, zu abgeschiedene Zimmer bieten zu wenig Umweltreize.

Als Umzäunung des Geheges können Beetumrandungen, Bretter oder Steckregale (z.B. Songmics) verwendet werden, bereits 30cm werden nicht übersprungen. Als Bodenschutz eignet sich Teichfolie, Wachstischdecken oder PVC-Bodenbelag. Holz ohne Beschichtung sollte zum Schutz vor Urin mit Spielzeuglack (DIN EN 71.3 behandelt werden. Für ein erhöhtes Gehege kann ein Bett oder Regale zweckentfremdet werden. Meerschweinchen werden nicht stubenrein, das gesamte Gehege sollte mit Einstreu oder Fleece ausgelegt werden.

Meerschweinchen sind auf eine Vitamin D Versorgung über Sonnenlicht angewiesen. In der Wohnungshaltung fängt das Fensterglas diese Strahlen ab, so dass direktes Sonnenlicht (offene Fenster, Auslauf im Garten oder auf dem Balkon) oder eine UVB Lampe eingeplant werden sollten.

Eine gute Sachkunde der Haltenden ist Voraussetzung für die artgerechte Haltung, durch Infomaterialien und Beratungen können Tierarztpraxen auf Haltungsfehler hinweisen."

Viola Schillinger, Kaninchenwiese.de

Außenhaltung

Eine Außenhaltung ist für gesunde Meerschweinchen generell möglich, allerdings mit größeren Investitionen und einem verhältnismäßig großen Aufwand verbunden, da sie nicht ideal auf unser Klima angepasst sind. Viele Halter:innen entscheiden sich für eine halbjährliche Außenhaltung von Mai bis September. In diesem Zeitraum sollten Meerschweinchen auch nach draußen gesiedelt werden.

Es gibt unterschiedliche Gehegetypen: das ein Meter hohe Gehege, das Pyramidengehege und das begehbare Gehege, welches besonders für die ganzjährige Auenhaltung zu empfehlen ist. Das Meerschweinchengehege muss nicht nur zu allen vier Seiten, sondern auch am Boden und Deckel mit stabilen Volierendraht (min. 1mm dick, verzinkt, punktverschweißt) gesichert werden. Sechseckdraht und Netze sind nicht sicher vor Raubtieren.

Besonders in den Wintermonaten ist eine Vollholz- oder isolierte Schutzhütte als Wetterschutz notwendig. Für eine ausreichende Luftzirkulation werden im oberen Bereich der Schutzhütte Luftlöcher gebohrt, diese dürfen nicht auf gegenüberliegenden Seiten (und nicht an der Wetterseite) angebracht werden, um Zugluft zu vermeiden. Die Grundfläche von min. 0,7 m² ist für zwei Meerschweinchen ausreichend. Bei größeren Gruppen ist eine entsprechend größere Grundfläche nötig. Je größer die Schutzhütte gebaut wird, desto mehr muss sie unterteilt werden, damit sie die Meerschweinchen mit der eigenen Körperwärme heizen können. Zusätzlich sollte das gesamte Gehege oder größere Bereiche vollüberdacht und seitlich gegen Schnee und Regen geschützt werden. Meerschweinchen haben nackte Ballen und laufen daher ungerne im Schnee. Etwas Sonneneinstrahlung in einem Bereich des Geheges wird gerne angenommen, wenn genug Schatten vorhanden ist. Das Gehege sollte zum Teil im natürlichen Schatten stehen um eine Hyperthermie zu vermeiden (Achtung: die Sonne wandert).

Als Untergrund eignen sich versiegelte Gehegeplatten, auf die verschiedenes Material wie z.B. Stroh, Kleintierstreu, Pinienrinde und Sand eingestreut werden. Als Tagfreilauf sind nach oben abgedeckte Auslaufgehege, die auf der Wiese zum Grasen verschoben, aber mit einem flexiblen Drainagerohr mit dem Gehege verbunden sind, sinnvoll.

Take Home Message

Meerschweinchen sind häufige Patienten in der Tierarztpraxis, viele ihrer Krankheiten wären durch eine artgemäße Ernährung und Haltung vermeidbar. Eine gute Sachkunde der Haltenden ist Voraussetzung für die artgerechte Haltung, durch Infomaterialien und Beratungen können Tierarztpraxen auf Haltungsfehler hinweisen.

Literatur / Quellen

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