Würmer am Hundeauge - gibt es das wirklich?
Roy ist ein dreieinhalb-jähriger Mischlingsrüde, der uns in unserer Spezialpraxis für Augenheilkunde mit einer Verdickung am rechten Auge vorgestellt wurde. Der Hund wurde vor ca. einem dreiviertel Jahr vom Tierschutz aus Rumänien übernommen. Kurz vorher wurde er dort am Auge gebissen. Bis vor vier Wochen war auch noch alles in Ordnung. Roy zeigt seit ungefähr vier Wochen eine Verdickung am rechten Auge, die schnell größer wurde (Bild 1). Allerdings schien sie Roy nicht zu stören: er hat das Auge schön offen gehalten und auch nicht mit der Pfote daran gerieben. Die Haustierärztin hatte den Vierbeiner schon auf einige Erkrankungen getestet, die im Ausland vorkommen können: z.B. Babesien, Ehrlichien, Leishmanien und Rickettsien. Diese waren alle negativ.
Die Augenuntersuchung ergab außer einer großen und derben Schwellung der Lederhaut direkt am Auges (Bild 2) und einer leicht geröteten Bindehaut keine besonderen Auffälligkeiten. Auch der Augeninnendruck war völlig normal. Wir haben zunächst eine entzündungshemmende Therapie mit Augentropfen eingeleitet, da wir auch nicht gleich als erstes an einen Wurmbefall gedacht haben. Bei anderen Patienten, die auch ähnliche Befunde zeigten, die durch Würmer ausgelöst wurden, hat man nämlich im Gegensatz zu Roy faden-/wurmförmige Strukturen durch die Bindehaut schimmern sehen können.
Würmer haben sich am Auge "eingenistet"
Leider hat sich durch diese Therapie überhaupt keine Besserung ergeben. Aber das ist ja auch klar: diese Würmer haben sich quasi am Auge eingenistet und können nicht einfach durch Augentropfen bekämpft werden. Der Organismus sieht diesen Wurm quasi als „Fremd“ an und versucht, ihn zu verkapseln. Die Schwellung entsteht also durch die Würmer und die darum liegende entzündliche Kapsel. Und so kam es, dass Roy operiert werden musste.
Diese Würmer können am besten dadurch therapiert werden, indem man sie entfernt. Dies geschieht in einer Operation, die nur unter dem Operations-Mikroskop in sehr großer Vergrößerung unter sterilen Bedingungen durchgeführt wird (Bild 3). Dabei wurde vorsichtig die den Wurm umhüllende Kapsel eingeschnitten, um den Wurm freizulegen. Der Wurm hat sich sehr gut eingenistet und ist mit dem umliegenden Gewebe verklebt. Da der Bereich durch die Fremdkörperreaktion sehr gereizt ist, blutet es während der Operation auch relativ viel. Aber keine Sorge, am Auge sieht es mehr aus, als es in Wirklichkeit ist. Nach und nach wird dann der komplette Bereich so gut wie möglich inklusive Wurm und Kapsel entfernt (Bild 4).
Warum muss dies denn überhaupt unter einem Mikroskop operiert werden?
Es kann sein, dass der Wurm sehr tief sitzt und man evtl. sogar das innere Auge eröffnen könnte. Mit dem Operationsmikroskop kann die Tiefe sehr gut eingeschätzt werden - somit entsteht kein größerer Schaden. Nach der Operation, die Roy sehr gut überstanden hat, bekam er noch für eine Woche Tabletten, die entzündungshemmend und abschwellend wirken - außerdem antibiotische Augentropfen.
Nach einer Woche wurde Roy zur Kontrolle vorgestellt. Die Bindehaut war erwartungsgemäß noch etwas geschwollen und die Hornhaut im benachbarten Bereich ein bisschen trüb. Aber Roy ging es sehr gut und er hielt das Auge gut auf. Außerdem war er sicherlich froh, dass er jetzt ohne Halskragen laufen durfte (Bild 5). Zweieinhalb Wochen nach der Operation ist fast nichts mehr von der Schwellung zu sehen, das Auge sieht annähernd normal aus (Bild 6).
Wir möchten Besitzer von Hunden aus osteuropäischen Ländern sensibilisieren, dass auch bei manchen Veränderungen oder Erkrankungen über den „Tellerrand“ hinaus geschaut wird.
Wie kommt denn überhaupt solch ein Wurm ans Auge?
Bisher sind solche Fälle immer nur bei Hunden aufgetreten, die aus dem osteuropäischen Ausland stammen. Die Würmer werden durch Fliegen übertragen, die laut Literatur vor allem in Afrika und Mittelamerika vorkommen, sich aber evtl. durch die Klimaerwärmung ausbreiten und jetzt auch schon in Ländern, wie Rumänien, auftreten können.