"Paulas großes Dackelherz" - Blasenbildende Autoimmunerkrankung

Vor einem Jahr wurde die 8-jährige Dackelhündin Paula in unserer Praxis vorstellig. Ihrer Besitzerin war aufgefallen, dass Paula häufig den Kopf schüttelte und öfter mit den Pfoten an den Augen kratzte. Die diensthabende Kollegin stellte während der Allgemeinuntersuchung eine Otits externa - also eine Entzündung des äußeren Gehörganges und eine Bindehautentzündung an beiden Augen fest.

Auffällig war, dass sich im äußeren Gehörgang kleine Bläschen befanden. Paula wurde mit einem Medikament zur Behandlung der Entzündung des Ohres und einer antibiotischen Augensalbe nach Hause geschickt. Als Paula dann nach vier Tagen zur Kontrolle kam, bot sich uns ein erschreckendes Bild. Der Zustand der kleinen Dackelhündin hatte sich dramatisch verschlechtert. Die Bläschen in den Ohren waren allesamt geplatzt und hinterließen eine große blutige Wundfläche. Auch die Augen waren hochgradig gerötet und die Hornhaut bereits einem grauen Schleier überzogen, welcher auf eine Keratitis (Entzündung der Hornhaut) hindeutete. Ferner fanden wir auf dem Bauch großflächige, gerötete Plaques, sowie kleine Bläschen an den Schamlippen und dem Anus.

Das schlimmste Bild erwartete uns aber in der Maulhöhle von Paula: das gesamte Zahnfleisch war hochgradig entzündet, und auch hier erstreckten sich Bläschen über die gesamte Maulhöhle. Viele der Bläschen waren bereits geplatzt und hatten großflächige, schmerzhafte Wunden hinterlassen. Auch ging es Paula nun vom Allgemeinbefinden schlecht. Sie hatte eine deutlich erhöhte Körpertemperatur und machte insgesamt einen sehr gedämpften Eindruck. Aufgrund der rapiden Verschlechterung und vor allem der Blasenbildungen, ging unserer Verdacht sofort in Richtung einer blasenbildenden Autoimmunerkrankung.

Die äußere Haut besteht aus mehreren Schichten von Zellen die von der Basalzellschicht ausgehen. Diese wiederum ist durch die Basalmembran - einer komplex aufgebauten Schicht mit der Unterhaut (Dermis) verbunden. Die Basalzellschicht bildet in einem Fort neue Zellen, welche dann nach oben geschoben werden und dabei immer mehr verhornen. Unsere äußerste Schicht, das Stratum corneum, besteht dann nur mehr aus kernlosen Zellen, welche uns dann in Form von Schuppen verlassen. Dieser Kreislauf findet in einem 21 Tage-Rhythmus statt. Damit diese Zellen zusammenhalten und unsere „Haut“ bilden, bedarf es verschiedener Mechanismen, die sich von Schicht zu Schicht unterscheiden.

Bei blasenbildenden Autoimmunkrankheiten werden diese Zellverbindungen von der körpereigenen Abwehr angegriffen und zerstört. Die Folge ist eine Auflösung der Verbindungen in bestimmten Schichten der Haut, welche dann als Blase sichtbar werden. Je nachdem, welche Verbindung in welcher Schicht betroffen ist, bestimmt die Schwere der Krankheit. Befindet sich die Auflösung der Zellverbände oberhalb der Basalmembran, spricht man vom Pemphigus-Komplex. Ist hingegen die Basalmembran in ihren verschiedenen Schichten direkt betroffen, sprechen wir von der Pemphigoid-Gruppe.

Je tiefer der Angriffspunkt, desto schwerer die Folgen!

Generell gilt: je tiefer der Angriffspunkt in der Haut gelegen, desto schwerwiegender die Folgen für den Patienten. Da zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen in der Regel Medikamente eingesetzt werden, die potentiell schwere Nebenwirkungen haben, muss die Diagnose stets abgesichert werden. Dies geschieht in der Veterinärmedizin mittels einer Biopsie. Da bei Paula die aktuellsten Veränderungen in der Maulschleimhaut und im Bereich der Schamlippen zu finden waren, wurde sie in Narkose gelegt und noch vor der Gabe von Medikamenten mehrere Biopsien entnommen.

Das ist wichtig, da die Medikamente die im Rahmen einer Autoimmunerkrankung gegeben werden - unter anderem Kortison - das Ergebnis einer Biopsie verfälschen können. Im Laufe des ersten akuten Schubes verlor Paula auch die Ballenhaut an allen Pfoten. Die Diagnose einer blasenbildenden Autoimmunkrankheit - in Paulas Fall einem sogenannten Schleimhautpemphigoid - wurde vom Histopathologen bestätigt. Die auslösende Ursache für eine Autoimmunerkrankung ist schwer zu finden. Manchmal können Medikamente oder Infektionserreger die auslösenden Ursachen sein. Meist findet man jedoch keine Grundursache.

Paulas großes, tapferes Dackelherz

Es folgten sowohl für Paula als auch für Ihr Frauchen eine schwere Zeit. Bei blasenbildenden Autoimmunerkrankungen ist es leider meist so, dass die Patienten aufgrund der schweren Nebenwirkungen der verabreichten Medikamente euthanasiert werden müssen. Auch Paulas Blutwerte verschlechterten sich in den ersten drei Monaten der Therapie dramatisch, und die großflächigen Wunden an der Innenfläche beider Ohren ließen sich nur schwer zur Abheilung bringen. Aber Paula hatte ein großes tapferes Dackelherz, und auch ihr Frauchen hatte die Hoffnung nie aufgegeben. Nach fünf  Monaten war es dann soweit: die Krankheit hatte sich soweit zurückgezogen, dass wir mit der Reduzierung der immunsuppremierenden Medikamente beginnen konnten. Im Februar 2017 - elf Monate nach Diagnosestellung - geht es Paula noch immer gut. Ihre Blutwerte sind allesamt wieder im Normbereich und die Läsionen sind komplett abgeheilt. Sie bekommt nur mehr eine sehr geringe Erhaltungsdosis eines Medikamentes, das Paulas Immunsystem reguliert. So soll verhindert werden, dass ihre körpereigene Abwehr wieder die Verbindungsstellen in ihrer Haut angreift.