Wenn sich in Köln Sänger kostümiert auf die Bühne stellen und singen, kann man zu 99 Prozent davon ausgehen, dass es sich um eine karnevalistische Veranstaltung handelt. Die Ausnahme bildet ein Frauen-Shanty-Chor, der sich selbst "Die Brausen" nennt, über Rum, Matrosen und die See singt und nunmehr seit zehn Jahren über die großen und kleinen Bühnen des Landes tingelt.
Die Lieblingsrunde von der Kölnerin Barbara Ellerbrock, vom Start an Mitglied des Matrosinnen-Chores, führt - wie sollte es anders sein - direkt am Wasser entlang. Von den "Pollerwiesen" aus sieht man auf die unverwechselbare "Skyline" des Rheinauhafens, dem Vorzeigeviertel der Domstadt. Bella, die achtjährige Hündin, ist ein Deutscher Pinscher, der das abwechslungsreiche Terrain dieser Runde sichtlich genießt und auf der Suche nach Mäusen auch schon einmal alles um sich herum vergisst.
Barbara Ellerbrock wird ein klein wenig nervös, als sie die VKC-Tennisanlage passiert, denn hier spielt die gebürtige Kölnerin um Punkte im Team der 2. Verbandsliga. "Wenn ich hier nach meinen Matches auf der Sonnenterrasse ein gutes Glas Wein genieße", seufzt sie, "komme ich mir jedes Mal vor wie im Urlaub. Der VKC ist wahrlich der idyllischst gelegene Tennisclub in Köln." Seit ihrer Jugend schon übt sie den "weißen Sport" aus, zum Singen ist sie vor jetzt genau zehn Jahren eher zufällig gekommen.
Obwohl ich morgens gerne länger schlafe, liebe ich es zweimal die Woche um 7 Uhr mit Barbara am Rhein joggen zu gehen.
Eine Dekade im Dienste des Shanty
2006 trafen sich einige Frauen der Kölner Südstadt im angesagten Friseursalon "Haarem" von Katrin Hoffmann, weil hier nicht nur Haare geschnitten werden, sondern auch immer wieder Konzerte stattfinden. Die Jungs der "Rockaway Shanty's", ein Seemannschor aus Köln, rockten damals den Salon, rissen die Südstadtfrauen erst mit, dann von den Sitzen und weckten den Ehrgeiz, Seemannslieder selbst auf die Bühne zu bringen. Während die männlichen Vorbilder klassisch in weißen Matrosenuniformen performten, wurde es bei den "Ahoibrausen" - so nannten sich die Matrosinnen - reichlich bunter. Ihre Liebe zu den Farben Rot, Pink und Rosa zeigt sich bei ihren tollen Outfits bis heute in stets neuen prickelnden Kombinationen.
"Vom Erfolg wurden wir quasi überrannt", erklärt Barbara Ellerbrock, die von Anfang an dabei war. Die "Ahoibrausen" waren in aller Munde, doch gibt und gab es keine Seefahrt ohne Gegenwind. Der blies in Form eines bitterbösen Briefes des Herstellers des Pulvers, das schon in Katherina Thalbachs Bauchnabel in der Blechtrommel-Verfilmung so herrlich kribbelte. Die Anwälte schoben ihren rechtlichen Riegel vor und verboten die Nutzung des Namens. Die Sängerinnen nahmen es sportlich, nannten sich fortan Die Brausen, vergaßen jedoch während ihrer Auftritte nicht, ihrem Publikum das alte Seemannskommando "Ahoi" zuzurufen. Wasserratten wissen, dass sich die Brausen damit, genau wie es ihre Kollegen auf See tun, Gehör verschaffen. Jahre später fragten übrigens Redakteure der Frigeo-Mitarbeiterzeitung an, um eine Reportage über die Kölner Sängerinnen zu machen - doch letztlich kam es nicht zur Umsetzung. Auch nicht schlimm, denn über mangelnde Aufmerksamkeit in den Medien können sich die singenden Matrosinnen wahrlich nicht beklagen.
Sie woll'n Spaß...
Die insgesamt 24 Sängerinnen treffen sich seitdem einmal wöchentlich mit zwei Akkordeons, Geige, Blockflöten, Okulelen und Gesangslehrerin Tomke Andresen. In erster Linie wollen die Frauen Spaß haben, und wer sie auf der Bühne sieht, nimmt ihnen das absolut ab. Da "Die Brausen" auch sehr, sehr gerne feiern, wird jeder Auftritt zu einer Party - auf jeden Fall während, aber vor allem auch nach den Auftritten. Die finden auf den Kleinkunstbühnen der Domstadt, auf Straßenfesten und Weihnachtsmärkten statt. Regelmäßig nehmen "Die Brausen" Einladungen aus dem fernen Berlin an. Und darüber hinaus haben die Damen das Kriegsbeil der beiden "verfeindeten" Städte am Rhein begraben und ihre Sangeskunst in Düsseldorf zum besten gegeben. Ob die After-Show-Party mit Altbier in der Landeshauptstadt oder bei Kölsch in der Heimatstadt gefeiert wurde, bleibt ein Geheimnis.
Wer sich die weiblichen Matrosen einmal anhören möchte, erkundigt sich am besten auf der Homepage der Brausen - unter www.die-brausen.de oder Facebook bleibt die Fangemeinde, bzw. die, die dazu gehören wollen, auf dem Laufenden.