"Hummel, Hummel" - Markknochen als Maulkorb

Es sollte eine Belohnung sein, die „Hummel“, eine 5-jährige Rottweilerhündin nach einer langen Hunderunde noch bekommen sollte. Es endete in einer kleinen Katastrophe.

Der Knochen schiebt sich über Kinn und Unterkiefer

Hastig schleckte die Hündin das Mark aus dem kräftigen Rindermarkknochen, einer großen, stabilen Beinscheibe, wie der Metzger verlockend das Knochenstück mit etwas Fleisch angepriesen hatte. Zusätzlich sollte diese Belohnung auch noch der Zahnpflege für das Tier dienen. Fatal war der große Innendurchmesser des Markraums des Knochens. Der Speichel und das fettige Mark machen das Knochenstück so glitschig, dass es nur noch eines kleinen Zufalls bedurfte, so dass sich der Knochen leicht über das Kinn und über den Unterkiefer schiebt.

Der Anruf kam prompt, und die Sorge der Besitzerin war deutlich zu vernehmen. „Hummel“ versuchte sich mit aller Gewalt von dem Knochen zu befreien. Ein leider unmögliches Unterfangen, da die beiden großen Eckzähne dies zu verhindern wussten. Wie zwei Pylonen, die eine Durchfahrt verhindern, stehen sie im Weg und verhindern ein Abrutschen des Knochens. Hinzu kommt noch, dass mit zunehmender Reizung der Haut und der Maulschleimhaut diese langsam anschwellen und den Knochen nur noch fester auf dem Unterkiefer verankern.

Die Angst und die Panik in Hummels Gesicht war selbst für einen Laien sichtbar. Heftiges Kopfschlagen, ein starrer, ängstlicher Blick, und die Pfoten, die immer wieder in Richtung Hundemaul schlagen, um sich von dem lästigen Anhängsel zu befreien.

Propofol & Gleitcrème

Eine Fixation durch eine unserer Tierarzthelferinnen war kaum möglich, sodass wir zunächst eine Beruhigungsspritze in den Muskel geben mussten, bevor wir einen Venenzugang legen konnten, um eine Narkose zu geben. Das einströmende Propofol (Propofol ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Narkotika, der als gut steuerbar gilt) brachte dann die Entspannung. Wer jetzt glaubt, der Knochen wäre nun leicht über das Kinn zu hebeln, der irrt. Die scharfen Kanten des stabilen Knochenrings haben zwischenzeitlich die Haut und die Schleimhaut so gereizt, dass die Schwellung des Kinns als zusätzliche Barriere diese einfache Lösung verhindert. Die Lösung ist in diesem Fall eine erhebliche Menge an Gleitgel, mit dessen Hilfe der Knochenring abgelöst werden konnte. Nicht selten ist dies aber nur mittels zweier Schnitte mit einer oszillierenden Knochensäge möglich, mit deren Hilfe der Ringknochen schnell und sicher geöffnet werden kann, ohne Gefahr zu laufen, noch zusätzliche Verletzungen zu verursachen.

Glücklicherweise heilen die Wunden am Mund sehr schnell ab, und bereits nach zwei Tagen kann man keine Schäden mehr erkennen. Eine lokale Wundbehandlung mit einer antiseptischen Crème ist in der Regel ausreichend. „Hummels“ Frauchen ist erleichtert, fühlt sich aber schuldig. „Bisher gab es doch nie ein Problem mit den leckeren Markknochen, und den Zähnen hat es ja auch geholfen.“ Eines weiß sie aber jetzt sicher: “Markknochen gibt es ab jetzt keine mehr, denn das ist einfach zu gefährlich“.