Lidfehlstellungen beim Hund

Schmerzen und Seheinschränkungen bei „Murphy“

„Murphy“, ein sieben Jahre alter Englischer Cocker Spaniel, wurde uns wegen immer wieder entzündeten Augen und eingeschränkter Sehfähigkeit vorgestellt. Bisher konnten die Entzündungen immer mittels lokaler Medikamentengabe verbessert werden, jedoch sorgte diese Therapie immer nur kurzzeitig für Linderung. Um „Murphys“ Problem zu verstehen, bedarf es einer kleinen Exkursion in die Anatomie des Hundeauges.

Die Augenlider, bestehend aus Ober- und Unterlid, sind bewegliche, fein bemuskelte Hautfalten. Sie schmiegen sich der Augenoberfläche dicht an und bilden mit ihren freien Rändern die Lidspalte. Die Lider werden außen von der zart behaarten Haut überzogen, die kleine Schweiß- und Talgdrüsen besitzt. Am Oberlid zeigen sich wimpernartige Haare. Die Innenfläche der Lider ist durch die Bindehaut ausgekleidet.

Intakte und funktionstüchtige Lidstrukturen schützen das Auge vor äußeren Einflüssen. Die Meibom-Drüsen sind spezielle Talgdrüsen am Lidrand, welche die fettig-ölige Fraktion der Tränenflüssigkeit bilden. Diese schützt vor zu schneller Verdunstung der Tränen und hält den Lidschlag über das Auge geschmeidig. Ein Hund blinzelt durchschnittlich 3-5x in der Minute und verteilt damit den Tränenfilm über Hornhaut und Bindehaut. Neben der reinigenden Funktion trägt der Tränenfilm auch zur Ernährung der durchsichtigen, gefäßlosen Hornhaut bei.

Aus diesen Gründen ist es für ein gesundes Auge unerlässlich, dass Ober- und Unterlid störungsfrei zusammen arbeiten können. Zu lange oder zu schlaffe Lider oder aber zu viel Haut im Bereich der Lider führen zu Fehlstellungen und Funktionsstörungen, welche mit starken Schmerzen und/oder Seheinschränkungen verbunden sind. Im schlimmsten Fall kann sogar der Verlust des Auges drohen.

Lidfehlstellungen beim Hund

Häufige Lidfehlstellungen sind ein eingerolltes Lid (Entropium) oder ein ausgerolltes Lid (Ektropium). Beim Entropium führt der ständige Reiz der Fellhaare (Trichiasis) zur Irritation der Hornhaut. Als Folge treten chronische Defekte und starke Schmerzhaftigkeit auf (Blinzeln, Juckreiz, Tränenfluss, Trübung des Auges). Beim Ektropium ist der Verschluss des Auges durch die Lider unvollständig und führt so zu einem ständigen Reiz der Bindehaut mit chronischer Entzündung und oft zu trockener Hornhaut. Neben diesen beiden häufigen Formen gibt es auch die zu lange Lidspalte (Makroblepharon) oder Kombinationen aus allen Formen. Fehlstellungen sind in der Regel vererbt, seltener verletzungsbedingt erworben. Meistens sind sie jedoch nicht unbedingt angeboren, sondern entstehen im Laufe des Lebens. Häufig in den ersten beiden Lebensjahren, in einigen Fällen jedoch auch im mittleren Lebensalter, wie der Fall von „Murphy“ zeigt.

Fehlstellungen der Lider sollten nicht unterschätzt werden, denn sie führen immer zu Reizungen, Irritationen und in den meisten Fällen auch zu Schmerzen. Deshalb sollte man bei Verdacht den Hund immer untersuchen und sich dann beraten lassen, welche Behandlung im betreffenden Fall optimal ist."

Anja Sophie Bitsch, Tierärztliche Praxis für Augenheilkunde Dreieich

Schmerzhaftigkeit des rechten Auges

„Murphy“ zeigte bei der eingehenden Augenuntersuchung eine deutliche Schmerzhaftigkeit des rechten Auges mit starkem Kneifen, Tränenfluss und schleimigem Ausfluss (Exsudation). Das linke Auge zeigte ebenfalls eine schleimige Exsudation, war jedoch weniger schmerzhaft. Das Sehvermögen war zum Zeitpunkt der Untersuchung eingeschränkt, da „Murphy“ nicht in der Lage war, seine Augen normal zu öffnen.

Die Ursache für diese Symptome ist eine multifaktorielle Lidfehlstellung bei „Murphy“. Beide Augen wiesen eine zu große Lidspalte (Makroblepharon) auf. Dadurch ergaben sich zum einen ein ungenügender Lidschluss mit hängenden Unterlidern und chronischer Reizung der Bindehaut und der Hornhaut. Zum anderen waren die Oberlider beidseits aufgrund einer fortgeschrittenen Bindegewebsschwäche auf beiden Seiten hängend und rechts zudem eingerollt. Dies führte rechts zu einer massiven Reizung der Hornhaut durch die Fellhaare (Trichiasisreizung, Abb. 1) mit einem sehr schmerzhaften Defekt in der Hornhaut (Ulkus korneae, Abb. 2). Diese Form des eingerollten oder hängenden Oberlides entsteht durch eine altersbedingte erworbene Bindegewebsschwäche.

Behandlung

Die Erstbehandlung von „Murphy“ beinhaltete die Gabe von antibiotischen und pflegenden Augentropfen bis zum zeitnah vereinbarten Operationstermin zur Korrektur der Lidfehlstellungen. An beiden Augen sollte sowohl das Ober- als auch das Unterlid „gerichtet“ werden. Die Unterlider wurden jeweils mittels einer keilförmigen Exzision gekürzt und die entstandene Wunde mit einer speziellen Nahttechnik (8er Naht) verschlossen, sodass als Ergebnis ein glatter, gut anliegender Unterlidrand entstand. Die Oberlider wurden mittels einer speziell für diese Erkrankung entwickelten Methode (Entropiumoperation nach Stades) chirurgisch behandelt. Hierbei bleibt nach Entfernen des überschüssigen Gewebes und der wimpernartigen Haare am Oberlid ein Teil der Wunde offen, um dann „sekundär“, d.h. etwas später als das Unterlid, zu verheilen.

Diese Operationsmethode verstärkt zum einen den gewünschten Lifting-Effekt und zum anderen verhindert es bei fortschreitender Bindegewebsschwäche (was mit fortschreitendem Alter durchaus vorkommen kann) eine erneute Reizung des Auges durch die wimpernartigen Haare (Abb. 3).

Da die Fehlstellung an „Murphys“ Augen nicht symmetrisch gleich stark ausgeprägt war, wurde an jedem Auge nur genau so viel Gewebe wie nötig entfernt, um eine optimale Lidstellung zu erreichen. Hierfür ist es absolut notwendig die Lider des Patienten in wachem Zustand genauestens zu beurteilen, da die Haut sobald der Patient einmal schläft, weiter erschlafft und eine korrekte Beurteilung nicht mehr möglich ist. Die Wundränder des Hornhautdefekts des rechten Auges wurden unter zusätzlicher örtlicher Betäubung aufgefrischt (Abrasio korneae), um ein Abheilen zu beschleunigen.

„Murphy“ hat nach der Operation in den ersten 14 Tagen weiterhin Augensalben und -tropfen bekommen, damit der Hornhautdefekt abheilen konnte. Zusätzlich erhielt er für einige Tage antibiotische und entzündungshemmende Tabletten, um Infektionen zu vermeiden und den Wundschmerz zu mindern. Vorsichtshalber wurde ihm in den ersten Tagen auch ein Kratzschutz in Form eines Halskragens verpasst. Nach 14 Tagen waren die Wunden gut verheilt und die Fäden konnten gezogen werden (Abb. 4 und 5). Das Ergebnis vom Lidlifting: „Murphy“ kann beide Augen wieder gut öffnen, normal schließen, ist schmerzfrei und hat endlich wieder den vollen Durchblick (Abb. 6).

Take Home

Fehlstellungen der Lider sollten nicht unterschätzt werden, denn sie führen immer zu Reizungen, Irritationen und in den meisten Fällen auch zu Schmerzen für unsere vierbeinigen Freunde. Deshalb sollte man bei Verdacht den Hund immer untersuchen und sich dann beraten lassen, welche Behandlung im betreffenden Fall optimal ist, denn jede Lidfehlstellung ist so individuell wie der Patient an sich und sollte nicht nach „Schema F“ operiert werden.