Der schiefe Unterkiefer bei Jagdhund Finja
Als Finjas Besitzerin das erste Mal mit ihr in unsere Kieferorthopädie-Sprechstunde kam, war die Griffon-Hündin gerade 21 Monate alt. Sie erzählte uns, dass sie den Hund gerade erst neu gekauft habe und dass ihr der schiefe Kiefer (Bild 1) zuerst gar nicht aufgefallen sei. Als Finja aber bei der Apportierarbeit immer öfter Probleme zeigte, hatte sie genauer nachgeschaut und den Einbiss des Unterkiefereckzahnes in den Gaumen festgestellt (Bild 2).
Bei der Allgemeinuntersuchung stellten wir keine Auffälligkeiten bei Finja fest. Jedoch zeigte sich bei der eingehenden Untersuchung der Gebisssituation ein sogenannter rechtsseitiger Caninuslingualstand Typ II mit Einbiss des rechten Unterkiefereckzahnes in den Gaumen und eine Schiefstellung des gesamten Unterkiefers. Bei genauerer Betrachtung der Einbissstelle konnten wir Haare und Futterpartikel aus dem Loch in der Gaumenschleimhaut entfernen (Bild 3). Bei der ausführlichen Beratung erklärten wir Finjas Besitzerin die Vor- und Nachteile der verschiedenen Therapiemöglichkeiten. Da die Hündin mit ihren 21 Monaten kieferorthopädisch gesehen im fortgeschrittenen Alter war, kam hier letztendlich nur eine Bisskorrektur infrage, mit einer aus Metall gegossenen Aufbeißschiene. Der Vorteil dieser im Dentallabor hergestellten Spange ist die Möglichkeit, diese über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten im Hundemaul zu belassen. Es besteht dabei kein Kontakt zur Maulschleimhaut. Bei der sonst üblichen Methode mit Kunststoffschienen, ist durch den permanenten Schleimhautkontakt und den damit verbundenen Zahnfleischreizungen nur ein begrenzter Verbleib von wenigen Wochen im Hundemaul möglich.
Bei der ersten Behandlung erstellten wir in Narkose mehrere Silikonabdrücke in Ober- und Unterkiefer, um mit Hilfe von Gipsmodellen die Bisssituation von Finja in einem Artikulator zu rekonstruieren. Auf Grundlage dieser Gipsmodelle wurde dann die Aufbeißschiene in einer Legierung aus Chromkobaltmolybdän im Gussverfahren hergestellt (Bild 4).
10 Tage später setzten wir die Metallspange bei Finja ein. In Narkose befestigten wir die Schiene im Oberkiefer und klebten sie, abgestützt an den seitlichen Schneidezähnen, an den Oberkiefereckzähnen fest. Beim Schließen des Kiefers bewirkte nun diese sogenannte schiefe Ebene vor dem rechten Oberkiefereckzahn, dass der fehlgestellte Unterkiefereckzahn nach außen abgelenkt wurde (Bild 5). Anders erklärt verrichtete Finja durch ihre Kaumuskeltätigkeit beim Schließen der Kiefer die Arbeit und Kraft, um den Zahn nach außen zu bewegen. Durch die Art der Konstruktion der schiefen Ebene bestimmten wir lediglich in welche Richtung der Unterkiefereckzahn verlagert werden sollte. Auf der gesunden, linken Seite wurde ebenfalls eine Gleitfläche angebracht, die aber lediglich als normale Führung dient, damit eine gerade Bissführung des Unterkiefers gesichert ist.
Eine kieferorthopädische Korrektur bei Hunden ist prinzipiell in jedem Alter möglich. Bei der Wahl der Korrektur ist - wie im vorliegenden Beispiel - die richtige Therapieform zu wählen, wobei die längere Behandlungszeit berücksichtigt werden muss.
Finja war nach dem Erwachen aus der Narkose zuerst etwas irritiert durch das „fremde Ding“ da in ihrem Maul, gewöhnte sich aber sehr schnell an die neue Schiene. Die Besitzerin berichtete, dass sie jetzt ein ganz anderer, viel aufgeschlossener und lustiger Hund sei. Ohne irgendwelche Probleme könne Finja sogar Füchse mit der eingebauten Schiene apportieren. Bei den regelmäßigen Kontrollen in monatlichem Abstand konnten wir die langsame aber stetige Stellungsveränderung des rechten Unterkiefereckzahns kontrollieren.
Anhand der Einbisstiefe in die Aufbeißschiene konnten wir den Fortschritt der Zahnbewegung erkennen. Nach ungefähr 3 Monaten waren wir mit unserer Behandlung am Ziel angekommen. Finja konnte ihre Kiefer wieder komplett schließen und der rechte Unterkiefereckzahn war wie gewünscht lippenwärts nach außen gewandert. Von vorne betrachtet konnte man jetzt auch sehen, dass der Unterkiefer insgesamt wieder ganz gerade im Verhältnis zum Oberkiefer stand. Trotzdem konnten wir zu dem Zeitpunkt die Gusssschiene noch nicht ausbauen, da ansonsten die Gefahr bestanden hätte, dass der Zahn wieder in seine Ausgangsposition zurückwandert. Um hierbei auf Nummer sicher zu gehen beließen wir die Gussschiene noch weitere 4 Monate in Finjas Kiefer. Da sie überhaupt keine Beeinträchtigung zeigte und ihre weitere Ausbildung zum Jagdhund ungestört verlief, konnten wir uns gut Zeit mit der Entfernung lassen.
Nach insgesamt 7 Monaten Tragedauer entfernten wir die Aufbeißschiene aus Finjas Kiefer. Der rechte Eckzahn stand jetzt wie gewünscht zur Seite geneigt und seine Spitze legte sich außen an der Oberkieferschleimhaut an (Bild 6). Die Einbissstelle im Gaumen war schon lange verheilt. Durch die korrekte Verzahnung des gesamten Gebisses, verlief der Unterkiefer wieder korrekt und parallel zum Oberkiefer.
Fazit
Eine kieferorthopädische Korrektur bei Hunden ist prinzipiell in jedem Alter möglich. Auch bei uns Menschen sieht man ja immer öfter Erwachsene mit Brackets und Spangen, bei denen eine kieferorthopädische Behandlung durchgeführt wird. Bei der Wahl der Korrektur ist - wie im vorliegenden Beispiel - die richtige Therapieform zu wählen, wobei die längere Behandlungszeit berücksichtigt werden muss.