Mischlingsrüde Jinxie: der erste Tierarztbesuch in der neuen Heimat

In meiner Tierärztlichen Sprechstunde lerne ich „Jinxie“ kennen. Bisher weiß ich nur, dass der Rüde ursprünglich aus Mexiko kommt. Da bin ich gleich noch ein wenig gespannter, den Hund kennenzulernen, da das auch für mich als Tierärztin nicht alltäglich ist.

Zuerst geht's erst einmal auf die Wage

Zuerst wird „Jinxie“ gewogen - das machen wir bei den Tieren bei jedem Besuch. Natürlich zum einen, um das Gewicht und eventuelle Veränderungen im Blick zu haben, aber auch, damit die Tiere stets einen möglichst gleichen Ablauf beim Tierarztbesuch haben. So erhalten die Tiere eine Sicherheit, der Stress lässt nach, Tiere und Besitzer fühlen sich gut - und die Arbeit für mich und mein Team erleichtert sich. Gerade bei ängstlicheren Tieren empfehlen wir, wenn man mal in der Nähe der Praxis ist, kurz hereinzukommen, um das Tier zu wiegen und danach wieder zu gehen. Gerne bekommen die Tiere auch ein Leckerchen dafür. Je mehr positive Erlebnisse die Tiere in der Praxis haben, um so besser. Außerdem lernen wir die Tiere im „Normalzustand“ kennen und können gemeinsam mit dem Besitzer mögliche Veränderungen im Gesundheitszustand besser erkennen und einordnen.

Zurück zu „Jinxie“

Im Behandlungsraum angekommen, stelle ich fest, dass er noch sehr zurückhaltend und gestresst ist und beachte ihn scheinbar erstmal nicht weiter. Das gibt ihm die Möglichkeit, sich mit dem Raum anzufreunden. In der Zwischenzeit lasse ich mir von seinem Besitzer erzählen, wie er von Mexiko nach Deutschland gekommen ist, dabei beobachte ich „Jinxie“ immer aus dem Augenwinkel. Er hat leider schon eine längere Tierarzt-Geschichte in Mexiko hinter sich. Daher sind schon eine Nierenerkrankung und auch eine Anämie bekannt. Die Blutbefunde liegen sogar vor, was sehr hilfreich ist, denn so können wir bei späteren Kontrollen die Werte leichter vergleichen und so positive und negative Veränderungen schneller erkennen können.

Check-up

Danach muss der Patient auf den Behandlungstisch - es erfolgt ein erster kurzer Check-Up. Neben der Überprüfung des Mikrochips geht es erstmal darum, sich einen ersten Überblick über das Tier zu verschaffen. Zunächst schaue ich mir ihr Fell an. Ist es schuppig oder glänzt das Fell? Ich frage nach dem Trink- und Fressverhalten sowie den Ausscheidungen. Wie oft uriniert er, ist der Kot immer fest und von gleicher Menge und Farbe? Bei der weiteren Untersuchung wird auf die Zähne, Augen und Ohren und etwaige Entzündungen geachtet. Des Weiteren werden Herz und Lunge auskultiert und der Bauchraum einmal durchgetastet. Oft handelt es sich bei Tieren aus dem Ausland um ältere Tiere, sodass es gerade bei den Zähnen oder dem Herzen schon mal Auffälligkeiten geben kann. Auch die Körpertemperatur wird gemessen. Es empfiehlt sich, dies auch zu Hause immer mal wieder zu "üben", damit die Tiere solche Handgriffe auch schon kennen und bei der Untersuchung als weniger schlimm empfinden.

Wenn der Hund gut auf die Therapie anspricht, kann er im günstigsten Falle ein relativ normales Leben mit einer annähernd normalen Lebenserwartung führen."

Dr. Claudia Ulrich, Tierärztin in Köln

Reise- und Mittelmeerkrankheiten

Aufgrund „Jinxies“ Vorgeschichte nehmen wir noch Blut ab, um zu sehen, wie sich die Nierenerkrankung und seine Anämie weiter entwickelt haben. Vorsichtshalber nehmen wir etwas mehr Blut ab, um gegebenenfalls noch auf sogenannte Reise- oder Mittelmeerkrankheiten zu testen, die die Ursache für gesundheitliche Probleme sein könnten. Reise-, bzw. Mittelmeerkrankheiten kommen, anders als es der Name vermuten lässt, mittlerweile auch in Deutschland vor. Aber Tiere, die im Ausland geboren wurden, haben je nach Land ein deutlich erhöhtes Risiko daran zu erkranken. Daher sollte jedes Tier, welches importiert wurde, nach sechs Monaten auf die Krankheiten getestet werden, da auch wir Menschen daran erkranken können. Außerdem sollte eine regelmäßige Floh- und Zeckenprohylaxe erfolgen, damit die Tiere, sollten sie noch nicht daran erkrankt sein, nicht angesteckt werden. Danach überprüfe ich noch „Jinxies“ Impfausweis, um dem Besitzer sagen zu können, wann die nächsten Impfungen fällig sind.

Blutergebnisse und weiteres Vorgehen

Zwei Tage später erhalten wir vom Fachlabor „Jinxies“ Blutergebnisse. Die Anämie und die Nierenschwäche sind noch vorhanden, aber die Werte sind im Vergleich zu den Untersuchungen in Mexiko besser geworden. Eine weitere Untersuchung ergibt, dass die vermutliche Ursache dafür in einer Doppel-Erkrankung mit Ehrlichiose und Babesiose liegt. Beides sind Erkrankungen, welche die roten Blutkörperchen der Patientin angreifen und leider als chronisch anzusehen sind. Ehrlichiose ist eine durch Bakterien verursachte Infektionskrankheit der Hunde, die direkt nach einem Zeckenbiss übertragen wird. Die Babesien zerstören die roten Blutkörperchen. Das heißt, dass eine 100%ige Heilung ist nicht zu erwarten ist. „Jinxies“ Besitzer war schon vorher über ihre Erkrankungen (Niere, Anämie) informiert und hat sich trotzdem für ihn entschieden.

Das bedeutet, dass uns der Hund in nächster Zeit leider öfter besuchen muss. Aktuell muss er ab sofort eine spezielle Nierendiät fressen und bekommt spezielle homöopathische Präparate, welche die Filterleistung der Niere unterstützen sollen. Das sollte sie jetzt zeitlebens bekommen. Zusätzlich muss er jetzt mindestens vier Wochen ein Antibiotikum gegen Ehrlichiose einnehmen und bekommt eine Woche nach Beginn dieser Therapie zwei Injektionen im Abstand von einer Woche gegen Babesiose. Vier Wochen nach der letzten Tabletteneingabe muss noch einmal Blut abgenommen werden, um zu sehen, ob sich die Antikörper-Spiegel gegen Ehrlichiose und Babesiose verbessert haben. Je nach Ergebnis entscheidet sich, ob eine erneute Therapie notwendig ist. Im späteren Verfall sollten die Nieren- und Blutwerte zunächst alle drei Monate kontrolliert werden. Wenn die Werte stabil werden und bleiben, kann der Abstand auf alle sechs Monate erhöht werden. Die Antikörper-Spiegel sollten mindestens einmal im Jahr kontrolliert werden.

Ausblick

Wenn der Hund gut auf die Therapie anspricht, kann er im günstigsten Falle ein relativ normales Leben mit einer annähernd normalen Lebenserwartung führen. Aber es kann immer zu einem akuten Schub der Ehrlichiose und/oder Babesiose kommen, welche im schlimmsten Fall auch tödlich verlaufen kann. Genauso hat er ein erhöhtes Risiko für ein Nierenversagen, welches ebenfalls einen tödlichen Verlauf nehmen kann. Um andere Tiere nicht mit Ehrlichiose und Babesiose anzustecken, muss er regelmäßig Antiparasitika gegen Flöhe und Zecken nehmen.