Forschung für den Artenschutz – wie kann der Pardelluchs vor dem Aussterben gerettet werden?
Der Pardelluchs galt vor 20 Jahren als die bedrohteste Katzenart weltweit. Das gemeinsame Herangehen von Artenschützern vor Ort und im neu etablierten Erhaltungszuchtprogramm sowie von Wissenschaftlern konnte ihn vor dem Aussterben zu bewahren. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung konnte sich mit seiner ausgewiesenen Expertise in Reproduktionsbiologie erfolgreich in dieses Programm einbringen.
Der Begriff „Luchs“ erweckt sofort ein klares Bild: geflecktes Fell, spitze Pinselohren, adretter Backenbart und kurzer Stummelschwanz. Die Gattung Luchs gehört zur Familie der Katzen und umfasst vier Arten, von denen alle auf der Nordhalbkugel vorkommen. In Europa gibt es zwei Luchsarten: den Eurasischen Luchs, der gerade wieder nach Deutschland zurückkehrt, und den Pardelluchs, der ursprünglich auf der Iberischen Halbinsel von Spanien bis Portugal weitläufig verbreitet war. Im Laufe der Evolution hat der Pardelluchs sich spezialisiert und an seinen Lebensraum perfekt angepasst. Er ernährt sich fast ausschließlich von Wildkaninchen und benötigt als Lebensraum mediterranen Buschwald. Intensive Landwirtschaft und massiver Ausbau der Verkehrswege ließen jedoch den natürlichen Lebensraum der Pardelluchse kontinuierlich schrumpfen. Letztendlich bedrohlich für das Überleben der Art war jedoch die Ausbreitung von Kaninchenseuchen auf der Iberischen Halbinsel in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Der Nahrungsspezialist Pardelluchs verlor seine Lebensgrundlage. So wurden um die Jahrtausendwende weniger als 200 Tiere im Südwesten Spaniens gezählt. Er erlangte die traurige Berühmtheit als die am stärksten vom Aussterben bedrohte Katzenart weltweit. Sollte es nicht gelingen den Pardelluchs vor dem Aussterben zu bewahren, würde er die erste Katzenart sein, die nach dem Säbelzahntiger von unserem Planeten verschwindet.
Ex-situ-Zuchtprogramm
Um den Prozess aufzuhalten, wurden die internationalen Bemühungen im Rahmen des EU-Life Programmes zur Rekonstruktion der Habitate und der Wiederansiedlung von Wildkaninchen durch ein wissenschaftliches Erhaltungszuchtprogramm ergänzt. Dieses Ex-situ-Zuchtprogramm sollte durch eine Vermehrung in Gefangenschaft den Bestand sichern, sowie Tiere für eine Wiederauswilderung bereitstellen. Das Zuchtprogramm hat 2004 mit 6 Wildfängen begonnen. Mittlerweile gibt fünf Zuchtzentren in Spanien und Portugal, bis jetzt sind fast 400 Tiere im Zuchtprogramm geboren und fast 300 Luchse ausgewildert worden (pers. Mitteilung Zuchtprogramm). Der freilebende Bestand an Pardelluchsen ist auf nunmehr fast 1000 Tiere angestiegen.
Für den Pardelluchs ist klar, dass nur ein gemeinsames Herangehen von Artenschützern vor Ort, in den Zuchtprogrammen und auch von Wissenschaftlern von Forschungseinrichtungen letztendlich dazu beiträgt, ihn vor dem Aussterben zu bewahren."
Die „Ex-situ“-Zucht ermöglichte auch notwendige Untersuchungen zur Reproduktionsbiologie von Pardelluchsen und die Erprobung von Techniken der assistierten Reproduktion (ART). Natürlich können keine Grundlagenuntersuchungen zur ART bei Individuen einer bedrohten Tierart durchgeführt werden, aber der Fortschritt bei der Hauskatze bezüglich der Etablierung von ART war sehr hilfreich, obwohl auch die Besonderheiten der Luchse berücksichtigt werden mussten.
Zum Beispiel wurden bei jeder veterinärmedizinischen Untersuchung die Tiere mit Ultraschall von den Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung untersucht und von den adulten männlichen Tieren regelmäßig Spermaproben eingefroren. Es gelang auch, Embryonen nach einer Verpaarung zu gewinnen und zu einzufrieren. Eine künstliche Besamung war jedoch bisher nicht erfolgreich, was vor allem dem ungewöhnlichen Sexualzyklus der Luchse geschuldet ist. Festgestellt haben wir die Besonderheit der Zyklussteuerung bei Luchsen durch regelmäßige Hormonuntersuchungen im Kot und Urin. Es sollte so die Fortpflanzungsfähigkeit beurteilt und eine mögliche Trächtigkeit erkannt werden. Aber Luchse bilden ganzjährig persistierende Gelbkörper aus, die permanent das Schwangerschaftshormon Progesteron produzieren. Deshalb deutet ein erhöhter Progesteronwert im Gegensatz zur Hauskatze (und anderen Säugetieren) nicht auf eine Trächtigkeit. Derzeit untersuchen wir das Phänomen der persistierenden Gelbkörper genauer. Erfolgreich waren wir schon bei der Suche nach einem geeigneten Hormon für die (nicht-invasive) Trächtigkeitsdiagnose. Im letzten Drittel der Trächtigkeit steigt das Niveau des Prostaglandin-F2-alpha Metaboliten PGFM im Blut, Urin und Kot deutlich an. Ein Trächtigkeitsnachweis mittels PGFM gelingt übrigens nicht nur bei Luchsen, sondern funktioniert auch bei der Hauskatze und anderen Feliden, wie Tiger und Löwen.
Für den Pardelluchs ist klar, dass nur ein gemeinsames Herangehen von Artenschützern vor Ort, in den Zuchtprogrammen und auch von Wissenschaftlern von Forschungseinrichtungen letztendlich dazu beiträgt, ihn vor dem Aussterben zu bewahren. Die Aktivitäten des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung konnten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Pardelluchse und damit insbesondere auch zum Erhalt der lokalen biologischen Vielfalt auf der Iberischen Halbinsel leisten. Erfreulich ist, dass sich derzeit der Luchsbestand langsam erholt. Im Jahr 2015 wurde die Katzenart von der IUCN zumindest von „vom Aussterben bedroht“ auf „stark gefährdet“ abgestuft.