Worauf muss der Tierarzt beim Diensthund achten?

Das Erkrankungsrisiko von Diensthunden ergibt sich aus deren rassespezifischen Dispositionen und den Einsatzgebieten. Die Auswertung von 560 Behandlungen an der Kleintierklinik der Georg-August-Universität Göttingen von Diensthunden durch Prof. Stephan Neumann ergab überwiegend orthopädische Krankheiten, gefolgt von Hautverletzungen. Die orthopädischen Erkrankungen waren in ihrer Art vergleichbar mit Erkrankungen, wie sie auch bei sportlichen Aktivitäten, z.B. Agility beobachtet werden. Beispielhaft werden Dispositionen und Traumata der unterschiedlichen orthopädischen Regionen vorgestellt.

OCD - degenerative Störung der Knorpelbildung

Typisch im Bereich der Schulter – insbesondere bei größeren Hunderassen - ist die OCD (Osteochondrosis dissecans) als eine Störung der Knorpelentwicklung. Die OCD ist eine degenerative Störung der Knorpelbildung und der Verknöcherung des Knorpels, der sogenannten enchondralen Ossifikation, in den Gelenken von Hunden. Der Gelenkknorpel wächst aus unterschiedlichen Gründen bis zu einer Stärke heran, dass der Knorpel nicht mehr mit Nährstoffen versorgt werden kann. Die Versorgung des Gelenkknorpels mit Nährstoffen findet über die Gelenkflüssigkeit (Synovia) statt. Die Nährstoffe werden über Diffusion im Knorpel verteilt. Erreicht der Knorpel eine bestimmte Dicke, funktioniert dieser Mechanismus nur noch unzureichend oder überhaupt nicht mehr. Die Knorpelzellen sterben ab. Durch starke mechanische Einwirkungen können sie sich vom Knochen lösen. Gleichzeitig ist die Verknöcherung des Knorpels gestört, das Längenwachstum des Knochens ist verzögert, er ist „zu kurz“. Lösen sich vom Knorpel noch Fragmente ab, bezeichnet man diesen Zustand als OCD. Die Fragmente können teilweise mit dem Knorpel verbunden bleiben oder können auch frei beweglich im Gelenk sein. Die Fragmente werden als Dissekat bezeichnet. Das Phänomen kennt man in der Alltagssprache auch unter der Bezeichnung "Gelenkmaus". Die Dissekate können im Gelenk mineralisieren und auch verknöchern. Gleichzeitig führt der Kontakt der Synovia mit dem Knochen zu einer Entzündung, diese greift den Knochen an, welcher an der Ablösestelle des Dissekats bloßliegt. Das Dissekat und die Entzündung schränken die Beweglichkeit des Gelenks ein und führen zu Schmerzen bei der Bewegung. Die OCD kommt vor allem in den Schultergelenken, den Ellenbogen und den Knie- und Sprunggelenken vor. Mit Abstand am häufigsten, ca. 74 %, tritt sie im Schultergelenk auf. Meist sind die Gelenkköpfe betroffen, welche in den Gelenkpfannen liegen. Die Krankheit tritt durchschnittlich im Alter von 4-7 Monaten auf. Die Diagnose erfolgt meist erst später, im 6.-8. Lebensmonat.

Häufige traumatische Erkrankungen im Bereich der Schulter ist die Zerrung der Bizepssehne. Dieser zweiköpfige Muskel beugt den Ellenbogen und streckt die Schulter - außerdem hat er eine stabilisierende Funktion. Sein langer Kopf entspringt mit einer Sehne am Schulterblattrand, diese Sehne ist von einer Sehnenscheide umgeben und liegt unter der Sehne des M.supraspinatus.

Sehr häufig tritt beim Diensthund die Kontraktur des M. infraspinatus auf. Diese Krankheit wird ausgelöst durch ein akutes Trauma, das zu einem tiefen Muskelfaserriss des Musculus infraspinatus führt. Diese Verletzung führt in einem Zeitraum von ein bis drei Monaten zu einer Fibrosierung (Vernarbung) des Muskels, wodurch dieser sich verkürzt. Durch diese Verkürzung entstehen die klassischen Symptome einer ausladenden Vorführbewegung in Kreisform und einer andauernden Lahmheit.

Die Ellbogendysplasie (ED) ist die wesentliche Disposition der größeren Hunderassen im Ellbogengelenk und ist dementsprechend auch bei Diensthunden zu sehen. Die Ellbogendysplasie beschreibt einen angeborenen Erkrankungskomplex meist größerer Hunderassen. Resultat ist stets eine Arthrose im Ellbogengelenk. Das Ellbogengelenk setzt sich aus Oberarmknochen (Humerus), Elle (Ulna) und Speiche (Radius) zusammen. Dabei bilden Elle und Speiche gemeinsam die Kontaktfläche zum Gelenkknorpel des Oberarmknochens. Elle und Speiche sind zudem durch eine Bindegewebsplatte flexibel aber gleichzeitig fest mit einander verbunden.

Im Bereich der Hintergliedmaße gelten die Hüftgelenkdysplasie (HD) als Disposition und der Kreuzbandriss als traumatische Erkrankung der Diensthunderassen. Eine Hüftgelenkdysplasie (Dysplasie = Fehlbildung) ist eine angeborene Formstörung des Hüftgelenks. Genau genommen handelt es sich um eine angeborene Reifungsstörung der Hüftpfanne. Möglich ist, dass der Hüftgelenkkopf oder die Hüftgelenkspfanne nicht passend ausgeformt sind und damit der Gelenkkopf keinen stabilen Halt in der Gelenkpfanne findet. Dies kann zu einer Hüftluxation führen. Weiterhin führt die permanente Fehlbelastung des Gelenks zu einem erhöhten Abrieb des Knorpels und somit häufig zu einer Arthrose.

Den vorgestellten Krankheiten ist gemeinsam, dass sie zu irreversiblen Gelenksveränderungen im Sinne einer Osteoarthrose führen können. Die Komplexität dieser Krankheit ergibt sich aus entzündlichen und degenerativen Mechanismen, die im arthrotischen Gelenk gleichermaßen vorkommen. Der komplexe Krankheitsmechanismus impliziert komplexe Behandlungsformen. Hier kommen je nach Diagnose chirurgische Interventionen, Physiotherapie oder auch Akupunktur gegebenenfalls unterstützt von schmerzstillenden und/oder entzündungshemmenden Arzneimittel zum Einsatz. Biologische Tierarzneimittel wie "Traumeel" oder "Zeel ad us. vet." werden hier ebenfalls eingesetzt. Während "Traumeel" in erster Linie die entzündlichen Prozesse beeinflusst, liegt das Einsatzgebiet von "Zeel" eher im Bereich der degenerativen Geschehen und hilft dem Knorpel, sich zu regenerieren. Auch Hautverletzungen, und damit die Unterstützung der Wundheilung, können ein Einsatzgebiet entzündungshemmender Arzneimittel wie "Traumeel" sein.

Wie bei sportlicher Aktivität so gilt auch für Diensthunde, dass eine gute Vorbereitung auf einen Einsatz durch Training und warm-up sowie eine gute Nachversorgung durch cool-down helfen, traumatische Erkrankungen zu verhindern.

Dieser Vortrag wurde am 7. Juni 2018 im Rahmen der Verleihung des Tierschutzpreises HelpingVets der Firma Biologische Heilmittel HEEL gehalten.