Westi-Dame Sissi : "Eine Haut wie ein rosa Elefant"
Als die zweieinhalbjährige Westi-Dame Sissi erstmals zu mir in die Praxis kommt, traue ich kaum meinen Augen. Da steht doch ein fast nackter, rosaroter, stinkender und sich juckender Hund auf meinem Behandlungstisch. Nur noch am Kopf hat sie schöne weiße Haare. Sissi ist nicht etwa frisch geschoren, nein, sie hat schon seit ihrer Welpenzeit Hautprobleme. Der Bisitzer kommt auf Empfehlung und möchte jetzt eine naturheilkundliche Behandlung für seinen Hund.
Mitarbeit des Halters und viel Zeit
Schön wäre es natürlich schon, wenn man in einem solchen Fall einfach ein paar Naturheilmittelchen geben könnte und dann kommt alles in Ordnung. So einfach ist das leider nicht. Da braucht es viel Mitarbeit der Halter und auch viel Zeit. Das mache ich Sissis Herrchen zuerst einmal klar. Er versichert mir, dass er schon so viel probiert hätte und nichts wirklich dauerhaft geholfen hat. Er ist inzwischen so verzweifelt, dass ihm alles recht ist. Sissi wird von mir untersucht, ich nehme eine Blutprobe und Tupferproben von der Haut für Laboruntersuchungen. Mein Ansatz ist es, die so genannte Schulmedizin mit der Regulationsmedizin (= alle Diagnose- und Therapieverfahren außerhalb der so genannten Schulmedizin) zu verbinden für eine optimale Behandlung meiner Patienten. Und dazu gehören bei Sissi natürlich auch die üblichen Laboruntersuchungen.
Ein neuer Termin wird vereinbart und der Besitzer bekommt Hausaufgaben. Ich bitte ihn mir aufzuschreiben, wann und wie alles mit Sissis Hautproblemen angefangen, wie sich die ganze Sache entwickelt hat und welche Untersuchungen und Behandlungen bei Sissi bereits durchgeführt wurden. Zusätzlich erhält er ein antibakterielles Shampoo zum Baden. Ich schärfe ihm ein, dass das Shampoo mindestens 15 Minuten einwirken muss, bevor er es wieder abspült.
Eine Woche später hat sich Sissis Zustand zumindest insofern gebessert, dass sie weniger stinkt, das Jucken und Kratzen ist unverändert. Die Laborergebnisse haben ergeben, dass auf der Haut ein Massenbefall mit Bakterien vorliegt, die Blutwerte sind nur wenig verändert, eine Unterklasse der weißen Blutkörperchen, die eosinophilen Granulozyten, sind erhöht. Das kann auf eine Allergie hinweisen.
Zusammen mit dem Besitzer gehe ich die lange Krankengeschichte von Sissi durch, stelle noch viele ergänzende Fragen. Gerade bei lange vorbehandelten Tieren und auch für eine naturheilkundliche Therapie ist es außerordentlich wichtig, möglichst viele Informationen über den Patienten zu haben.
In Sissis Fall haben die Beschwerden so etwa im 4. Lebensmonat mit Jucken begonnen und sind nach und nach immer schlimmer geworden. Sie ist wegen Verdachts auf Parasiten und wegen Hautentzündung schon mehrfach mit Antiparasitika, Antibiotika und Antipilzmitteln behandelt worden. Anfangs wurde es auch immer mal zeitweise besser mit dem Jucken, aber selbst durch eine Cortisontherapie war der Juckreiz nie ganz weg.
Das lässt mich aufhorchen. Wenn selbst durch eine Cortisontherapie der Juckreiz nicht ganz weg ist, sind meiner Erfahrung nach häufig Futtermittelallergien oder –unverträglichkeiten das zugrunde liegende Problem. Also lasse ich mir aufzählen, was Sissi alles zu fressen bekommt: Handelsübliches Trockenfutter, ab und zu auch mal Dosenfutter und besonders liebt sie es, wenn sie von Herrchens Mahlzeiten etwas abbekommt.
Verdachtsdiagnose: Futtermittelallergie/-unverträglichkeit
Als Eliminationsdiät bekommt Sissi von nun an selbst gekoche Gerichte: gedünsteten Fisch mit gekochten Kartoffeln, etwas Rapsöl und ein Mineralstoff-Vitamin-Spurenelement-Präparat für Allergiker. Dass Sissi von nun an für mindestens 3 Monate weder ihr bisheriges Trocken- oder Dosenfutter, noch von Herrchens Mahlzeiten etwas bekommen darf, das muss ihr Herrchen mir hoch und heilig versprechen. Als einzige Belohnung gestehe ich ihr ein paar kleine Stückchen getrockneten Fisch täglich zu.
Wegen der Hautbakterien bekommt sie mehrere Wochen ein Antibiotikum, denn damit wird sie einfach nicht mehr alleine fertig, das macht ihr schwer zu schaffen. Parallel dazu verordne ich homöopathische Komplexmittel zur Stoffwechselunterstützung und um den Juckreiz zu bessern. Gebadet wird sie weiterhin zweimal pro Woche - einmal mit einem antibakteriellen, einmal mit einem Juckreiz stillenden Shampoo im Wechsel.
Vier Wochen nach Therapiebeginn ist die Haut nur noch leicht rosarot, und überall kommen Haare nach. Der Juckreiz hat nachgelassen. Zum Glück frisst Sissi ihre Diät mit Begeisterung, so dass es Herrchen nicht allzu schwer fällt, sich daran zu halten. Sie bekommt weiterhin homöopathische Komplexmittel – jetzt mit Schwerpunkt Darmunterstützung und Juckreizkontrolle. Gebadet wird sie nun einmal pro Woche.
Zwei Monate nach Therapiebeginn sehe ich Sissi wieder – die Haut an Hals und Bauch ist wieder gerötet und sie hat seit ein paar Tagen schlimmen Juckreiz. Was war geschehen? Sissi hatte Geburtstag, und weil die Behandlung ja schon so gute Fortschritte gemacht hatte, spendierte Herrchen eine Bockwurst. Das war wohl keine so gute Idee.
Mit einer speziellen Form der Eigenbluttherapie, bei der Blut mit homöopathischen Komplexmittel gemischt und dann subcutan injiziert wird, lässt der Juckreiz innerhalb weniger Tage wieder nach, die Haut kann sich beruhigen. Sissi wird auch weiterhin ein Mal pro Woche gebadet, bekommt weiter speziell für sie zusammengestellte homöopathische Komplexmittel und ihre Fischdiät.
Eine Herausforderung ist es, eine „Brücke“ zwischen Schul- und Regulationsmedizin zu schaffen. Wie beides zusammen von Spezialisten eingesetzt unseren vierbeinigen Patienten dauerhaft zu helfen vermag, das erlebe ich jeden Tag.
Sechs Monate nach Behandlungsbeginn ist sie wieder fast voll behaart, juckt nur ganz wenig und ist total gerne draußen unterwegs. Nur einige dunkle, haarlose Stellen an den Innenschenkeln, an Hals und Bauch erinnern noch an die schlimme Zeit, als sie fast nackt war. Inzwischen bekommt sie ab und zu ein Trockenfutter, das Fisch als einzige Eiweißquelle enthält. Aber am liebsten mag sie Selbstgekochtes: Fisch, Kartoffeln, Öl und Vitamin-Mineralstoff-Spurenelementmischung. Gebadet wird sie nur noch alle zwei bis drei Wochen, nämlich dann, wenn sich das Fell wieder etwas talgig anfühlt.
In unregelmäßigen Abständen kommt es vor, dass Sissi mal einige Tage wieder mehr kratzt. Dann bekommt sie ein speziell für sie zusammengestelltes homöopathisches Komplexmittel gegen Juckreiz. Damit ist das Jucken dann auch nach wenigen Tagen wieder weg. Alle zwei bis drei Monate bekommt sie nochmals die schon erwähnte spezielle Eigenbluttherapie. Fast ein Jahr dauert es, bis Sissis Zustand ohne Medikamentengaben dauerhaft stabil ist. Die Haare wachsen inzwischen so gut und sind wieder so dicht, dass sie bereits zwei Mal beim Hundefrisör war.
Inzwischen sind seit Sissis erstem Besuch bei mir in der Praxis mehrere Jahre vergangen. Ihr Herrchen hält sich seit langer Zeit ganz strikt an die Fischdiät. Mehrmals hatte er es noch mit der heiß geliebten Bockwurst versucht und jedes Mal war heftiger Juckreiz die Folge. Regelmäßig zwei Mal im Jahr bekommt sie eine Kur mit speziell für sie zusammengestellten homöopathischen Mitteln, um ihr Immunsystem stabil zu halten und den Stoffwechsel zu entlasten – und zwar immer dann, wenn ihr Fell wieder strohiger wird und sie trotz Baden anfängt unangenehm zu riechen.
Sissis Fall zeigt ganz deutlich, dass es sowohl für „konventionelle“ als auch für „alternative“ Therapieverfahren Grenzen gibt. Optimal ist beides in Kombination einsetzen zu können – jedes zu seiner Zeit. Also nicht „entweder – oder“, sondern „sowohl – als auch“! Dafür braucht es eine gute Ausbildung der Therapeuten und zusätzlich die Mitarbeit der Tierhalter. Besser wäre es natürlich, dass es erst gar nicht so weit kommt wie bei Sissi – mit ihrer anfangs rosa juckenden Elefantenhaut tat sie mir so leid…