Toni Polster Fußballgott!

Portrait Andreas Moll
von Andreas Moll – 13.03.2020

Mittwoch, 11. März 2020, 18:30 Uhr. Toni Polster hat es sich zu Hause gemütlich gemacht, "erholt" sich vom Geburtstagsfest, das er am Vorabend im Kreise seiner Lieben gefeiert hat und freut sich auf ein für ihn ganz besonderes Bundesligaspiel. Die "Fohlenelf" aus Mönchengladbach erwartet die "Geißböcke" vom 1. Fußballclub Köln, ohne dass Zuschauer dem sportlichen Vergleich zugelassen sind. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte wegen des Corona-Virus veranlasst, alle Großveranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern im größten Bundesland nicht mehr stattfinden zu lassen. Während Polster sein SKY-Abo aktiviert und das Match am Fernseher verfolgt, schaltet der Verfasser dieses Beitrages das "FC-RADIO" ein und lässt sich die Geisterpartie von Radioreporter Guido Ostrowski schildern.

18:32 Uhr. 2. Spielminute. Gleich die erste Torchance durch Florian Kainz, der jedoch leicht verzieht. Acht Minuten später bringt Jakobs den Ball flach in den Sechzehner der Fohlen. Torjäger Jhon Cordoba kommt herangerauscht und bugsiert das Leder im Rutschen aufs Tor. Fohlenkeeper Sommer pariert. In der 32. Spielminute gehen die Gladbacher d urch einen abgefälschten Schuss durch Breel Donald Embolo mit 1:0 in Führung. Einige wenige Menschen jubeln ob der unerwarteten Führung. "Jetzt bloß nicht einschüchtern lassen", sagt Moderator Guido Ostrowski.

Toni "Doppelpack" Polster

Einer, der sowohl bei den Fohlen und den Geißböcken sportlich aktiv war, ist der Österreicher Anton "Toni" Polster. Überall, wo der hochgewachsene Stürmer unter Vertrag stand, schoss er Tore - sehr, sehr viele Tore. Bei Austria Wien war er dreimal Torschützenkönig der heimischen Liga - in der Nationalelf Österreichs traf er in 95 Länderspielen satte 44 Mal ins gegnerische Netz. 1986 war er mit 33 Toren drittbester Schütze in Europa und konnte ein Jahr später mit 39 Treffern den Goldenen Schuh der UEFA gewinnen. In Spanien wurde er zu einem der torgefährlichsten Spieler der Liga und bildete zusammen mit Bruno Labbadia beim 1. FC Köln das erfolgreichste Sturmduo der Liga. Polster machte die Kölner fünf Jahre lang glücklich, traf in vielen Spielen doppelt, so dass ihn Presse und Fans mit dem Spitznamen "Toni Doppelpack" adelten. Seine letzte Bundesligastation bezog der Wiener in Mönchengladbach, wo Polster sowohl in der 1. und 2. Liga kickte und später dann in der Marketingabteilung des Vereins erfolgreich mitwirkte.

19:14 Uhr. 44. Spielminute. Der FC hat sich vom Rückstand erholen können. Kurz vor der Halbzeit schafft es Mark Uth nicht, die Flanke im gegnerischen Tor zu versenken. "In der 2. Halbzeit darf sich der FC auf keinen Fall verstecken", meint Moderator Guido Ostrowski, "da ist für die Kölner noch alles drin!"

Ich liebe mein Leben mit Toni, denn ich kann ihn um jede meiner Pfoten wickeln."

Palma

Havaneser-Dame, fünfeinhalb Jahre

Orkantief Sabine

Kurz bevor "Orkantief Sabine" halb Europa durcheinander wehen sollte, freuten sich die Menschen in Österreich über ein sonniges Februarwochenende. "Skifoan" heißt die Devise in der Alpenrepublik - fast alle Österreicher sind unterwegs in die Skiregionen des Landes. Fast alle! Toni Polster jedoch bereitet sich gedanklich in seinem Domizil in Reisenberg, einem kleinen Städtchen in Niederösterreich, auf das Vorbereitungsspiel der 1. Mannschaft des Oberligisten SC Wiener Viktoria vor, die der ehemalige Torjäger als Trainer seit 2014 betreut. In der letzten Saison konnte sogar der Titel in der Wiener Stadtliga errungen werden. Toni Polster ist stolz auf diesen Erfolg, glaubt jedoch, dass es "wegen der Infrastruktur des Vereins" nicht weiter nach oben gehen wird. "Doch wie wir wissen, ist im Fußball nichts unmöglich", erklärt Poster mit einem Lachen und mit unfassbar herrlich breitem Wiener Schmäh.

19:33 Uhr. 46. Spielminute. Schiedsrichter Deniz Aytekin pfeift zur 2. Halbzeit im Spiel der Borussen gegen den FC aus Köln an. In der Druckphase der Gladbacher ist Torwart Horn der Turm in der Schlacht und entschärft eine gute Chance des Gladbachers Christoph Kramer. "Dem FC fehlt im Moment die Ruhe am Ball", weiß Moderator Ostrowski.

Soziales Engagement

Stolz ist der 56-Jährige jedoch nicht nur über die sportlichen Erfolge, sondern auch auf das soziale Engagement seines Vereines. „In den Wintermonaten stellen wir bedürftigen Menschen für die Nacht vier Kabinen in unserem Sportheim zur Verfügung“, erklärt Polster. „20 Menschen haben somit die Möglichkeit, sich zu duschen und ein Bett in der kalten Jahreszeit zu beziehen.“ Außerdem bietet die Viktoria Menschen, die eine Haftstrafe eines weniger schwerwiegenden Deliktes verbüßen und wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden, ehrenamtliche Tätigkeiten an. Darüber hinaus versucht der Verein mit seinen Jugendlichen nicht nur in der Ausbildung zum Fußballer zu arbeiten, sondern auch Hilfe bei Probleme mit Schule, Eltern oder im Beruf anzubieten.

19:51 Uhr. 62 Minuten gespielt. Triste Stimmung auf den Rängen und mieses Wetter, doch scheint sich der FC gefangen zu haben. Der Kölner Kainz hat die Schusschance nach einem Konter, doch im Abschluss scheitert der Neuzugang kläglich. "Der FC muss sehen, dass er Cordoba besser einbindet", erklärt der Moderator, "der Torjäger ist in der 2. Halbzeit total abgemeldet."

Kaffee in der guten Stube und Fotoshooting im Garten am See ...

Nach der Tasse Kaffee in der guten Stube der Familie Polster präsentieren Toni und sein Hund, die Havaneser-Hündin "Palma", den Garten, der einen eigenen Zugang zum See besitzt. Hier an diesem idyllischen Ort fühlen sich seine Frau Birgit und die Fußball-Legende wohl, "vor allen auch, weil unsere Kinder ganz in der Nähe leben." Einerseits die Ruhe auf dem Land und die Nähe zu Wien sind perfekt für uns", erklärt Polster, der in 28 Minuten seinen Arbeitsplatz erreicht.

19:59 Uhr. 70. Spielminute. Nach Hereingabe ist der kölsche Spanier Jorge Mére der Unglücksrabe und fälscht den Ball ins eigene Netz zum 0:2 ab. "Weiter, weiter", fordert FC-Trainer Gisdol sein Team auf. "Wieder macht Gladbach aus dem Nichts ein weiteres Tor", fasst Moderator Guido Ostrowski die Situation zusammen.

Zur Entspannung eine Hunderunde

Es ist kalt, aber Palma muss eine Runde drehen, denn schließlich muss der Toni später zu seinem Team. "Palma ist ein neugieriger und freundlicher Hund, der jedem Menschen gefallen will", erklärt der Hundefreund. Obwohl Toni fast den ganzen Tag mit Palma zusammen ist, den Hund füttert und regelmäßig seine Hunderunden dreht, ist doch das Frauchen die Chefin. "Birgit ist auch diejenige, die dem Hund kleine Kunststücke beibringt".

20:08 Uhr. 79. Spielminute. Tor in den Winkel. Mark Uth trifft mit seinem starken linken Fuß zum 1:2, seinem insgesamt vierten Tor im FC-Trikot. "Jetzt ist der FC wieder dran", hofft Ostrowski, "es geht vielleicht doch noch was in diesem Geisterderby."

Ich mag die gelben Filzkugeln, vor allem, wenn Toni sie stundenlang durch den Garten schießt und ich sie ihm immer wieder zurückbringen kann.

Palma

Havaneser-Dame, fünfeinhalb Jahre

"Des muss a Fußballwalzer sein, der ist in jedem Land daheim..."

"Der verrückte Hund aus Österreich" hat wahrlich so schöne Tore geschossen, sowohl mit seiner linken Klebe, ab & zu mit seinem rechten Fuß und vor allem mit seinem Lockenkopf. Die Tore in Sevilla (1988-1991) werden zu einem Walzer abgespielt, zu seinen Kölner Toren hört man viereinhalb Minuten Mozarts "Kleine Nachtmusik". Wer sehen möchte, mit welchen Stars Toni im Laufe seiner Karriere die Trikots gewechselt hat, klickt in den Beitrag "Mein Trikottausch mit Diego Maradonna".

20:17 Uhr. 86. Spielminute. Konter der Kölner im Derby, der jedoch erfolglos bleibt. "Es war über weite, weite Strecken ein ausgeglichenes Spiel", sagt Ostrowski.

Polster auf der Bühne

Toni macht Spaß. Immer. Die rheinisch-österreichische Frohnatur machte nicht nur auf dem Rasen eine gute Figur, sondern auch auf den Bühnen der Medienwelt. Alle Kölner, die seinen Auftritt 1997 auf dem Kölner Ringfest mit den damals angesagten "Thekenschlampen" verpasst haben, dürften sich noch heute tierisch ärgern. In den Song muss man einfach reinhören, denn "Toni, lass es polstern" ließ das Herz der Fans hüpfen, sorgte jedoch beim FC-Vorstand für großen Unmut. Polster sollte abgemahnt und zu einer Geldstrafe verdonnert werden - doch konnte sich der Vorstand letztlich nicht durchsetzen. Wer sich vom Showtalent des Wieners ein Bild machen will, sollte sich den "Blind-Kick bei Stefan Raab" anschauen, zu dem selbst TV-Gott Raab sagte, er hätte selten "ein Spiel mit solcher Dynamik" erlebt. Polster "coachte" übrigens das Team der Niederlande.

20:11 Uhr. 80. Spielminute. Kopfballchance für Cordoba, doch der Kolumbianer ist zu weit in Rückenlage, so dass der Ball am Tor vorbeifliegt. Modeste kommt für Mére. "Doppelsturmspitze!" Konter der Kölner im 90. Derby, der jedoch erfolglos bleibt. "Es war über weite, weite Strecken ein ausgeglichenes Spiel", fasst Ostrowski zusammen.

"Gladbach gegen Köln" - Polsters Tipp fürs Derby

"Der verrückte Hund aus Österreich" will sich nicht so recht festlegen, als er einen Tipp zum 90. Rheinderby seiner beiden Mannschaften abgeben soll. Er habe ein gutes Verhältnis zu beiden Clubs - in beiden "habe er eine gute Zeit verbracht". Er ziert sich, sein Resultat zu nennen, verspricht aber, das Spiel am Fernseher zu verfolgen, schließlich lägen ihm der FC Köln und die Borussia "sehr am Herzen". Und dann endlich sagt er ein Unentschieden voraus: "1:1 wird das Spiel ausgehen", sagt Polster. "Obwohl, da wir ja Tore sehen wollen, lege ich mich auf ein 2:2 fest!"

20:19 Uhr. 90. Minute. Vier Minuten Nachspielzeit werden angezeigt. Torhüter Horn verlässt sein Tor und stürmt mit. Schusschance durch Mark Uth, doch die Riesenmöglichkeit wird durch den Gladbacher Keeper Sommer entschäft. Dann hat der Kölner Drechsler noch eine Torchance, die dieser nicht nutzen kann. "Für die Leistung braucht sich der FC nicht zu schämen. Das Team vom Markus Gisdol war ebenbürtig geht aber letzlich leer aus", fasst der Moderator mit mittlerweile ramponierter Stimme zusammen.

Tonis Wünsche

Knapp vorbei. Tonis Tipp hat nicht ganz hingehauen. Macht nichts. Hauptsache seine Wünsche, das der FC nicht absteigt und sich Gladbach für die Champions League qualifiziert, treffen ein.