Jörgen Fahrig - "Klausi, der Kampfschmuser"

Portrait Kathrin Rindfleisch
von Kathrin Rindfleisch – 30.10.2015

Auf dem Weg zum Kölner Königsforst. Meine erste Runde mit einem Kampfhund, und dann auch noch im Regen. Leicht nervös warte ich am Treffpunkt. Da kommen sie. Und aus meiner leichten Nervosität wird eine schwerere. Ein schwarzer Jeep, ein Mann wie ein kanadischer Holzfäller, und der weiße American Bulldog Staffordshire Mix, der, so wie er aussieht, mühelos mein Bein zum Frühstück vertilgen könnte. Ich höre, wie Hund und Herrchen kommunizieren. "Jetzt komm schon Klausi! Ja, ich weiß, dass es regnet, Aber wir gehen jetzt eine Runde. Auch nicht so lange, versprochen.“ Klausi? Diese Kampfmaschine heißt Klausi?! Und der hat Angst vor Regen?! Vielleicht ist der ja verkleidet und drunter steckt ein weißer Pudel. OK, mein Respekt ist noch da, aber der regenscheue Klausi ist mir irgendwie jetzt schon sympathischer.

Wir gehen los, und ich freue mich auf das Gespräch, denn Klausis Herrchen Jörgen Fahrig war mir gleich beim ersten Treffen sympathisch. Jörgen ein Typ, dem das Herzblut aus den Augen strahlt. Als ich hörte, dass er einen American Bulldog Staffordshire Terrier Mix besitzt, einen sog. Kampfhund, wollte das für mich nicht so recht zusammenpassen. Ich stellte mir doch Besitzer von Staff, Pit Bull und Co. irgendwie anders vor. Lauter, herausfordernder, breitbeiniger. Der grundsympathische Jörgen zumindest, der hatte nichts gemein mit meinem Bild eines typischen Kampfhundehalters. Doch auf dieser Runde durch den Königsforst soll das nicht das einzige Bild bleiben, dass ich revidieren muss. Das erste, was ich über sogenannte Kampfhunde höre ist, dass dieses Wort der umgangssprachliche Begriff für Listenhunde ist. Das sind Hunde, die rassebedingt als gefährlich angesehen werden oder deren Gefährlichkeit vermutet wird.

Etwas erstaunt bin ich, als ich erfahre, dass jedes Bundesland für sich noch mal eine eigene Liste führt, die die Hunde zum Teil zudem noch in zwei Gefahrenstufen unterteilt. So ist Klausis Rasse, der American Staffordshire Terrier, in NRW als „gefährlich“ eingestuft, während in Niedersachen nicht einmal solch eine Liste existiert. Ist es denn nun wissenschaftlich belegt, welche Hunderasse eine Gefahr für den Menschen darstellt? Ist es – unter Einbeziehung der jeweiligen Haltung des Hundes – eingeordnet und objektiv beurteilt? Oder ist die Gefährlichkeit eines Hundes schlicht Ansichtssache? Die scheinbar wahllose Einstufung, die von Bundesland zu Bundesland variiert, lässt mich diese Fragen stellen. Und auch diese: wäre ich jetzt mit Jörgen und Klausi in Hannover unterwegs, hätte ich dann kein mulmiges Gefühl beim Anblick des bulligen Gesellen, der sich durch die Erde buddelt? Weil er dort gar nicht als gefährlich eingestuft ist? In Nordrhein Westfalen muss ein Hundehalter ein Führungszeugnis vorlegen und kann nur durch einen positiven Wesenstest des Hundes die Befreiung von Maulkorb und Leine erwirken. In Celle hingegen macht es keinen Unterschied, ob man einen Am Staff (kurz für American Staffordshire) hält, oder einen Chihuahua. Sind denn nun die Politiker des einen Landes naiv? Oder die anderen übervorsichtig?!
Da ich mit den beiden aber nun mal in Köln unterwegs bin, halt ich mich erst mal an die hier geltenden Ansichten und Gesetze. Und muss den entspannten Jörgen jetzt einfach fragen: „Wieso? Wieso hält man sich so einen gefährlichen Hund?!“ Jörgen schaut Klausi an, Klausi schaut Jörgen an und meine Frage verpufft beinahe in dem zärtlich-treuen Miteinander von Hund und Herrchen. Ok, Klausi scheint nicht gefährlich, aber ist er sich da sicher? Was, wenn doch...? Und dann erzählt Jörgen. Dass er eigentlich gar keinen Hund wollte, und nur dank der Überredungskunst von Frau und Sohn im Tierheim landet. Bei „Pit und Staff“ in Köln-Ostheim verguckte er sich in den damals zehn Monate alten Klausi. Sein erster Gedanke: „Super Jörgen. Zuerst willste gar keinen Hund, und dann kommst du mit `nem Kampfhund nach Hause!“

An dieser Stelle finde ich mich mit meinem mulmigen Gefühl wieder. Doch Klausi geht ihm nicht aus dem Kopf, und so belässt es Jörgen nicht bei dem mulmigen Gefühl. Er will wissen, was hinter der Theorie von den gefährlichen Rassen steckt. Im Internet findet er wissenschaftliche Abhandlungen und Studien, die immer wieder auf das Ergebnis kommen, dass aggressives Verhalten und Beißbereitschaft beim Hund nicht rassespezifisch sind. Vielmehr ist es so, dass Rasseeigenschaften wie die dem Staffordshire Terrier zugeschriebene starke Dominanz, sowie die Treue zu seinem Besitzer bei unerfahrener Haltung einem unkontrollierbaren Verteidigungstrieb Raum bietet. Die unerfahrene Haltung, davon ist Jörgen nach viel Theorie und mittlerweile fünf Jahren eigener Erfahrung überzeugt, ist das eindeutig Gefährliche in Zusammenhang mit Hunden. Das bestätigt auch die Statistik: so kommt es ebenso häufig zu Bissattacken von Golden Retrievern, Dackeln oder Deutschen Schäferhunden, wie zu denen der Listenhunde.

Jörgen ist der Mensch, dem ich 100 Prozent vertraue. Er ist die beste Couch der Welt! Wenn mit ihm schmusen kann, bin ich der König der Welt! Jörgen ist mein Boss, der mir sagt, wo`s langgeht. Er ist wirklich toll, nur manchmal würde ich mir wünschen, seine Beine wären breiter. Dann könnte ich mich dazwischen stellen und wir wären beide König!

Klausi

American Staffordshire Terrier, 5 Jahre alt

Kampfhunde haben ein Imageproblem. Während ich mit Jörgen und Klausi durch den verregneten Königsforst stapfe und dabei beobachte, wie Klausi jede Regung von Jörgen wahrnimmt und nur auf sein Kommando wartet, wird mir das sehr deutlich. Ich erwische mich selbst dabei, wie mich die Golden Retriever-Statistik bestürzt. Dieser süße Familyhund soll Kinder beißen? Das Familienhund-Image des einen steht dem Kampfund-Image des anderen gegenüber. Einst wurden die Hunde in England von der Arbeiterschicht gezüchtet, um bei Tierkämpfen das Einkommen zu verbessern. Hundekämpfe sind jedoch seit über 100 Jahren verboten, und die Hunde, die lediglich für den aktuellen Kampf heiß gemacht wurden, bekommen seit über 100 Jahren Nachfahren, die niemals eine aggressive Situation mit einem anderen Tier erlebt haben. Geblieben sind Eigenschaften wie Ausdauer und Dominanz. Und das Image eines gefährlichen Hundes, das die meisten Menschen abschreckt.

Jörgen erzählt von Leuten, die die Straßenseite wechseln, über verbale Attacken und Messerdrohungen, die ihn in seiner Rolle als Hundehalter teilweise sehr fordern. Und dann gibt es die Menschen, die solch ein Image anziehend finden. Und sich mehr für das Image interessieren, das zu ihnen passt, statt für den Hund und dafür, was er braucht und was ihm gut tut. Und da hat Niedersachsen mit seiner nicht existenten Rasseliste wahrscheinlich den natürlichsten Umgang: nicht erzogen und unliebsam gehalten, ist jeder Hunde unausgeglichen und potentiell gefährlich für den Menschen. Selbst ein Chihuahua.

Eineinhalb Stunden durch den Königsforst, die Hände klamm, die Fotos unscharf oder mit Regentropfen übersät, weiß ich nun, warum ein Kampfhund Kampfhund heißt. Ich rätsele weiter über die nicht einheitliche Gefahreneinstufung von Hunden in Deutschland. Und mein Bein ist noch dran. „Du guckst den schon ganz anders an, als zu Beginn der Runde.“ Ja, und mein mulmiges Gefühl ist umgezogen. Weg von Klausi, dem Blutrünstigen, hin zu allgemeingültigen Klischees, denen auch ich ungefragt folge. Ein letzter Blick: Breitbeinig? Nein, breitbeinig ist er nicht, Klausis Herrchen Jörgen. Und Klausi? Der hat die komplette Zeit über seine Schnauze in der Erde gehabt. „Der ist eben kein Kämpfer. Sondern ein Buddler.“

Weitere Informationen zum Thema Listenhunde und Rassenprobelmatik: "Rasseliste", "American Staffordshire Terrier" "Das obere Ende der Leine".