Fußball-Profi Marcel Schmelzer - "Doppelter Respekt"

Portrait Andreas Moll
von Andreas Moll – 31.01.2016

Zu Beginn der Klopp-Ära im Jahre 2008 wurde es einem als Borussia Dortmund Anhänger nicht gerade schwer gemacht, einen Großteil der Spieler zu mögen und sich in den revolutionären Jagd-Rudel-Fußball hoffnungslos zu verknallen. Das Trio, bestehend aus Jürgen Klopp (Trainer), Hans-Joachim Watzke (Präsident) und Michael „Susi“ Zorc (Sportdirektor), verstand es nach den mehr als mageren Jahren inklusive Beinah-Bankrott ein Team aus Nobodys und Nachwuchsspielern aufzubauen, das es in jede Hitliste moderner Fußballmärchen brachte.

Man rieb sich auf der Tribüne die Augen ob der Brillanz eines Mats Hummels, dem Supertalent Mario Götze, der kalten Effizienz eines Robert Lewandowski. Da spielte plötzlich eine Ansammlung von Spitzenspielern im gelb-schwarzen BVB-Trikot. Und doch: bei allem Talent, Versprechen in Zukunft und Gegenwart, bei all den Erfolgen und den mit Namen der Superstars beflockten Trikots - die größte Ehre, die einem Spieler in Dortmund zuteil werden kann, ist es „Borusse“ genannt zu werden. Womit wir bei Marcel Schmelzer wären. Man wird nicht Borusse durch eine schnöde Vertragsunterzeichnung oder durch errungene Pokale. Nicht mal innerhalb der Stadtgrenzen geboren worden zu sein, begünstigt es, diese höchste aller Anerkennungen zu erlangen. Man wird Borusse nicht durch ein grandioses Spiel, nicht wegen einer fantastischen Saison, nicht nur weil man verhältnismäßig lang dem Verein die Treue hält. Man wird es zum Beispiel an einem grauen Dienstagabend, nachdem die vierte Flanke weit ins Seitenaus gesegelt ist, und kein enttäuschtes Raunen durchs Stadion geht. Man wird es in dem Moment, wenn in der Reihe vor einem der Name des Spielers in unflätigen Zusammenhängen erwähnt wird, worauf hin ein anderer Zuschauer dem etwas entgegen hält wie: "Der versucht dat wenigstens. Der hat wenigstens ein Arsch inne Buxe" - Blut, Schweiß und Tränen. Darunter macht man es ja nicht im Pott.

Akzeptiert als einer der ihren - als Borusse!

Marcel Schmelzer ist ein solcher Spieler. Ironischerweise war er es, der Dede, „den Borussen schlechthin“, verdrängte. Der in Brasilien geborene Kicker wurde vom Publikum heiß geliebt und nach dreizehn Jahren Maloche auf der linken Seite in einem Meer aus Tränen öffentlich von Schmelzer in die verdiente Rente geschickt. Seitdem tut „MS 29“ dort seinen Dienst: Linke Seite defensiv. Rauf und runter, immer volle Pulle seit 2008. Der Letzte beim Torjubel, aber der Erste am Zaun, wenn das Spiel Scheiße war. Der Spieler mit der grimmigsten "Wir biegen das noch"-Fratze im Jahrhundertspiel gegen Malaga (3:2 in der Verlängerung). Von den vom feinem Fußball verwöhnten Dortmunder Fans ob seiner leichten technischen Unwucht oft kritisiert, von den Borussen wegen seines stets vorbildlichen Einsatzes hoch geschätzt, verehrt und akzeptiert. Akzeptiert als einen der ihren. Als Borusse.

Marcel kümmert sich um uns und lässt uns vor allem unseren Freiraum. Besonders komisch ist er jedoch, wenn er versucht, streng zu sein.

Mimi + Oskar

Gemeinsam mit seiner Partnerin lebt Schmelzer am Rande Dortmunds - ganz in der Nähe eines weiten Waldstücks. Der Auslauf ist extrem wichtig. Wichtig für seine beiden Hunde Oskar und Mimi, wichtig aber auch für den Sportler, der auf den regelmäßigen Hunderunden zur Ruhe kommt. Wenn es zeitlich irgendwie klappt, ist Partnerin Jenny, mit der er seit 2013 verheiratet ist, auf den Spaziergängen dabei. Die beiden haben Oskar, ihren ersten gemeinsamen Hund, bei einem Züchter gekauft, ihn nach allen Regeln der Kunst erzogen und waren total zufrieden. Im Laufe ihrer Hundeleidenschaft berichtete ihnen eine Freundin über die hundeunwürdigen Verhältnisse auf Apuliens Straßen. Sie unterstützten zunächst das Tierschutzprojekt Italien e.V. mit Spenden, doch spätestens, als sich die beiden ein Bild vor Ort machten, wurden die Herzen weich und der Kampfgeist des Ehepaars geweckt.

Verbesserung der Lebensumstände süditalienischer Straßenhunde
Marcel wurde Schirmherr des Vereins, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lage für süditalienische Straßenhunde zu verbessern. Hier leben derzeit ca. 100.000 Straßenhunde (mit steigender Tendenz), deren Leben von Hunger, Durst, Unfällen, Misshandlungen und Vergiftungen geprägt ist. Eingefangene Hunde werden zudem in Hundelager (Canili) gesteckt und dort unter unwürdigen Bedingungen gehalten. Der Verein kämpft täglich vor Ort, nimmt Kontakt mit den Kommunen auf, weist auf die Missstände hin, unterstützt ausgewählte, gut geführte Tierheime, finanziert Tierärzte und sorgt dafür, dass das Leid der Straßenhunde in Apulien ein Ende hat. In der Region Irpinia in Kampanien soll in naher Zukunft mit einer ortsansässigen Tierschützerin ein Grundstück gefunden werden, auf dem eine Begegnungsstätte mit Welpenstation, eine Kranken- und Kastrationsambulanz entstehen soll. Der Name ist bereits gefunden - Oasi Irpinia - doch fehlen noch finanzielle Mittel, um das Projekt schnell voran zu bringen. Und dafür setzen sich die Schmelzers ein. Marcel setzt seine Popularität ein, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Tierschutzprojekt Italien e.V. - IBAN: DE 3955 0205 0000 0863 8201 - BIC: BFSWDE33MNZ - Bank für Sozialwirtschaft/Mainz
 
Nachdem sich Familie Schmelzer für den Bildband "Prominent mit Hund" fotografieren ließ, posierte der Sportler jüngst mit seiner Hündin Mimi für die Tierschutz-Organisation "Peta". Unter dem Slogan „Adoptieren, nicht kaufen“ bittet er alle Tierfreunde, sich für die Adoption und gegen den Kauf eines Tieres zu entscheiden. Er weist in der Aktion darauf hin, dass jährlich ca. 300.000 Tiere allein in deutschen Tierheimen abgegeben werden und auf neue Besitzer warten.

Wegen seines unermüdlichen Einsatzes auf und neben dem Sportplatz wird Marcel Schmelzer von seinen Fans hoch geschätzt. Wegen seines Einsatzes für Hunde, denen es nicht so gut geht wie seinen eigenen, gehört ihm mindestens eben soviel Respekt.

Dank für die Unerstützung und Realisierung dieses Beitrages gilt Teresa Rothwangl und Jona Steinbach.