SRMA beim Beagle - "Wenn sich der junge Hund plötzlich nicht mehr bewegen mag"

Dr. Franziska Riese, Prof. Dr. Andrea Tipold - Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Klinik für Kleintiere, Neurologie

Gestern war noch alles in Ordnung. Ronja war munter, hat mit dem anderen Hund gespielt und in ihrem jugendlichen Übermut mal schnell noch den Mülleimer mit den Fischstäbchen entleert (wie man das eben als 10 Monate alter Beagle so macht). Jetzt geht es ihr nicht mehr gut. Sie hat Fieber (39,5 °C - die Normaltemperatur beim Hund sollte zwischen 37,5 – 39,0 °C liegen), mag sich gar nicht mehr bewegen und hält den Kopf lang gestreckt nach unten. Zunächst wurde vermutet, dass das mit den Fischstäbchen aus dem Müll keine so gute Idee war und Ronja jetzt Vergiftungssymptome hat. Sie wurde mit Vitaminen und Antibiotika vom Haustierarzt behandelt.

Da jedoch die Symptome nicht besser wurden und Ronja vor Schmerzen nur noch zitterte, wurde sie nach einigen Tagen erneut beim Tierarzt vorgestellt. Unter diesen Umständen bestand der Verdacht, dass eher Halsschmerzen die Ursache sein könnten. Zur weiteren Abklärung dieses Verdachts wurde Sie zu uns in die Klinik überwiesen.

In der Allgemeinuntersuchung, die nun eine Woche nach Beginn der ersten Symptome erfolgte, zeigte Ronja eine hochgradige Schmerzhaftigkeit bei Berührung und Biegung der Halswirbelsäule. In der neurologischen Untersuchung war Ronja jedoch sonst vollkommen unauffällig.

Verdacht auf eine Steroid-responsive Meningitis-Arteriitis

Bezüglich Vorgeschichte, Alter, Rasse, Fieber und Schmerzhaftigkeit bestand schnell der Verdacht, dass Ronja unter einer Steroid-responsiven Meningitis-Arteriitis (SRMA)/steril eitrige Meningitis-Arteriitis leiden könnte. Bei der SRMA, auch „Beagle Pain Syndrome“ genannt, handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung der Rückenmarkshäute und Gefäße - vor allem im Halsbereich. Bei genauem Hinsehen ist dies jedoch eine entzündliche Reaktion, die den ganzen Körper betrifft. Es kann also auch zu einer Vergrößerung der Lymphknoten im ganzen Körper, zu Entzündungen der Gelenke und ebenso entzündlichen Veränderungen im Herzen, in der Niere, dem Darm, Mediastinum und Schilddrüsengefäßen kommen, sowie zu einer Erhöhung der weißen Blutkörperchen im Blut. Generell gilt, dass diese Entzündung vom eigenen Immunsystem auszugehen scheint und eine Beteiligung von Erregern (Bakterien, Pilzen, Toxine etc.) eventuell nur der Auslöser für diese überschießende Immunreaktion ist. Wenn die Hunde klinische Symptome zeigen, kann man diese Erreger allerdings nicht mehr finden. Beim Nova Scotia duck tolling Retriever konnte ein genetischer Hintergrund gefunden werden, auch gibt es eine familiäre Häufung bei einigen Rassen.

Nach erfolgreicher Therapie der SRMA kann der Hund ein ganz normales Leben führen kann und keine Langzeitschäden zu erwarten sind."

Dr. Franziska Riese - Stiftung TiHo Hannover

Zwei Formen der SRMA

Es müssen zwei Formen der SRMA unterschieden werden: die akute Form der Erkrankung, bei der die Tiere eine hochgradige Schmerzhaftigkeit der Halswirbelsäule, Fieber, sowie einen steifen Gang haben.

Die chronische Form der SRMA tritt auf, wenn die akute Form gar nicht oder nicht ausreichend behandelt wurde, oder es trotz Therapie zu einem Rückfall kommt. Die Entzündung kann zu einer Störung des Flusses des Gehirnwassers oder zum Verschluss von Blutgefäßen führen. Daraus resultieren ein leichter Wasserkopf oder Minderdurchblutung des Rückenmarks und Gehirns. Die klinischen Symptome bei der chronischen Form beinhalten dann Gangstörungen und Ausfälle der Kopfnerven.

Um andere Ursachen für die Schmerzhaftigkeit auszuschließen, wurde bei Ronja ein Röntgenbild der Halswirbelsäule gemacht. Eine Möglichkeit für Schmerzhaftigkeit in der Halswirbelsäule kann auch eine Entzündung der Bandscheiben oder ein Bandscheibenvorfall sein. Dies konnte bei Ronja durch die röntgenologische Untersuchung ausgeschlossen werden.

Liquorpunktion

In Folge musste Ronja in Narkose untersucht werden, um das Gehirnwasser zu gewinnen und damit eine SRMA nachweisen zu können. Bei einer Liquorpunktion wird hinter dem Kopf mit einer Nadel in den subarachnoidalen Raum (ein spaltförmiger Raum um das Zentralnervensystem) gestochen, und es läuft passiv das Gehirnwasser ab. Dieses wird im Labor auf die enthaltenen Zellen und den Eiweißgehalt untersucht. Bei dem Beagle Ronja wurden viele Leukozyten gefunden, die neutrophilen Granulozyten waren in deutlicher Mehrheit vorhanden. Außerdem war sowohl im Blut als auch im Liquor ein erhöhter Gehalt an Immunglobulin A zu messen. Aus diesem Grund wurde bei Ronja die Diagnose SRMA gestellt und so schnell wie möglich die Therapie begonnen.

Die Therapie besteht aus einer Immunsuppression und späteren Entzündungshemmung mit Glukokortikosteroiden oder anderen Medikamenten, wenn Kortison nicht hilft oder Nebenwirkungen beobachtet werden. Die gesamte Therapie dauert circa ein halbes Jahr und sollte unter regelmäßigen Liquorkontrollen individuell eingestellt werden.

Bei 80% der Patienten ist nach dieser Therapie die SRMA endgültig therapiert. Bei 20% der Patienten kann es zu einem Rückfall kommen. Jedoch ist prinzipiell zu sagen, dass nach erfolgreicher Therapie der Hund ein ganz normales Leben führen kann und keine Langzeitschäden zu erwarten sind.

FAZIT

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ronja eine typische Vorgeschichte von jungen Patienten mit Fieber unklarer Ursache hatte. In einer Studie wurde festgestellt, dass Hunde im Alter zwischen 1 – 18 Monaten mit Fieber zu 79 % an einer nicht-infektiösen Entzündung leiden. Von diesen 79 % hatten 60 % eine SRMA. Eine Therapie ist wichtig, um wiederkehrende Schmerzen oder Blutungen durch die Entzündung der Gefäße zu vermeiden.