Ria und der dicke Bauch

Vor kurzem wurde die kastrierte Hündin Ria, geboren ca. 2007 in Ungarn und seit ihrem zweiten Lebensjahr bei ihrer Familie in der Schweiz zu Hause, vorgestellt, da sie seit einigen Tagen einen auffällig prallen Bauch mit scheinbar schmerzhaftem Stuhldrang hatte. Die klinische Untersuchung ergab eine unauffällige Lungen- und Herzauskultation, rosa feuchte Schleimhäute mit einer prompten kapillären Füllungszeit. Die Körperinnentemperatur lag bei 38,3 Grad, bei klaren Augen und nicht vergrößerten oberflächlich tastbaren Lymphknoten. Der Abdomen war deutlich prall, schwer abtastbar mit scheinbar starkem Erguss.

Als erste Diagnostik wurde der Hündin Blut abgenommen, um einen Blutstatus (u.a. rote und weiße Blutkörperchen, Hämatokrit, etc.) zu erstellen. In der Zwischenzeit wurde ein Röntgenbild des Abdomens erstellt. Auf dem Röntgenbild war eine hochgradige Aszites (Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle) zu sehen, daher war das Abdomen nicht wirklich beurteilbar und aufgrund dessen wurde ein Ultraschall angesetzt. Hier zeigte sich, dass die Blase geringgradig Urinsediment aufwies, die Nieren sowie die Milz waren makroskopisch unauffällig, die Leber war deutlich verkleinert und inhomogen, die Gallenblasenwand erschien geringgradig verdickt. Die Dünndarmschlingen waren etwas hyperechogen und zeigten eine verdickte Mukosa, bei erhaltener Darmschichtung. Es erfolgte eine ultraschallgeführte Punktion der Bauchhöhle, um ein Probe der Bauchhöhlenflüssigkeit zu bekommen. Diese war makroskopisch wie Wasser ohne Hinweise auf Blutbeimengungen oder einem besonderem Geruch. 

Eine Probe vom Spontanurins ergab keinen Hinweis auf Protein, Entzündungszellen oder Blut. Unterdessen ergab die Blutuntersuchung eine leichte Retikulozytose (gesteigerte Bildung roter Blutkörperchen), eine deutliche Hypoalbuminämie (niedriger Gehalt an Albumin im Blut), sowie eine 2,5-fache Erhöhung des ALT-Wertes (ein erhöhter ALT-Wert weist auf akute oder chronische Hepatitis, toxische Leberschäden, oder Leberkrebs hin). Zur weiteren Findung der Diagnose mussten entsprechende Differenzialdiagnosen erstellt werden. Bezüglich des Transsudantes kamen in Frage: infektiöse/entzündliche/toxische Ursachen (Bsp. Proteinverlustenteropathie, Proteinverlustnephropathie), vaskuläre Ursachen (Bsp. Herzinsuffiziens), traumatische Ursachen (Bsp. Uroabdomen) oder eine Anomalie (Bsp. ein Portosstemischer Shunt).

Da die Herzauskultation (Erfassung der physiologischen Herztöne zur Erkennung von eventuell vorhandenen pathologischen Herzgeräuschen) ohne besonderen Befund war, das Transudat nicht nach Urin roch und eine Anomalie eher schon vorher aufgetreten wäre, wurden vaskuläre und traumatische Ursachen sowie eine Anomalie erst einmal hinten angestellt. Bei der Blutuntersuchung fiel vor allem die Hypoalbuminämie auf, hierfür könnten ursächlich sein: ein Verlust (Bsp. über die Niere, den Darm, Blutungen), eine verminderte Albuminproduktion ( Bsp. durch Leberversagen, durch eine verminderte Proteinaufnahmen, durch eine Maldigestion/-absortion) oder durch eine Kompensation einer Hyperalbuminämie.

Da vorberichtlich ein immer wiederkehrender Durchfall erwähnt wurde, war die erste Verdachtsdiagnose die sogenannte "Protein losing enteropathy" (Proteinverlust über den Darm aufgrund einer chronischen Darmentzündung bsp. durch Parasiten, Bakterien, Allergien oder Neoplasien) mit zudem einem Lebergeschehen noch unbekannter Genese.

Möglichen Optionen

Option Nr. 1 bestand aus einer Weiterüberweisung in ein Spezialistenzentrum, um eine Gastroskopie und/oder Utraschallgeführte Biopsieentnahme zur Diagnosesicherung zu veranlassen und bis dahin mit Aldactone (ein kaliumsparendes Diuretikum für eine erhöhte Wasserausscheidung) und hypoallergenem Futter zu therapieren. 

Option Nr. 2 wäre ein konservativer Therapieversuch mit Kortison, Aldactone und hypoallergenem Futter mit dem Hintergedanken bei Nichtansprechen des Patienten nach Ausschleichung des Kortisons doch noch eine Weiterüberweisung durchzuführen. 

Da sich die Besitzer für Option Nr. 2 entschieden, wurde eine weitere Blutkontrolle zur Überprüfung des Krankheitsverlaufes nach zehn Tagen angesetzt und eine sofortigen Wiedervorstellung bei Verschlechterung angeraten. Knapp eine Woche später meldeten sich die Besitzer erneut und berichteten, dass Ria kaum noch fressen wollte, sie (wenn überhaupt) nur ganz langsame Bewegungen ausführte und sich ihr Zustand täglich verschlechterte. Ich bat die Besitzer, Ria notfallmäßig in die Klinik zu bringen. 

Auf den ersten Blick war weiterhin ein extrem praller Bauch zu sehen, die Schleimhäute im Maul waren trocken, pappig und grau-weiß, daher veranlasste ich sofort eine weitere Blutkontrolle. Die resultierenden Ergebnisse waren mehr als besorgniserregend, woraufhin eine Überweisung ins Tierspital geraten wurde. Da die Besitzer dies ablehnten, schlug ich eine Probelaparotomie (hierbei wird die Bauchhöhle eröffnet um mögliche Ursachen chirurgisch zu beheben, bzw. einen direkten Auslöser zu finden) an.

Bei der Probelaparotomie wurden anfänglichst ca. 2,5-3 Liter klare wässrige Flüssigkeit aus der Bauchhöhle abgepumpt. Abweichend wurde am Darm eine walnussgroße Umfangsvermehrung sichtbar, die Milz zeigte deutliche Auflagerungen mit weißen und gelben Herden von ca. 2mm Durchmesser und zudem noch eine deutlich verkleinerte puffige, mit Blasen komplett übersäte Leber. Aufgrund dieser Befunde, den dazugehörigen Blutwerten und dem Zustand des Hundes entschieden sich die Besitzer für eine Euthanasierung ihres Hundes, damit sie nicht weiter leiden musste. 

Da die Besitzer leider keine pathologische Untersuchung ihres Hundes wollten, konnte der Hauptauslöser nicht genauer bestimmt werden.