Der kluge Hund!?
Die Beziehung zwischen Menschen und Hunden ist besonders. Hunde leben seit über 30000 Jahren in einer engen Gemeinschaft mit dem Menschen. In dieser Zeit hat sich der Hund in seiner Anatomie und in seinem Verhalten an dieses Leben angepasst. Die Frage, die sich die vergleichende Psychologie stellt ist, inwieweit sich Hunde möglicherweise auch in ihren kognitiven Fähigkeiten an dieses Leben angepasst haben.
Der Hund war das erste Säugetier, welches von dem Menschen domestiziert wurde. Die Forschung, die sich mit den vergleichenden Kognitionswissenschaften beschäftigt, stellt sich die Frage, inwieweit das Umfeld, an das sich eine Art angepasst hat, einen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten der Art hat. Hunde sind in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Art, mit der sich die Forschung seit etwas 20 Jahren verstärkt beschäftigt. Hunde sind besonders, denn das Umfeld, an das sich Hunde angepasst haben, ist das menschliche Umfeld, und es stellt sich die Frage, ob der Hund möglicherweise als direkte oder indirekte Anpassung besondere kognitive Fähigkeiten entwickelt hat.
"Die Beziehung von Hund und Mensch ähnelt einer Kind-Eltern- Beziehung"
Die Forschung der letzten zwei Jahrzehnten hat nun gezeigt, dass es tatsächlich mindestens einen Bereich gibt, in dem Hunde "besonders" sind und Fähigkeiten entwickelt haben, die wir so bei anderen Arten nicht finden. Hunde und Menschen haben eine Beziehung entwickelt, die in vielen Bereichen der Kind-Eltern Beziehung ähnelt. Für den Hund ist der Mensch der bevorzugte Sozialpartner. Wenn man ihm die Wahl lässt, zwischen einem fremden Menschen oder einem fremden Hund zu wählen, wählt der Hund den Menschen. Wölfe, selbst wenn sie vom Menschen aufgezogen wurden, wählen, vor die gleiche Wahl gestellt, im Gegensatz dazu den fremden Hund. Und es gibt einen weiteren Bereich in dem die Mensch-Hund Beziehung besonders erscheint, denn Hunde können menschliche Kommunikation in einer Art und Weise verstehen, wie es keine andere Spezies kann. Hunde folgen menschlichen Gesten, zum Beispiel der Zeigegeste flexibel, und scheinen die kommunikative Absicht ihres Gegenübers zu deuten. Ein einfacher Test unterstreicht dies: In eine von zwei identischen Bechern wird ein Stück Futter versteckt. Der Hund hat das Verstecken nicht beobachtet und keine Information über den Inhalt der beiden Becher. Nun zeigt der Mensch auf eine der beiden Becher, und der Hund wird diese Geste nutzen, deuten und das Futter daraufhin finden.
Die Sensibilität von Hunden für menschliche Kommunkation ist kein antrainiertes Phänomen.
Dass die Sensibilität von Hunden für menschliche Kommunikation eine direkte Anpassung an das Leben mit dem Menschen zu sein scheint und nicht nur einfach ein antrainiertes Phänomen, ergibt sich aus vielen zusätzlichen Forschungsergebnissen. Hunde können offensichtlich das Futter nicht einfach riechen. Versteckt man das Futter, ohne dass der Hund sieht, wo es versteckt wurde, und gibt ihm keinen kommunikativen Hinweis, dann findet er es nicht. Auch ist die Fähigkeit offensichtlich nicht einfach antrainiert, denn bereits sechs Wochen alte Welpen, die noch kein weiteres Training bekommen haben, folgen den Gesten des Menschen. Vergleiche mit anderen Arten, zeigen des Weiteren, dass die Fähigkeit der Hunde, menschliche Kommunikation zu deuten, wirklich etwas Besonderes ist. Wölfe, selbst wenn sie vom Menschen aufgezogen sind, reagieren nicht so flexibel auf menschliche Kommunikation wie Hunde. Sie brauchen zusätzliches Training, um dieselben Ergebnisse zu erzielen. Auch Schimpansen, die nächsten, lebenden Verwandten des Menschen, reagieren nicht auf menschliche Kommunikation so wie es Hunde tun. Hunde folgen auch nicht einfach der Hand der Menschen, unabhängig vom Kontext. Wird der Hund mit einem menschlichen Verhalten konfrontiert, das der gezeigten Geste gleicht, jedoch keine kommunikative Absicht beinhaltet, werden die Hunde dieses Verhalten ignorieren. Nur wenn der Mensch eine kommunikative Absicht ausdrückt (z.B. über Augenkontakt), folgen die Hunde dieser Geste.
Zusammen genommen lassen diese Ergebnisse also darauf schließen, dass Selektionsdruck während der Domestikation zu dieser Fähigkeit der Hunde beigetragen haben. Hunde scheinen also in der Zeit des engen Zusammenlebens Kommunikationsfähigkeiten entwickelt zu haben, die effektiv gleich denen menschlicher Kinder sind.
Aber es gibt natürlich auch erhebliche Unterschiede zwischen der Art, wie Hunde unsere Kommunikation verstehen und wie Kinder dies tun. Die Theorie lautet, dass Hunde, im Gegensatz zu Kindern, die menschliche Kommunikation grundsätzlich als eine Art von mildem Befehl betrachten, der ihnen sagt, in welche Richtung sie gehen müssen - aber nicht wie eine Übertragung von Informationen. Wenn Sie für ein Kind in eine bestimmte Richtung zeigen, wird das Kind dies interpretieren als eine Information über etwas. Diese Fähigkeit von Hunden, "räumliche Richtlinien" zu erkennen, ist die perfekte Anpassung an das Leben mit Menschen. Zum Beispiel werden Hunde seit Tausenden von Jahren als eine Art "soziales Werkzeug" verwendet, um beim Hüten und Jagen zu helfen - Aktivitäten, bei denen sie über eine große Distanz durch gestische Anweisungen geführt werden müssen.
Die besonderen Eigenschaften des Hundes liegen ganz eindeutig im sozialen Bereich!
Die von vergleichenden Psychologen gestellte Frage nun lautet, ob Hunde möglicherweise auch in anderen Bereichen als Anpassung an das Leben mit dem Menschen spezielle Fähigkeiten entwickelt haben. Die Forschung konzentriert sich in diesem Zusammenhang auf viele verschiedene Facetten, die das soziale Miteinander von Mensch und Hund sowie Hunden untereinander ausmacht. Fragen zu kooperativen Interaktionen, bzw. inwieweit diese verstanden werden, sowie Fragen zu Besitzer-Qualitäten und inwieweit diese von dem Hund interpretiert werden etc. Eines ist sicher: wenn es zu dem Verständnis des Hundes von der unbelebten Umwelt kommt, also das Verständnis von Mengen, Formen, Kausalitäten etc., dann scheinen Hunde den Wölfen nicht viel voraus zu haben. Die besonderen Eigenschaften des Hundes liegen ganz eindeutig im sozialen Bereich.