Reportage - Kleintierpraxis Wachtberg: "Alles außer Yoga!"
Abenteuer Tierarzt. Los geht's am Montag um 9:00 Uhr in der Tierarztpraxis von Gabriele Pfahl-Kreis in Villip. Die Ortschaft in der Gemeinde Wachtberg im Rhein-Sieg-Kreis (NRW) liegt zehn Kilometer entfernt von der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn.
Im Untersuchungsraum wartet die Besitzerin der Dackelhündin "Pauline", der ganz oben auf der OP-Liste der Tierarztpraxis steht. Pauline ist schon 12 Jahre alt, hat Herzprobleme, mit denen der Dackel dank der medizinischen Betreuung von Gabriele Pfahl-Kreis gut leben kann. Frauchen aber hatte vor 14 Tagen eine Schwellung am Gesäuge festgestellt, die sich nach eingehender Untersuchung als ein Mammatumor herausstellte - und der wird heute operativ entfernt.
Die ganze Crew der Tierarztpraxis ist dabei, als Pauline für die Operation vorbereitet wird - auch Gymnasiastin Laura, die hier ein 14-tägiges Schülerpraktikum absolviert. "Das Sedativum wirkt schneller, wenn der Patient auf dem Rücken liegt", erklärt die Tierärztin. Das ist das Signal für Paulines Frauchen, die schon seit knapp 20 Jahren der Tierärztin vertraut, nach Hause zu gehen. Sie kann die Prozedur nicht mehr mit ansehen. Die OP verläuft gut - ganz ohne Probleme. Gabriele Pfahl-Kreis schneidet sorgsam den tischtennisballgroßen Tumor heraus, reinigt die Wunde und näht diese in aller Seelenruhe zu. Maike Ortmann assistiert ihr, während Ramona Sontag, die zweite Tierärztliche Fachangestellte, das Narkosegerät, sowie Atmung und Herzgeräusche des kleinen Patienten überwacht. Wie mit der Besitzerin besprochen, kümmert sich die Tierärztin danach um das Gebiss des Dackels. "Der Zahnstein muss weg. Wir nutzen die Narkose, um das Gebiss des Hundes auf Vordermann zu bringen", erklärt die Tierärztin. Nach der Zahnreinigung werden zwei Zähne gezogen, die leider nicht mehr zu retten waren. Pauline wird auf ein Wärmekissen gelegt, so dass sie in aller Ruhe aufwachen kann. Drei Stunden später wird sie von ihrer Besitzerin abgeholt.
Terminsprechstunde
In der Praxis in Wachtberg herrscht eine angenehm ruhige Atmosphäre - Stress hat hier kaum eine Chance. Und es riecht gut. Die Patientenbesitzer vereinbaren einen Termin und müssen daher kaum warten. "Ich persönlich hasse es auch, zu warten, also möchte ich das unseren Kunden auch nicht zumuten", sagt die Tierärztin lachend. "Vor gut zehn Jahren haben wir hier die Terminsprechstunde eingeführt und fahren seitdem sehr gut damit."
Im Nachbarzimmer kümmert sich Jeanette Krüger um Bordeaux-Dogge "Elvis", der unter Schmerzen am Hals leidet und derzeit zweimal in der Woche zur Tierphysiotherapeutin kommt. Die Halswirbel sind verkeilt - und das verursacht bei dem jungen Rüden Schmerzen. "Nach der Behandlung fühlt sich Elvis wie neu geboren", erklärt die Besitzerin, die ihren Hund während der Behandlung gut zuredet und mit Spielzeug motiviert, "am Ball zu bleiben". Jeanette Krüger ist schon seit 20 Jahren in der Tierarztpraxis, hat hier ihre Ausbildung zur TFA gemacht und sich 2008 im Vierbeiner Reha-Zentrum in Bad Wildungen zur Physiotherapeutin fortgebildet. Sie leitet nun "Pets in Motion", das tierärztlich geleitete Zentrum für rehabilitative Tierphysiotherapie. Vor dem Wasserlaufband wartet schon "Shaun", der nach einem Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren querschnittsgelähmt war. Sechs Wochen lang hat Jeanette Krüger mit Shaun fast täglich gearbeitet, bis er sich tatsächlich wieder gut bewegen konnte. Jetzt kommt der Hund einmal die Woche für eine halbe Stunde ins Wasserbad und genießt die Sporteinheit mit seiner "Personal Trainerin".
Das richtige Fressen für "Amelie"
Allergie-Patientin "Amelie" kommt mit Frauchen zur Kontrolluntersuchung. Die Haut des Golden Doodle macht Probleme, reagierte allergisch auf diverse Stoffe im Futter und wurde daher vor 14 Tagen auf Schonkost gesetzt. Süßkartoffel, Büffel und Pute. Klingt gut, ist es aber nicht. Amelie weigert sich zu fressen, und die Besitzerin ist ratlos. Darüber hinaus haben sich weitere Mitesser am Rücken des Hundes gebildet, eine sogenannte "Furunkulose" (wiederholtes Auftreten zahlreicher Furunkel). Gabriele Pfahl-Kreis setzt eine neue "Wunderwaffe" bei atopischer Dermatitis ein. Bei atopischer Dermatitis handelt es sich um eine Entzündung der Haut, die im Zusammenhang mit Allergien steht, häufig auf Dinge in der Umgebung wie Hausstaubmilben und Pollen. Das Präparat hemmt und verringert Hautjucken und Entzündungen und wird vier Wochen später nochmals verabreicht. Darüber hinaus hat Ramona Sontag ein neues Futter der Firma Vet-Concept herausgesucht, das Amelies Besitzerin ausprobieren wird.
Physiotherapie, sinnvoll und gezielt angewendet, kann enorm viel bewirken. Wir haben in den letzten Jahren bestimmt 15 querschnittsgelähmte Hunde wieder zum laufen gebracht."
Im Wartezimmer sitzt Annegret Kadur, die schon seit vielen Jahren mit ihrem 15-jährigen griechischen Edelmischling "Hannes" in die Praxis kommt. Vor etlichen Jahren rettete sie ihn aus Griechenland und adoptierte den Hund, der damals noch auf den Namen "Skippy" hörte. "Den Namen fand ich unpassend", erzählt die Hundehalterin, gab dem Hund einen klassischen, rheinischen Namen und auch noch eine eigene Hundeseite im Netz (www.hannes-kadur.de). Der in die Jahre gekommene Wolfshund-Mischling darf zur Physio.
Notfall: "Flecky" hat schreckliche Schmerzen
Eigentlich Zeit für eine Tasse Kaffee gibt es heute Vormittag nicht. "Flecky" kommt laut fiepend mit seiner Besitzerin in die Praxis. Ein Notfall. Der neunjährige Mischling zittert vor Aufregung, Schmerz und der Stimme von Gabriele Pfahl-Kreis. Die behält die Ruhe und den Überblick - untersucht den Hund. "Die Gelenke sind frei, aber der Rücken ist heiß", erklärt sie und vermutet, dass ein Bandscheibenvorfall vorliegt und der Schmerz in die hinteren Gliedmaße zieht. Zur Abklärung der Diagnose wird Flecky ruhig gestellt und geröntgt. 20 Minuten später herrscht Klarheit: ein kleiner Bandscheibenvorfall und eine Arthrose sind tatsächlich die Auslöser der Schmerzen. Um dem Patienten zu helfen, erhält der Hund eine Lasertherapie, die schmerzdämpfend und entzündungshemmend wirkt. "Das Gute an den Laserstrahlen ist, dass die Lichtteilchen direkt von den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, aufgenommen und gleich in Energie umgewandelt werden. Die Therapie hilft den kranken Zellen, gleich wieder adäquat zu arbeiten", erklärt die Tierärztin. Dann helfen nur noch Ruhe, ein Wärmekissen und Streicheleinheiten - und ein erneuter Praxisbesuch am Folgetag.
Ich liebe es mit Tieren und mit Menschen zu arbeiten. Meistens bin ich am Empfang und springe ein, wenn Not am Mann ist."
Als letzte Patientin des Vormittags geht Pauline, noch ein wenig benommen, jedoch erhobenen Dackelhauptes mit Frauchen nach Hause.
Um 13 Uhr ist Schluss - jedenfalls für diesen Montagvormittag. Endlich Zeit für eine Tasse Kaffee im Stehen. Dabei erzählt die Tierärztin, dass ihr Opa Paul wohl Schuld war, dass sie diesen Beruf gewählt hat. Der war nämlich Metzger und Gastronom und hat die damals Fünfjährige mit zum schlachten genommen. "Das hört sich schrecklich an, doch hat mein Großvater das mit sehr viel Würde getan!" Natürlich auch durch das Zusammenleben mit den Tieren auf dem großelterlichen Hof hat sich der Wunsch schon früh verfestigt, Veterinärmedizin zu studieren und als Tierärztin zu arbeiten. Und das macht Gabriele Pfahl-Kreis nun schon seit 32 Jahren.
"Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass die niemals langweilig wird. Jeder neue Tag ist eine Blackbox, ich weiß nie, was auf mich zukommt. Das hält mich jung. Ich lasse mich überraschen und widme mich den Tieren - die stehen bei mir an erster Stelle.
Wer mehr wissen will, liest die medizinischen und gut verständlichen Praxis-Hunde-Fallberichte von Gabriele Pfahl-Kreis zu den Themen "Goldimplantation bei Labrador Ella" und "Warum Hunde an den Pfoten beißen und kauen".