Die fibromatöse Epulis oder der "gutartige" Mundhöhlentumor

Inspektor, ein 11 Jahre alter Boxerrüde, wurde von seinem Haustierarzt in unsere Praxis überwiesen mit dem Vorbericht, dass starker Mundgeruch und Mundhöhlentumoren aufgefallen seien, die bei der Futteraufnahme einbluteten. Die Zähne seien teilweise vom Zahnfleisch überwuchert.

Erschwerend kam bei diesem Patienten hinzu, dass er an einer hochgradigen Herzinsuffizienz erkrankt war, daher ein Myokardversagen (Herzmuskelversagen) in der Anästhesie nicht unwahrscheinlich schien. Somit war Frauchens Angst, dass ihr Liebling nicht wieder aus der Narkose aufwachen könnte, natürlich berechtigt. Aus eben diesem Grund hatte sie aus Sorge vor Komplikationen den Eingriff so lange wie möglich versucht zu umgehen. Aber nun ging es einfach nicht mehr. Inspektor wurde in unserer Praxis bei meinem Kollegen einer eingehenden Herzuntersuchung unterzogen, um ein passendes Narkoseprotokoll zu wählen und das Risiko des Eingriffs auf ein Minimum zu reduzieren.

Dann sahen wir uns die Maulhöhle an, in der wir insgesamt 24 Lokalisationen am Zahnfleisch markieren konnten, die behandlungsbedürftig waren. (Abb. 1-4). Das Zahnfleisch wies sogenannte periphere odontogene Fibrome auf, die umgangssprachlich auch als Epuliden bezeichnet werden. Der Boxer, die Bordeaux Dogge, der Mops und die Französiche Bulldogge weisen hier eine Prädisposition auf, haben also eine Veranlagung zur Ausbildung dieser Tumore.

Epuliden bezeichnet man als gutartige Zubildungen

Von der Einteilung bezeichnet man die Epuliden als gutartige Zubildungen, die dem Zahnfleisch aufsitzen. Sie bilden keine Metastasen (Tochtergeschwülste) aus. Allerdings können sie erhebliche Ausmaße annehmen, wie man anhand der Abb.3 sehen kann. Die Epuliden können somit sowohl zu einer mechanischen Einschränkung beim Zermahlen des Futters als auch zu entzündlichen Veränderungen führen, dadurch erhebliche Schmerzen verursachen und sogar Zähne verdrängen. Zusätzlich konnte man in allen vier Quadranten bei Inspektor eine Gingivahyperplasie verzeichnen, die sich durch überwuchernde Zahnfleischbereiche darstellt. Teilweise werden ganze Zähne überwachsen vom Zahnfleisch, so dass hier massive Taschen entstehen, die Futterreste, Haare und anderes Fremdmaterial aufnehmen (Abb 1). Die daraus folgenden Entzündungen, die sich bis auf den tieferen Zahnhalteapparat auswirken, bedingen einen Rückgang des Knochens. Die Parodontitis ist in vollem Gange und lässt sich nur noch stoppen, aber nicht mehr heilen. Betroffene Zähne werden ab einem Furkationsbefall Grad 3 (die Wurzelaufteilung liegt gut sondierbar frei) extrahiert.

Der Entstehung der Epuliden, sowie der Ausbildung einer Gingivahyperplasie kann man mit einer gut geführten häuslichen Pflege der gesamten Mundhöhle entgegenwirken​. Lassen Sie sich hierzu beim Tierzahnarzt Ihres Vertrauens aufklären und anweisen.

Dr. Miriam-Jasmin Hemmes

Nun ist es mir wichtig an dieser Stelle einmal zu sagen, dass alte Hunde sehr häufig an Erkrankungen der Zähne und der Mundhöhle leiden. Kein Hund ist zu alt, fast kein Herz zu schwach, als dass der Patient seinen Lebensabend damit verbringen sollte, Schmerzen auszuhalten. Denn chronische Entzündungen der Maulhöhle, und dazu gibt es ausreichend belegte Untersuchungen aus der Humanmedizin, die wir auf den Hund 1:1 übertragen dürfen, belasten den Gesamtorganismus mehr, als eine gut vorbereitete und geführte Anästhesie.

Inhalationsanästhesie so flach wie möglich

Um die Inhalationsanästhesie so flach wie möglich zu fahren, greifen wir, wie in der Humanmedizin, auf eine Leitungsanästhesie zurück, so wie Sie es von Ihrem eigenen Zahnarzt gewohnt sind. Um die Anästhesiezeit für Inspektor möglichst kurz zu gestalten, wurde die komplette Sanierung der Maulhöhle in zwei Sitzungen vorgenommen. In der ersten Sitzung wurde ein kompletter Parodontalstatus erhoben: Vermessung der Parodontaltaschentiefe, Bestimmung des Plaqueanheftungsgrades an den einzelnen Zähnen, Bestimmung des Entzündungsgrades und aller Veränderungen der Schleimhaut, der professionellen Reinigung der Zahnkronen und der Zahnhälse, dem Kürettieren (Auskratzen) der Zahnfleischtaschen und abschließender Zahnpolitur (Glättung aller Zahnbereiche). Schließlich wurden alle Zubildungen mit dem Diodenlaser blutungsfrei abgetragen, die veränderten Bereiche einer pathohistologischen Untersuchung zugeführt und in allen vier Kieferquadranten ein physiologischer Zahnfleischsaum mittels Laser modeliert und die von Zahnfleisch "begrabenen" Zähne wieder freigelegt. Der Vorteil der Lasermedizin liegt hier ganz klar in der sofortigen Blutstillung. Pathogene Mikroorganismen werden abgetötet, es kommt also zu einer noch stärkeren Keimreduktion im behandelten Bereich. Ebenso hat der Laser eine schmerzhemmende und entzündungshemmende Wirkung, so dass die Tiere schon am nächsten Tag wieder ohne Einschränkungen ihre Nahrung zerkleinern können. Von allen Zahnwurzeln wurden mit einem digitalen Dentalröntgengerät Bilder angefertigt und schließlich der Behandlungsplan für die zweite Sitzung erstellt, in der noch einige Zähne aufgrund einer fortgeschrittenen Parodontitis gezogen werden mussten.

Inspektor hat das alles sehr gut überstanden. Frauchen attestierte uns hinterher einen vitaleren und aufgeweckteren Inspektor. Oft ist es schwer für den Besitzer den Unterschied vor dem Eingriff zu erkennen. Was ist altersbedingtes Ruhigerwerden? Was ist chronischer Schmerz, der langsam und schleichend kommt und mit dem sich der Hund zu arrangieren versucht?

Pflege der gesamten Mundhöhle

Der Entstehung der Epuliden, sowie der Ausbildung einer Gingivahyperplasie kann man mit einer gut geführten häuslichen Pflege der gesamten Mundhöhle entgegenwirken. Lassen Sie sich hierzu beim Tierzahnarzt Ihres Vertrauens aufklären und anweisen. Sie ersparen sich viele Sorgen und Ihrem Liebling viele schmerzhafte Erfahrungen.

80% aller Hunde, die älter als drei Jahre sind, leiden an einer Erkrankung der Maulhöhle.

Gerade bei den brachyzephalen Rassen, mit ihrer reduzierten Selbstreingung des Gebisses, entstehen Schmutznischen, die Plaqueanheftung begünstigen, Zahnfleischtaschenbildung provozieren und somit zu chronischen Entzündungen führen. Diese wiederum fördern die Entstehung von Tumoren, die in der Maulschleimhaut leider häufig auch bösartig sind und extrem schnell wachsen können. Fakt ist, dass 80% aller Hunde, die älter als drei Jahre sind, an einer Erkrankung der Maulhöhle leiden. Die Therapie der Wahl in diesem Fall ist die Entfernung der Epuliden. Hierbei sollte allerdings bedacht werden, dass es häufig zu Rezidiven (Rückfällen) kommen kann. Sollte dem so sein, ist immer die Extraktion des benachbarten Zahns anzustreben, weil aus dessen Halteapparat der Epulide seinen Ausgang nimmt.