Dr. Franziska Conrad: "Differenzierte Welpenfütterung"

Das Wachstum stellt für jeden Junghund eine enorme körperliche Leistung dar. Insbesondere gilt dies für wachsende Hunde mit einem Endgewicht von über 25 Kilogramm in den ersten 4–6 Lebensmonaten, denn in dieser Zeit wachsen sie besonders schnell. Ihr Wachstum ist im Alter von einem Jahr jedoch noch lange nicht abgeschlossen: mit 12 Monaten bringen sie erst 80% ihres Endgewichts auf die Waage, die letzten 20% legen sie im Verlauf des 2. Lebensjahrs zu! Fütterungsfehler wirken sich in der Wachstumsphase besonders gravierend aus. Welpen und Junghunde sollten im ersten Lebensjahr wöchentlich gewogen und ihre Futterration mindestens alle zwei Monate überprüft werden. Gerade bei Hunden großer Rassen sollte eine Wachstumskurve anhand der von den Elterntieren verfügbaren Daten erstellt und kontrolliert werden. Hunde großer Rassen brauchen bis zu 24 Monate, bis sie ausgewachsen sind. In dieser Zeit verhundertfachen viele von ihnen ihr Geburtsgewicht.

Energie und Wachstum

Welpen und Junghunde benötigen pro Kilogramm Körpergewicht deutlich mehr Energie als ausgewachsene Hunde, da sie viel Gewebe komplett neu anlegen müssen. Der Energiebedarf eines Welpen liegt im Alter von 3–4 Monaten bei ca. 140–160 kcal/kg Körpergewicht und nähert sich mit zwölf Monaten allmählich dem Niveau des erwachsenen Hundes mit 70–90 kcal/kg Körpergewicht an. Dies ist zwar immer noch das 1,2-fache des Bedarfs eines erwachsenen Hundes, aber bezogen auf das Kilo Körpermasse hat sich der Bedarf nahezu halbiert. Das erklärt auch, warum die empfohlenen Futtermengen pro Tag für einen wachsenden Hund im zweiten Lebenshalbjahr häufig geringer sind als im ersten Halbjahr (siehe Fütterungstabelle).

Den Energiebedarf seines wachsenden Hundes sollte man kennen, ebenso wie die Energiedichte der verwendeten Aufzuchtnahrung, um die Tagesration grammgenau berechnen zu können. Nur mit einer kontrollierten Futterzuteilung lässt sich die Wachstumsgeschwindigkeit kontrollieren und ein gesundes Wachstum gewährleisten. Der Energiebedarf kann je nach Hund individuell sehr verschieden sein, er wird z.B. von der Rasse, dem Temperament, der Haarlänge und den Haltungsbedingungen beeinflusst. Die Berechnung des Energiebedarfs liefert einen fundierten Orientierungspunkt für die notwendige Futtermenge. Durch Wiegen des Hundes (einmal pro Woche) und Vergleichen des aktuellen Gewichts mit einer auf das zu erwartende Endgewicht bezogenen Wachstumskurve kann dann überprüft werden, ob die berechnete Futtermenge passt (Empfehlungen der Anbieter sind als Richtlinie zu werten, die individuell angepasst werden müssen). Bei Abweichungen von der Wachstumskurve ist die Futtermenge um zehn Prozent nach oben oder unten anzupassen. Die Überversorgung mit Energie ist der häufigste Fütterungsfehler! Dabei zählen auch Belohnungs-Leckerlis in der Gesamt-Energie-Menge mit.

Fütterungsfehler wirken sich in der Wachstumsphase besonders gravierend aus. Hohe Proteinmengen können im Wachstum problemlos vertragen werden, Wachstumsprobleme bereiten dahingegen zu hohe Energiemengen, daher sollte restriktiv gefüttert werden. Welpen und Junghunde sollten im 1. Lebensjahr wöchentlich gewogen und ihre Futterration mindestens alle 2 Monate überprüft werden. Gerade bei Hunden großer Rassen sollte eine Wachstumskurve anhand der von den Elterntieren verfügbaren Daten erstellt und kontrolliert werden."

Dr. Franziska Conrad, Tierärztin

Protein und Wachstum

Für den Aufbau von Körpermasse, insbesondere der Muskulatur, benötigen Junghunde relativ hohe Mengen an hochwertigem Protein. Hochwertig bedeutet hochverdaulich (möglichst wenig unverdaute „Proteinreste“ im Dickdarm) und von hoher biologischer Wertigkeit, d.h. mit allen essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge und im richtigen Verhältnis. Ein Trockenfutter für wachsende Hunde sollte bei einer Energiedichte von ca. 400 kcal/100 g mindestens 20–25% Protein enthalten, um den Bedarf sicher zu decken. In der Praxis enthalten die meisten Welpennahrungen deutlich mehr Protein. Dies hat keine nachteiligen Effekte auf die Entwicklung oder Gesundheit des Junghundes, so lange die Ration ansonsten ausgewogen ist und die Eiweißqualität stimmt. Zum direkten Vergleich von Futtermitteln ist der Proteingehalt in der Trockensubstanz ausschlaggebend. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass  hohe Proteinmengen zu schnellem, ungesunden Wachstum führen, das ist nicht der Fall. Ursächlich sind solche Wachstums-“fehler“ in einem zu hohen Energiegehalt der Nahrung zu finden, welcher unbedingt vermieden werden sollte.

Kalzium, Phosphor und Wachstum

Es ist allgemein bekannt,  dass Kalzium und Phosphor wichtige Bestandteile der Fütterung im Wachstum sind, doch über die erforderlichen Mengen herrscht vielfach Unklarheit. Häufig führt das zu einer übermäßigen Versorgung mit Kalzium (z.B. in Form von sogenanntem „Welpenkalk“), die das Knochenwachstum und die Entwicklung der Gelenke empfindlich stören kann. Kalzium (Ca)  und Phosphor (P) geben dem Knochen seine Stabilität: Erst durch die Einlagerung dieser Mineralstoffe in das organische Gerüst des Knochens wird dieser belastbar. Ein schlecht mineralisierter Knochen verbiegt sich unter den auf ihn einwirkenden Kräften oder er bricht leicht. Beides – Fehlstellungen infolge Knochendeformation und höhere Frakturneigung – können die Folge einer Kalzium-Unterversorgung sein. Diese kommt typischerweise bei selbstgekochten Futterrationen auf der Basis von Fleisch und einer Kohlenhydratquelle (Kartoffeln, Reis etc.) vor, wenn kein passendes kalziumreiches Mineralfutter ergänzt wird. Welpen benötigen pro Kilogramm Körpergewicht ein Vielfaches des Kalziumbedarfs eines ausgewachsenen Hundes: während ein adulter Hund mit 80 mg Ca pro kg Körpergewicht ausreichend versorgt ist, benötigt ein großwüchsiger Welpe in der intensiven Wachstumsphase 500-600 mg Ca pro kg Körpergewicht! Zudem müssen Kalzium und Phosphor im Futter für Junghunde im richtigen Verhältnis vorliegen (Ca:P wie 1,2–1,5:1), damit die Verwertung beider Mengenelemente optimal ist. Fehlversorgungen mit Kalzium (Mangel oder Überschuss) scheinen sich immer dann besonders gravierend auszuwirken, wenn das Ca:P-Verhältnis außerhalb der empfohlenen Spanne liegt.

Rationsprüfung für wachsende Hunde

Für eine sachlich fundierte Überprüfung und Beurteilung der Fütterung beim jungen Hund sollten diese Punkte Beachtung finden:

1. Alter, Gewicht und Rasse des Hundes erfassen.
2. Passende Wachstumskurve erstellen (lassen).
3. Energiebedarf berechnen (lassen).
4. Futterart und Tagesfuttermenge festlegen.
5. Protein-, Kalzium- und Phosphorversorgung überprüfen (vor allem bei selbst zubereitetem Futter!).
6. Hund wöchentlich wiegen und Ergebnis in die Wachstumskurve eintragen.
7. Futterration alle 2 Monate überprüfen und anpassen

Eine professionelle Rationsüberprüfung kann an den tiermedizinischen Hochschulen oder bei spezialisierten Tierärzten durchgeführt werden (z.B. www.futtermedicus.de).

Den ausführlichen Vortrag zu diesem Thema hält Dr. Franziska Conrad am 29.9.2018 auf der 4. Labogen-Züchtertagung in Bad Bocklet.