Dr. Gereon Viefhues: Eine Ära endet!
Im Maritim-Hotel direkt am Düsseldorfer Airport treffe ich Dr. Gereon Viefhues zwischen den Jahren kurz vor dem Weihnachtsfest. Zwischen einem Vater-Sohn-Skiurlaub, einem fachlichen Austausch mit einem Anästhesiologen aus der Schweiz und der Besorgung der letzten fehlenden Weihnachtsgeschenke, schenkt mir der Tierarzt eine Stunde, um ihn zu seinen zukünftigen Plänen befragen zu können. Schließlich sind seine Tage als Geschäftsführer des AniCura Spezialistenzentrum Ahlen gezählt, er wird dann noch einige Stunden im OP stehen und darüber hinaus beratend tätig sein.
Vor dem Treffen fiel mir als aufmerksamer Nutzer der sozialen Medien
auf, dass der Tierarzt sich häufiger als sonst zu Neuerungen in der
Tiermedizin äußerte. So lobte er Chris Waldner, den CEO von VetStage,
wegen dessen Digitalisierungsbemühungen um die ATF-Punkte in der Tierärzteschaft. Deutlich ausführlicher nennt Viefhues in einem Posting "6 Gründe für die Einführung einer Videosprechstunde in der Tierarztpraxis" und bietet allen Interessierten an, sich bei Fragen bei ihm zu melden. Und als er schließlich gleich 9 Punkte
aufführte, die Tierärzt:innen helfen, die
Praxiseffizienz zu steigern und sich Freiräume zu schaffen, konnte man sichergehen, dass der Mann seine freiwerdende Zeit anders nutzen würde.
Viefhues hat in den letzten
Wochen und Monaten sein Arbeitsleben Revue passieren lassen und würde,
wenn er noch einmal wählen könnte, wieder Tierarzt werden. "Weil ich
denke, dass wir einen unglaublich spannenden, vielfältigen Beruf haben,
in dem wir sehr viel bewegen können", erklärt er mit einem zufriedenen,
breiten Lächeln. Er hatte es seit seiner ersten Anstellung in einer
Pferdepraxis geliebt, einen weißen Kittel zu tragen und mit Leidenschaft
viele, viele Stunden zu arbeiten. Anders als es heute gemacht wird,
wurde er direkt ins kalte Praxiswasser geworfen, kümmerte sich zunächst
um die stationären Patienten, musste sich dann schon bald in der
Fahrpraxis behaupten und hatte alle Möglichkeiten, erste berufliche
Erfolge zu feiern, aber auch Fehler zu machen und daraus zu lernen. "Für
mich ist Arbeit immer normal, bzw. ein wichtiger Teil meines Lebens,
die Work-Life-Balance habe ich nicht wirklich gespürt", erzählt der
Tierarzt zurückblickend.
Gute Tiermedizin
Der Mann, der eigentlich immer nur gute Tiermedizin machen wollte, hat in den knapp 30 Jahren seiner Selbstständigkeit seine Kleintierpraxis zu einer der größten Überweisungskliniken in Deutschland entwickelt, die er schließlich im Januar 2020 an die AniCura-Gruppe verkauft hat. Sein ehemaliges Unternehmen, das im vergangenen Jahr den Klinikstatus aufgegeben hat und jetzt als Spezialistenzentrum werktäglich 14 Stunden geöffnet hat, jedoch an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht keinen Notdienst mehr anbietet, hatte er bis Ende 2022 als Geschäftsführer geleitet. Für seine Mitarbeitenden wollte er stets ein Vorbild sein, einer der vorangeht, Probleme anpackt und "einfach das tut, was zu tun ist"! Im Laufe der Zeit und des stetig wachsenden Teams musste er jedoch erst lernen, Verantwortung an seine Mitarbeitenden abzugeben. Dabei war es ihm wichtig, dass seine Angestellten Mut zum Risiko einbrachten und sowohl Erfolge als auch Misserfolge einkalkulierten.
Hinterlassen habe ich in Ahlen ein 130 Personen zählendes, sehr gut motiviertes Team an tierärztlichen Mitarbeitenden und Tiermedizischen Fachangestellten, das nun die Arbeit im AniCura Spezialistenzentrum unter Leitung von Dr. Stefanie Neumann weiterführen wird."
Je besser die Kommunikation, desto einfacher das Miteinander
Relativ früh schon hat
sich der Praxisbetreiber die Dienste verschiedener unabhängiger Berater
gesichert, die ihm Input gegeben, ihn immer wieder geerdet, von
verschiedensten Positionen runtergeholt und vor allem die unangenehmen
Sachen angesprochen haben. "Anfänglich hatte ich noch größere
Schwierigkeiten in der Kommunikation", erklärt Viefhues, dessen relativ
steife Art, einer Mischung aus den etwas zurückhaltenden westfälischen
Anteilen und einer offenen rheinischen Art, bei den Kolleg:innen in der
Umgebung nicht gut ankam. "Schnell habe ich aber gelernt, dass mit
verbesserter Kommunikation das Miteinander deutlich einfacher wurde."
Viefhues verstand, dass diesbezüglich alles perfekt laufen musste,
wenn man als Überweisungsklinik erfolgreich arbeiten wollte. Und so
setzte er einen
seiner Schwerpunkte auf eine kollegiale Zusammenarbeit mit den
überweisenden
Haustierärzt:innen.
"Wir
waren immer eine Ausbildungsklinik, die junge Tierärzt:innen an die
Veterinärmedizin herangeführt und diese sich dann in den
unterschiedlichen Sparten entwickeln zu lassen", so der Tierarzt, der
stolz darauf ist, in Ahlen viele verschiedene Spezialist:innen
ausgebildet zu haben. "Als Klinikchef muss man eben auch das
Zutrauen haben, andere Leute aufzubauen und ihnen die Möglichkeit zu
geben, sich zu entwickeln." Seine
langjährige Mitarbeiterin, Dr. Stefanie Neumann, die nun die
Geschäftsleitung des Spezialistenzentrums übernommen hat, nennt ihren
Ex-Chef einen Visionär, der vieles, was heute modern sei, schon vor
zehn, zwölf Jahren begonnen und umgesetzt habe. "Im Laufe
meines Arbeitslebens habe ich gemerkt, dass ein gewisses wirtschaftliches Handeln im
Sinne des Patienten wichtig ist, da nur mit einer ordentlichen
wirtschaftlichen Basis Innovationen vorangetrieben werden können", so Viefhues. Hinterlassen hat er ein 130
Personen zählendes, sehr gut
motiviertes Team an tierärztlichen Mitarbeitenden und Tiermedizinischen
Fachangestellten, das nun seine Arbeit in Ahlen weiterführen wird.
Was bringt die Zukunft?
Gereon Viefhues hat in
Zukunft sicherlich viel mehr Zeit, die er jedoch nicht im heimischen
Schaukelstuhl verbringen möchte. Er wird die Erfahrungen, die er in
seiner langen, erfolgreichen
Karriere gemacht hat, an junge Kolleg:innen weitergeben. "Ich bin
sicher, dass ich Tierärzt:innen, die eine Praxis gegründet oder
übernommen haben, als Sparringspartner dienen und mit den jungen
Kolleg:innen eine Struktur
erarbeiten kann", erklärt der erfahrene Tierarztunternehmer, der
natürlich auch Kolleg:innen beim Praxisverkauf mit Rat und Tat zur Seite
stehen kann. Darüber
hinaus investiert Viefhues in Form eines Business Angel in verschiedene
Projekte der Tiermedizin. "Es ist total spannend, in ganz neue Welten
einzutauchen."
Spaß macht dem Tierarzt auch die Arbeit des Dessauer Zukunftskreises, bei dem ganz verschiedene Menschen zusammenkommen, um Tiermedizin neu, bzw. weiter zu denken. "Das ist jedes Mal ein unglaublich spannender Austausch auf Augenhöhe", erklärt Viefhues nicht ohne auf den 16. Februar 2023 hinzuweisen, wenn der DZK mit der FuturaVet 2023 eine Onlinefortbildung zum Leitthema Mensch-Tier-Beziehung organisiert. Bei diesem zukunftsweisenden Fortbildungsformat geht es um das Wohl der Tiermedizin und ihr Standing in der Gesellschaft.
Der Ruhestand, da bin ich mir sehr
sicher, kommt für Gereon Viefhues noch lange nicht in Frage. Ich würde
mich freuen, wenn er sich in viele neue Welten einarbeitet und an dieser
Stelle darüber berichten wird.