Steriler Granulom-Pyogranulom-Komplex beim Hund - eine seltene Hauterkrankung

„Klärchen“, eine neun Jahre alte kastrierte Parson-Jack-Russel-Terrier-Hündin, wurde mir in die Hautsprechstunde überwiesen und zur dermatologischen Abklärung vorgestellt. Sie litt seit vier Monaten an hochgradigen, stark juckenden, entzündlichen Veränderungen im Gesicht. Trotz der Verabreichung von verschiedenen Antibiotika durch den Haustierarzt hatten sich die Veränderungen ausgebreitet und verschlimmert.

„Klärchen“ war sonst munter und bei gutem Allgemeinbefinden. Sie lebte in einer Familie zusammen mit zwei anderen Hunden. Diese waren gesund und zeigten keinerlei Symptome. „Klärchen“ wurde mit kommerziellem Futter unterschiedlichster Sorten ernährt, sie war entwurmt und gegen Ektoparasiten (Flöhe und Zecken) behandelt, Sie stammte aus Deutschland und hatte sich noch nie im Ausland aufgehalten.

Die spezielle dermatologische Untersuchung zeigte einen Pigmentverlust, Krusten, geschwürige Veränderungen und teilweise sogar blasige Aufwerfungen der Haut. An den veränderten Arealen waren bis auf einige Sinushaare fast sämtliche Haare ausgegangen, und die Haut nässte und blutete sofort bei Berührung (Abb. 1&2)

Auffallend war, dass die Hautveränderungen auf den Kopf beschränkt waren. Sie breiteten sich symmetrisch vom Nasenrücken über die Oberlippen bis zu den Unterlippen und dem Kinn aus. Auch in den inneren Augenwinkeln waren geringe Krustenbildungen und Entzündungrn zu sehen. Bei der genaueren Untersuchung fielen auch fleckige Rötungen in der Mundhöhle (Abb. 3) und vergrößerte Lymphknoten im Kehlgangs auf. Außerdem hatte „Klärchen“ sehr schlechte Zähne.

Zunächst wurde ein Abstrich der Haut angefertigt und unter dem Mikroskop betrachtet. Hier kann man direkt vor Ort erste wichtige Informationen erhalten. Welche Zellen befinden sich auf der Haut, gibt es Erregerstrukturen (Bakterien, Pilze, Hefen), kann man Parasiten (z.B. Milben) nachweisen? Ist die Entzündung chronisch oder akut? Bei „Klärchen“ waren viele Entzündungszellen (neutrophile Granulozyten, Lymphozyten) und Zellen der Immunabwehr (Makrophagen) zu sehen. Milben und Pilzstrukturen konnten nicht nachgewiesen werden, Bakterien lagen nur in geringer Menge vor.

Differentialdiagnostisch kamen infektiöse Ursachen (Pilze, Bakterien), Parasiten (z.B. Leishmanien, das sind Erreger, die vor allem im südlichen Ausland durch spezielle Schmetterlingsmücken übertragen werden), Fremdkörperreaktionen, immunvermittelte Erkrankungen, aber auch Hauttumore in Frage. Da die Veränderungen hochgradig und chronisch waren und es in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters von „Klärchen“ sehr wichtig war, einen Tumor der Haut (Lymphom) auszuschließen, wurde eine Hautbiopsie durchgeführt. Hierbei werden unter Allgemeinanästhesie mehrere Proben aus den befallenen Areale gestanzt und diese an ein Speziallabor zur patho-histologischen Untersuchung gegeben. Das Labor fertigt aus den fixierten Hautstücken mehre Schnitte an  und führt Spezialfärbungen durch. 

Diagnose: Steriles Granulom-Pyogranulom

So konnte sehr schnell die Diagnose „Steriles Granulom-Pyogranulom“ gestellt werden, und glücklicherweise gab es keine Hinweise auf ein Tumorgeschehen. Außerdem konnten weder Bakterien noch Pilze nachgewiesen werden.
Das „sterile Granulom-Pyogranulom“ ist eine selten vorkommende Hauterkrankung des Hundes. Es gibt bestimmte Rassen, wie z.B. Dogge, Boxer, Retriever, Collie, Weimaraner, engl. Bulldogge und Dackel, die öfter betroffen sind. Es können Tiere jeden Alters und unabhängig vom Geschlecht erkranken.

Der Name „steril“ besagt, dass keine Erreger wie z.B. Bakterien oder Pilze als primäre Ursache nachgewiesen werden können.  Die Ursache ist nicht vollständig geklärt, es wird jedoch vermutet, dass eine Entgleisung des Immunsystems im Sinne einer „übermotivierten“ Antwort des Immunsystems auf einen Auslöser die Ursache für diese Erkrankung ist. Häufig gelingt es nicht, den Auslöser zu identifizieren. Daher besteht die Therapie darin, die übermäßige Immunantwort des Körpers zu reduzieren und zu regulieren.
Hierfür stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, wie z.B. Kortisonpräparate, Zyklosporin oder eine Kombinationstherapie mit Doxycyklin und Niacinamid.

Fünf Wochen Therapie

„Klärchen“ erhielt zunächst ein Kortisonpräparat (Prednisolon) zur Einnahme, welches alleine leider nicht den gewünschten Erfolg brachte. Daher wurde  zusätzlich Zyklosporin  verabreicht. Damit konnten die Veränderungen schnell unter Kontrolle und zur Abheilung gebracht werden. Zwei Wochen später waren die Krusten größtenteils abgefallen, die Haut nicht mehr entzündet. „Klärchen“ hatte kaum mehr Juckreiz, es gab bereits spärliches Haarwachstum und die Haut begann, sich wieder zu pigmentieren (Abb. 4). Die Mundhöhle wies keinerlei Veränderungen mehr auf.

Nach fünf Wochen Therapie sah „Klärchen“ wieder ganz „passabel“ aus: die Entzündungen waren alle abgeheilt, die Haare nachgewachsen, und es gab nur noch wenige pigmentlose Stellen an der Oberlippe und am Kinn (Abb. 5). Die Medikamente wurden langsam ausgeschlichen und dann vollständig abgesetzt.

Ein Teil der Tiere bleibt nach dem Absetzen der Medikamente symptomlos und gesund, ein anderer Teil wird rückfällig und benötigt dauerhaft oder zeitweise Medikamente.