Blutdruckmessung bei der Katze - „Hands-on“ Training fürs gesamte Praxisteam

... wenn wir verstehen, was uns hindert, können wir es besser machen!

Im Jahr 2000 starteten in der Veterinärmedizin die ersten Bestrebungen, Guidelines zu Messung, Bewertung und dem Management der systemischen Hypertension bei Hund und Katze zu erarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein Jahrzehnt zum Thema geforscht und publiziert worden. 2007 wurde dann das erste Consensus Statement der ACVIM veröffentlicht. Inzwischen wurde dieses bereits einmal grundlegend überarbeitet und praxisnahe Guidelines für die Katze wurden 2017 von der International Society of Feline Medicine (ISFM) veröffentlicht. Wie sieht es gut 20 Jahre später ganz praktisch mit der Blutdruckmessung bei der Katze aus? Warum messen wir? Was hindert uns? Wie können wir es besser machen?

Warum wollen wir messen?

Bluthochdruck ist eine häufige Erkrankung bei älteren Katzen, die regelmäßig in Verbindung mit anderen chronischen Erkrankungen der Katze wie CNE, Hyperthyreose, Kardiomyopathien aber auch z.B. Diabetes mellitus diagnostiziert wird. Auch Fälle von primärer Hypertension sind beschrieben. Die Blutdruckmessung gilt als wesentlicher Bestandteil der körperlichen Untersuchung, insbesondere bei Katzen, die älter als 10 Jahre sind, da das Risiko für Hypertonie mit zunehmendem Alter steigt. Die klinischen Folgen des Bluthochdrucks können schwerwiegend und teils lebensbedrohlich sein und zu Schäden an den sog. „Zielorganen“ (Auge, Herz und Blutgefäße, Gehirn und Nieren) führen. Dazu gehören hypertensive Chorioretinopathie (äußert sich in Form von Blindheit/visuellen Defiziten), linksventrikuläre Hypertrophie (mit Herzgeräuschen, Herzrhythmusstörungen, Galoppgeräuschen), fortschreitende Nierenschädigung (manifestiert sich als Proteinurie und Verschlechterung, bzw. Erhöhung des Serumkreatinins) sowie Enzephalopathie (mit neurologischen und/oder verhaltensbezogenen Symptomen). Das dies sind Erkrankungen, die wir sowohl in der Notfallsituation als auch in der Vorsorgearbeit regelmäßig bei unseren Katzenpatienten beobachten.

Eine frühzeitige Diagnose, gefolgt von einer angemessenen therapeutischen Intervention, sollte dazu beitragen, die mit dieser Erkrankung verbundene Morbidität zu verringern und die Lebensqualität der älteren Katzenpatienten zu managen. So weit, so bekannt. Nach mehr als 20 Jahren Beschäftigung mit dem Thema ist doch die Blutdruckmessung routinemäßig in der Praxis etabliert, oder nicht? Obwohl es sich um eine häufige Erkrankung handelt, wird eine routinemäßige Blutdrucküberwachung immer noch relativ selten durchgeführt, was in der Folge zu einer Unterdiagnose der felinen Hypertonie in der klinischen Praxis führen kann.

Interessante Einblicke in den aktuellen Stand zeigt eine aktuelle Befragung von mehr als 500 Veterinary professionals (Caney et al, 2023; JFMS). Ziel der Studie war es, die derzeitigen Praktiken, einschließlich Ausrüstung und Protokollen, sowie mögliche Barrieren für die Blutdruckmessung zu eruieren. Dabei wurde beleuchtet, ob Hinderungsgründe im Zusammenhang mit Faktoren wie Equipment, Zeit, Raum, der Katze oder den Besitzer:innen stehen oder sich noch weitere Einflussfaktoren aufzeigen lassen. Angesprochen wurden über 2000 Kleintierpraxen und -kliniken innerhalb und außerhalb Englands. Zum größten Teil waren Haustierärzt:innen vertreten, zusätzlich einige spzialisierte Kolleg:innen.

Warum wird nicht gemessen? Welche Barrieren gibt es?

An der Verfügbarkeit eines Messgerätes kann es in erster Instanz natürlich bereits scheitern. Hier hatten in der Studie jedoch 97,3 % der Befragten Zugang zu einem Blutdruckmessgerät. Von den Teilnehmer:innen, die über ein Gerät verfügten, nutzten die meisten (88,4 %) einen Doppler-Monitor, 59 % Multiparametermonitore, wie sie in der Narkoseüberwachung eingesetzt werden und knapp ein Drittel (32,5 %) oszillometrische Blutdruckmessgeräte. Wenn vorhanden wurden Dopplermonitore am häufigsten für Messungen an wachen Katze gewählt (72,2 %). Im Vergleich zu oszillometrischen Geräten wurde ihnen ein größeres "Vertrauen" und eine höhere "Zuverlässigkeit" zugesprochen. Zur Messung am wachen Patienten waren in der Regel zwei Mitarbeiter:innen beteiligt (62,9 %). Zu den häufigsten gerätebedingten Hindernissen gehörten Probleme im Umgang mit den Blutdruckmanschetten, Schwierigkeiten beim Hören des Pulssignals bei Doppler-Benutzer:innen (72 %) sowie oszillometrische Geräte, die keinen Messwert lieferten (52,8 %). Die Sorge um das Auftreten der situativen Hypertension und Zeitmangel waren ebenfalls für viele Befragte ein Problem. Auch Barrieren für Besitzer: innen wurden erfragt: schwierig sei es einerseits, sie davon zu überzeugen, die Katze überhaupt zur Blutdruckkontrolle in die Praxis zu bringen (86,2 %). Andererseits wurden Bedenken aufgrund der Kosten geäußert (80,8 %).

Die AG Katzenmedizin dankt an dieser Stelle ausdrücklich allen Praxen und Teams, die uns bisher ihr Vertrauen und ihre Energie zur Umsetzung der Workshops geschenkt haben. Ebenso möchten wir auch herzlich dem Team von Ceva Tiergesundheit danken, dass die Bemühungen unserer Gruppe rund um die Blutdruckmessung durch die langjährige und aktive Begleitung der Workshops unterstützt."

Yvonne Lambach

Wieviel wird gemessen?

Nur rund 30 % der Teilnehmenden an der Befragung empfahlen die Blutdruckmessung mehrmals pro Woche. Routinemäßig wurden diese vor allem bei Katzen mit okulären Endorganschäden (87,7 %), chronischen Nierenerkrankungen (78,6 %), Proteinurie (63 %) und Hyperthyreose (60,9 %) empfohlen - deutlich seltener z.B. zur präoperativen Untersuchung.

Wie können bestehende Barrieren abgebaut werden?

Eigentlich geht es nur mit dem Credo: „Messen, messen, messen!“ Der Schritt von der Theorie in die Praxis ist für das Team in der Tierarztpraxis oft mit Unsicherheit verbunden:

  • Welches Gerät ist das Beste?
  • Wende ich die Technik korrekt an?
  • Welche Fehler könnten passieren?
  • Kann ich meiner Messung vertrauen?
  • Macht die Katze da überhaupt mit?
  • Und für die Fortgeschrittenen stellen sich oft Fragen nach der Verlässlichkeit der Messung mit den mannigfaltigen Einflüssen, die in der Praxis nicht ausbleiben.

Hands-on Training fürs gesamte Praxisteam

Die Arbeitsgruppe Katzenmedizin der DGK-DVG z.B. bietet in regelmäßigen Abständen Praxis-Workshops mit Hands-on Training für das gesamte Praxisteam, TFAs und Tierärzt:innen, an. In diesen Workshops wird alles rund um die Blutdruckmessung ausprobiert und diskutiert. Wie kann solch ein Workshop (Intensivseminar mit praktischen Übungen) helfen, diese vielen Barrieren zu überwinden?

  • Verbesserung der Fachkompetenz: Sie bieten Tierärzt:innen und tiermedizinischem Fachpersonal die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zum Thema Blutdruckmessung zu verbessern und sich mit den neuesten Techniken und Geräten in entspannter Atmosphäre vertraut zu machen.
    Praktische Übungen im Team mit den Geräten, die auch in der Praxis genutzt werden, ermöglichen nachhaltiges Lernen. Ohne Zeitdruck und mit der Möglichkeit, alle offenen Fragen zu stellen, die bisher noch nicht beantwortet wurden.
  • Aufbau von Vertrauen: Durch praktische Erfahrung können die Teilnehmenden mehr Vertrauen in ihre Fähigkeit bzgl. der korrekten Blutdruckmessung gewinnen.

Die Übungen bieten auch die Möglichkeit herauszufinden: Wer im Team kann was gut? Was klappt noch nicht so gut? Wie können wir uns gegenseitig gut unterstützen?

  • Netzwerkbildung: Workshops bieten eine Plattform für den Austausch von Wissen und Erfahrungen im Team und mit Expert:innen, was zu einer besseren Zusammenarbeit und einem verbesserten Verständnis führen kann.
  • Aktualisierung des Wissens: Sie ermöglichen es den Teilnehmenden, auf dem neuesten Stand der Forschung zu bleiben und sich über aktuelle Entwicklungen zum Thema Feline Hypertension zu informieren.
  • Förderung der Präventivmedizin: Sie betonen die Bedeutung der Blutdruckmessung als Teil der präventiven Gesundheitsversorgung für Katzen. Dies kann dazu beitragen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und entsprechend behandeln zu können. Auch für die Planung und Umsetzung von Routineterminen inkl. Blutdruckmessung werden Tipps und Tricks ausgetauscht.

Workshops helfen nachhaltig, die in der Studie identifizierten Barrieren zu überwinden. Darüber hinaus kann erlernt werden, wie z.B. effektiv ohne fremde Hilfe der Blutdruck gemessen werden kann und wie Besitzer:innen für die Wichtigkeit der Blutdrucküberwachung sensibilisiert werden können. Viele ganz praktische Aspekte werden beleuchtet und Erfahrungen mit unterschiedlichen Herangehensweisen werden ausgetauscht. Durch die Organisation solcher Workshops können Praxis- und Klinikteams die Qualität der Versorgung verbessern und letztendlich das Wohlbefinden der Katzenpatienten fördern.

Und wenn sie jetzt denken: „Naja, wir arbeiten ja täglich alle miteinander, was sollten wir da noch voneinander lernen oder welche neuen Talente sollen wir da noch entdecken?“ Dann lassen sie sich positiv überraschen, wie das gemeinsame Lernen und Entdecken auch Ihr Team motivieren und weiterbringen kann. Bei Interesse an der Durchführung eines Workshops in ihrer Praxis, kontaktieren Sie gerne die AG Katzenmedizin per email: katzenmedizin@dvg.de.