Exit-Strategien

In der Szene kennt man Angelika Drensler. Als Vorsitzende der AG Kleintiermedizin (DKG-DVG) organisiert sie mit ihrem Team einmal im Jahr einen Fachkongress, um der Katzenmedizin in Deutschland eine fachliche Bühne zu schaffen. Sie schreibt Bücher und Fachartikel, ist gern gesehene Referentin und leitet „ganz nebenbei“ seit 32 Jahren eine renommierte Kleintierpraxis in Elmshorn. Für den Beitrag „Katzen sind keine kleinen Hunde“ habe ich sie einen halben Tag in ihrer Praxis begleiten dürfen. Seit 15 Monaten ist sie Mitglied in der Evidensia-Gruppe und berichtet, was sich alles verändert hat.

Sie gehören zum Netzwerk „IVC Evidensia“ - warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?

Ich bin in einem Alter, in dem man sich schon mal über Exit-Strategien Gedanken macht. Durch die Entwicklung unseres Berufes zu einem von Frauen dominierten Arbeitsfeld ist es schwieriger geworden, Nachfolger:innen für eine Praxis zu finden. In etlichen Gesprächen habe ich den Eindruck gewonnen, dass viele junge Frauen heute mobil und ungebunden bleiben wollen. Außerdem scheinen sie sowohl das Arbeitspensum als auch das finanzielle Risiko einer Selbstständigkeit zu scheuen. Ich habe in meiner Praxis ein tolles Team. Die meisten sind jünger als ich und ich nehme meine Verantwortung für sie und den Fortbestand der Praxis sehr ernst. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, in die Evidensia-Gruppe einzusteigen. In Zukunft suche ich nicht mehr eine zahlungskräftige Nachfolger:in, sondern eine Geschäftsführer:in. Das stelle ich mir sehr viel leichter vor.

Was sind die Vorteile, im Netzwerk zu arbeiten?

Informationen werden geteilt. Themen wie zum Beispiel der Datenschutz, die Zeiterfassung, das neue TAMG und andere Gesetzesänderungen, die aktuell auf alle Tierärzte:innen Druck ausüben, können zentral bearbeitet werden. Von den Ergebnissen profitieren alle. So muss nicht jeder das Rad neu erfinden.

Welche Veränderungen ergeben sich dadurch im Praxisalltag?

Im Praxisalltag hat sich für Tierärzt:innen und TFA bei uns rein gar nichts geändert. Mein Schwerpunkt lag immer in der praktischen tierärztlichen Tätigkeit. Die Managementaufgaben hatte schon vorher meine Frau übernommen. Für sie gibt es kleine Änderungen. So liegen die Buchhaltung und die Lohnbuchhaltung bei externen Firmen, welche davon deutlich mehr verstehen als wir Tierärzt:innen. Den Medikamenteneinkauf erledigt sie weiterhin unabhängig von Evidensia. Entgegen böser Gerüchte, dürfen wir alle Medikamente kaufen und nutzen, die wir wollen (im Rahmen des TAMG natürlich). Genauso, wie früher ich persönlich gute Konditionen für die Lieferung mancher Artikel ausgehandelt habe, tut das nun Evidensia. Und wir profitieren davon.

Was hat sich bzgl. der Personalstruktur geändert?

Auch die Personalstruktur hat sich durch unseren Eintritt in das Netzwerk nicht geändert, und hier kommt ein kleines "leider“. Ich hatte mir vorgestellt, dass es durch die Vernetzung mit vielen anderen Praxen leichter sein könnte, Arbeitnehmer:innen zu finden. Doch in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels kann auch Evidensia keine Tierärzt:innen herzaubern. Ich habe in den vergangenen 15 Monaten einiges über Budgetplanung, Personalplanung und Kennzahlen gelernt und gehe jetzt strategischer mit der Personalstruktur um - nicht mehr so aus dem Bauch heraus. Trotzdem fehlen uns wie in den meisten Praxen ständig tierärztliche Mitarbeiter:innen.

Hat sich denn nun Ihr Arbeitsschwerpunkt verändert?

Nein, gar nicht. Seit 32 Jahren leite ich Tierarztpraxen als wirtschaftlich gesunde Unternehmen. Dabei bin ich Unternehmerin, Arbeitgeberin, Ausbilderin und Tierärztin. Mein Arbeitsschwerpunkt lag schon immer dort, wo mein Herz die Motivation, diesen Beruf zu ergreifen, gefunden hat. Es war mein dringendster Wunsch, Leiden zu mindern und das Tierwohl zu verbessern. Sei es im Großen, was mich zu meinem Engagement für die Katzenmedizin brachte, oder im täglichen Leben bei der Arbeit mit jedem einzelnen Patienten, der zu mir gebracht wird. An der Art und Weise, wie ich diesen Wunsch tagtäglich in die Tat umsetze, hat sich nichts geändert.

Was könnte besser laufen?

Ich war sehr traurig über die diffamierende Presse (Tageszeitungen, Fernsehberichte) gegen die "Praxisketten" hier in Norddeutschland. Ohne Rücksprache mit den Betroffenen und ohne sich mit Hintergrundwissen zu versorgen, haben einige Kolleg:innen einen Shitstorm gegen uns ins Leben gerufen, der auch bei unseren Kund*Innen ankam. Deshalb bin ich besonders froh, dass Sie mich zu diesem Interview eingeladen haben. Vielen Dank.

Auch ich bedanke mich sehr für diesen Austausch und freue mich, wenn wir diesen regelmäßig führen würden.