Winzer Christian Nett - "Vadder and son"

Portrait Kathrin Rindfleisch
von Kathrin Rindfleisch – 21.09.2015

Ein Jagdhund, zwei Generationen, ein Weinberg und eine Liebeserklärung – das ist die Hunderunde mit den Winzern Bernhard und Christian Nett aus Duttweiler in der Pfalz. Und sie startet auch so, wie man es erwartet, wenn man in einem Familienbetrieb mit Vater und Sohn verabredet ist: „Wo ist der Vadder denn jetzt wieder?“

Der „Vadder“ kommt aus der Halle, immer in seiner Nähe Deutsch Drathaar Orla, und gemeinsam mit Sohn Christian geht es in die Weinberge. Dazu fahren wir vom Weingut in Duttweiler aus auf den ca. 2 Kilometer entfernten Venninger Doktor. Und mitten im Hang, zwischen den Reben, müssen die beiden Männer gar nichts erzählen. Nichts von dem Weinanbau in den 70ern und der Art, heute Wein zu machen. Nichts von Masse statt Klasse und von „weniger ist mehr“. Und auch nichts von dem Kampf, Gelerntes einerseits zu überdenken und auf der anderen Seite zu respektieren. Der Senior bekommt einen Rüffel, dass zu viele Trauben an den Rebstöcken hängen und Sohn Christian muss sich die Sorge des Vaters anhören, der den nächsten Frost erwartet und lieber auf Nummer sicher geht.

Der junge Heißsporn muss nicht angesprochen werden, der springt durch den Weinberg. Und der vorsichtige Alte, der mit jeder nicht abgepflückten Traube am Ende zwar Wein macht, aber niemals in der Qualität, die der ehrgeizige Sohn erreichen will, er lässt ihn springen. Gemächlich bleibt er hinten dran und schüttelt den Kopf. Aus Unverständnis. Manchmal. Doch den weitaus größeren Teil der gemeinsamen Runde aus Respekt. „Wir haben noch kein so ein Genie dabei gehabt.“ sagt einer, der in der vierten Generation Wein anbaut, anerkennend über seinen Sohn. Christian habe das „Macher-Gen“ und – genauso wichtig – das richtige Gespür. „Der probiert einen Wein und weiß genau, wie der sich entwickelt.“ Und mit dieser glücklichen Kombination hat Christian Nett schon als junger Winzerlehrling gezeigt, dass er fähig ist zu Großem. Und nachdem die ersten Weine unter seiner Regie prämiert wurden, musste der Vater anerkennen, dass der Winzer der fünften Generation bereit ist für das Allerheiligste eines Winzerbetriebes: den Keller.

So übernimmt Christian Nett im Alter von 19 Jahren den Keller des Weingutes Bergdolt-Reif & Nett und stellt dort alte Traditionen auf den Kopf. Und das möchte er auch im Weinberg, doch stößt er dort immer wieder auf den Sprichwörtlichen, den Generationenkonflikt. Der Berg ist nämlich das Terrain von Vater Bernhard und der ist, wen wundert es bei dem Sohn, ein ganz schön sturer Knochen. Und so wird – allem gegenseitigen Respekt zum Trotz – gefeilscht, um jede Traube. Weil der Wein besser wird, je weniger Trauben sich das Gute darin teilen. Und weil es beim Sohn „leicht drunter“ nicht gibt. Und eben deshalb, weil Vater Bernhard groß geworden ist mit der Maxime „Je mehr Wein in Flaschen, desto besser“. Doch irgendwie bekommen sich die beiden immer wieder ein. Weil der Junge nun mal einfach guten Wein macht. Und weil der Alte ein besonders sensibles Gefühl für das Wetter hat, erzählt Bernhard Nett - während die elfjährige Orla Netts Großes Gewächs düngt - von den Nächten 2012 und 2014. In denen Frost prophezeit wurde, ein Frost, an den er nicht glaubte. Weil sein Gefühl für Natur und Biodynamik ihm etwas anderes sagte. Und das auch noch, als um Mitternacht das Thermometer an die Frostgrenze ging. Er erzählt, wie er da ungläubig belächelt wurde von den anderen Winzern. Und recht behielt. Der Frost blieb aus, in beiden Jahren. Und die Trauben blieben unbeschadet.

Ich liebe es, gemeinsam mit dem Senior im Weinberg zu arbeiten. Da, wo er ist, bin auch ich.

Orla

Deutsch Drahthaar, 11 Jahre

Junior Christian weiß das Gespür für Wetter und Natur zu schätzen, das sein Vater im Weinberg beweist. Und darum findet sich wohl auch genau hier die Schnittstelle, die Alt und Jung miteinander verbindet: das Projekt Windrad. Gemeinsam mit allen Winzern im Ort, haben sie einen Verband gegründet, der Vorbildcharakter hat in Deutschland. Windräder, die bei Frostgefahr die warme Luft nach unten drücken und so einen der schlimmsten Feinde guten Weines ausschaltet, den Frost. Die Idee war naheliegend, das Ergebnis ist überzeugend: seit dem die Windräder in Aktion sind, ist kaum mehr eine Traube erfroren. Und mit dieser Sicherheit in der Hinterhand hat Winzer Christian Nett gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: einen entspannteren Vater, der – seit das Risiko kalkulierbarer ist – besser auf Trauben verzichten kann und den Titel zum besten Jungwinzer 2015, weil mit weniger Trauben einfach der bessere Wein zu machen ist.
Und so verlangt Sohn Christian einiges ab von Vater Bernhard, zeigt mit seinen Erfolgen aber auch, dass sie gemeinsam auf dem richtigen Weg sind, wenn er seiner Überzeugung treu bleibt: „Wenn Du am Drücker bist, musst Du drücken. Ich glaube, das Wichtigste ist, zu machen.“ Sagt er. Und macht, dass er zurück kommt in seinen Keller, während Vadder Bernhard auf den Trecker seigt und noch einmal in seinen Weinberg fährt. Mit auf den Bock springt Orla. Na klar, denn da wo Vadder Bernhard ist, ist auch die treue Hündin. Und das ist gut so. Denn immer dann, wenn die Stimmung zwischen Vadder und Sohn unter 5 Grad Kellertemperatur fällt, dreht er mit ihr eine Runde. Und kommt wieder runter. Was gut ist für die Stimmung bei der Familie mit dem Namen, der verpflichtet, bei Familie Nett.

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