Inga Blanke - "Wattwanderung mit Hund"

Portrait Andreas Moll
von Andreas Moll – 26.09.2018

Inga Blanke wohnt mit ihrer Hovawart-Hündin "Bente" auf der Nordseeinsel Wangerooge. Die Biologin sagt, dass die das Wattenmeer liebt und hat sich diesen Lebensraum als Arbeitsplatz ausgesucht. Als zertifizierte Nationalpark–Führerin bietet ganzjährig Wattwanderungen durch das UNESCO-Weltnaturerbe an und leistet auf diesem Weg wertvolle Arbeit in der Umweltbildung.

Dünen- und Wattrunde auf Wangerooge

Inga Blanke und ich treffen und am alten Leuchtturm auf der Hauptstraße des Dorfes, der einen Steinwurf vom Inselbahnhof liegt. Natürlich ist die Wattführerin nicht allein - Bente, die einjährige Hovawart-Hündin, begleitet sie. Die Hunderasse ist tatsächlich nicht allzu bekannt. Man sagt, dass der Hovawart von seinem Besitzer klare Strukturen erwartet. Bente ist ein starker und selbstbewusster Hund. Als ursprünglicher „Hofwächter“ besitzt oft einen ausgeprägten Wachtrieb, der häufig in der Ausbildung zum Schutzhund genutzt wird. Wie alle Hunde dieser Rasse liebt auch Bente es, gestreichelt zu werden, allerdings braucht sie auch das derbe Rudelspiel.

Jedenfalls macht Bente bei der ersten Begegnung mit Pepples, der sechsjährigen Hundedame aus Köln, erst einmal klar, wer Chefin im Ring ist. Die erste Aufregung legt sich jedoch, nachdem die ersten einhundert Meter in aller Ruhe an der Leine absolviert sind. Am Ortsrand steht das Bielefelder Haus, das in den Dünen gelegene Schullandheim, in dem schon etliche Schulklassen während ihrer Inselaufenthaltes gewohnt haben. Von dort ist es ein Katzensprung bis zu einem von Ingas Lieblingsplätzen: die Aussichtsplattform in den Dünen ist mit 17 Meter über dem Meeresspiegel der höchste natürliche Punkt der Insel. Von hier hat man einen ausgezeichneten Blick über das Dorf, kann über die Dünen bis zum Watt blicken, den Westturm in der einen und den alten Leuchtturm in der anderen Richtung sehen. "Beim Blick auf das Meer kann ich ganz wunderbar die Seele baumeln lassen", sagt die Hundefreundin. Die beiden Vierbeiner kommen auf ihre Kosten, als sie am Strand herumtollen und miteinander spielen können. Stress haben spätestens dann weder die Tiere noch die dazu gehörigen Menschen.

Besenheide & Bombenkrater

In den Braundünen gibt es eine geschlossene Vegetationsdecke. Hier auf dem mageren Boden wachsen Kiefern, Sanddorn, verschiedene Gräser und die Besenheide, die durch den Deichbau hier auf die Insel kam. Hier auf der Insel findet man übrigens nach der Lüneburger Heide das größte Heidegebiet des Landes. Durch den überaus heißen Sommer ist hier alles ziemlich verbrannt, nur hier und da schimmern lila einige Blüten durch. Die Pflanzen werden übrigens, im Gegensatz zur Lüneburger Heide, nicht durch Heidschnucken kurz gehalten. Schäfer und Insulaner konnten sich irgendwie nicht einigen, so lässt man hier Natur Natur sein. Inga Blanke macht Werbung für diesen Teil der Insel. "Während sich gerade im Sommer alles am Strand knubbelt, kann man auf den Wegen stundenlang durch die Dünenlandschaft laufen, ohne jemanden zu treffen", erklärt sie begeistert. Verlaufen kann man sich hier übrigens nicht, außer es kommt Seenebel auf.

"Ich bin ein Naturtyp, der immer draußen gewesen ist - als Kind und später während des Studium!" Inga Blanke bezeichnet sich selbst als "grüne Biologin", die draußen in der Natur unterwegs ist, sich mit Tieren auseinandersetzt, sich in verschiedenen Lebensräumen bewegt und schaut, wie dort alles vergesellschaftet ist.

Das Besondere in der Küstenheide auf dem Weg ans Watt sind die vielen Bombentrichter. Dazu muss man wissen, dass diese kleine Insel Außenposten des Marinehafens Wilhelmshaven war und am 25. April 1945 stark bebombt wurde. Die Natur jedoch hatte hier die Möglichkeit, diese "Löcher" zurückzuerobern. Es bildeten sich Kleingewässer, die Amphibien und Kröten, die auf der Roten Liste stehen, einen idealen Lebensraum bieten. Außerdem nutzen die vielen, vielen Zugvögel diese als Wasserquelle.

Mit den Hunden an der Leine erreicht man knapp eine habe Stunde später das Wattenmeer.   

Leider darf ich nicht mit, wenn Inga mit den Touristen ihre Wattwanderungen macht. Im Winter aber kommt meine Zeit - da darf ich mit raus ins Watt!"

Bente

Hovawart, 3 Jahre jung

Inga Blanke sammelt Wissen an und gibt es dann gerne weiter. Tagtäglich führt sie in Sachen Umweltbildung bis zu einhundert Touristen, Schulklassen, Hochzeitsgesellschaften, Klein- und Großfamilien, sowie Presseleute an und durch das Watt. "Wir haben hier das größte Wattenmeer der Welt vor der Nase, das sich von Dänemark bis Holland erstreckt." 10-12 Mio. Zugvögel kommen zweimal im Jahr hierher, um Energie zu tanken. Das Wattenmeer ist eine Energietankstelle.

Eine Stunde unterwegs im Watt - mit allen Sinnen begreifen

Die Wattführerin spricht von einem Anfängerwatt. Da das Wasser in einer Linie kommt und sich keine Priele bilden, die volllaufen können. In diesem schönen Mischwatt sinkt man nicht tief ein - höchstens bis zu den Knöcheln. Auf der kleinen Wattrunde, die ca. eineinhalb Stunden dauert, läuft man nicht ganz so weit hinaus. Auf dieser Tour sinkt man auch nicht allzu tief ein im Schlick, so dass man im Sommer den Ausflug barfuß genießen kann. Auf der großen Runde jedoch, die in Richtung Muschelbank führt, gibt es auch "schlickigere" Stellen, so dass auch ein tieferes Einsinken möglich ist. Inga selbst ist, wie sie mit einem breiten Grinsen sagt, schon öfter bis übers Knie weg gewesen. Bei dieser Tour braucht man unbedingt Wattschuhe wegen der Verletzungsgefahr durch die scharfen Muscheln. Inga Blanke nennt übrigens 50 Paar Stiefel ihr Eigen, die sie im Bedarfsfall gerne an ihre Kunden verleiht.

Und was sieht man? Grau-braunes Land. Auf den ersten Blick erscheint das Watt nicht besonders interessant. Inga Blanke jedoch versucht den Blick ihrer Kunden zu schärfen. Auf den zweiten Blick erkennt man Löcher im Boden und kleine Spuren, wie von einer Nähnadel in den Schlick gemalt. Diese Spuren sind auf die Wattschnecken zurückzuführen, von denen es ca. 100.000 auf einen Quadratmeter zu finden sind. Die sind Nahrungsquelle für die Zugvögel - ebenso wie die Wattwürmer, die bis zu 40 Zentimeter lang werden. Der Wattwurm, den Inga Blanke wegen seines "Kussmundes" den Knutschwurm nennt, frisst den Sand und scheidet diesen, nachdem alles Verdaubare verarbeitet wurde, wieder aus. Bei den Ausflügen ins Watt werden Krebse, Würmer und Muscheln gesehen und angefasst, Algen und Queller werden probiert, man riecht und sieht auf einmal alles mit anderen Augen. Alle Sinne werden angesprochen, mit allen Sinnen begreift man, in welch' besonderer Landschaft man sich befindet.

"Hier im Wasser schwimmt schon ne Menge rum", klärt die Biologin auf. Die großen Pötte, die in den drei Fahrwassern vor der Insel (Elbe, Jade, Weser) unterwegs sind, nutzen zu 90 Prozent mit schadstoffreichem Schweröl, vom dem immer einiges ins Wasser gelangt. "Umso wichtiger ist das Wattenmeer mit seinen zahllosen Muscheln mit ihrer großen Filterleistung", erklärt sie. "Schwermetalle, Mikroplastik und der ganze Mist wird durch die Muscheln aus dem Wasser gefiltert". Eine fünf Zentimeter große Herzmuschel kann 1,5 Liter Wasser in einer Stunde filtern, die Platt-, Miesmuscheln und Austern um ein Vielfaches mehr. Das 11.500 Quadratkilometer große, vom der UNESCO zum Weltnaturerbe ernannte Wattenmeer, ist somit ein weltweit einmaliges Ökosystem.

Inga weiß, dass ich viel Bewegung brauche - am liebsten treffe ich mich mit anderen Hundefreunden am Strand von Wangerooge!"

Bente

Hovawart, 3 Jahre jung

Zurück im Dorf setzen wir uns noch kurz zusammen. Ein gemeinsames Frühstück schlägt Inga aus, denn zu Hause erwartet sie ihr Freund am (hoffentlich) gedeckten Tisch. 

Theoretisch hört es sich grandios an, was da im Watt so alles los ist. Wenn Inga so lebendig und leidenschaftlich erzählt, lässt man sich nur zu gerne in die von der UNSESCO geschützte Landschaft entführen. Was das Ganze noch toppt, ist ein tatsächlicher Ausflug - und das mit allen Sinnen.