Mallorca: "Ein Glückskeks namens Cookie"

Portrait Kathrin Rindfleisch
von Kathrin Rindfleisch – 30.04.2018

Die Geschichte von Heike und Celine ist traurig. Und schön. Weil sie Mut macht. Und weil sie zeigt, was Hundemenschen so genau kennen: diese ganz besondere Beziehung zwischen Menschen und ihrem Hund, die größer ist als das, was man mit dem Verstand begreift.

Cookie schaut vorwitzig durch die Strebentür und wedelt freudig mit dem Schwanz. Seinen putzigen, braun-weißen Bretonen-Kopf schräg haltend, schaut er mich ganz unvoreingenommen an und ich habe ihn gern, gleich vom ersten Moment an. Ich bin in Badia Gran, einem Ort 25 Kilometer südöstlich von Palma, dem Zuhause der Deutschen Heike Hansen, ihrer Tochter Celine und Cookie, dem Hund, der das Lachen zurückgebracht hat in das Haus. Die Familie aus dem hessischen Hochheim hat seit 13 Jahren ihren Zweitwohnsitz auf Mallorca, der Trauminsel so vieler Deutscher.

Pino und Rambo

Dem Leben ist jedoch egal, ob man unter der spanischen Sonne oder im deutschen Nieselregen zu Hause ist, es kommt und manchmal mit einer so unglaublichen Wucht, dass es einen völlig aus der Bahn wirft. Familie Hansen erfasste es im letzten Jahr. Zur Familie gehören damals die beiden 12-jährigen Golden Retriever/weiße Schäferhund-Mischlinge - die Brüder Pino und Rambo. Bis man im März 2014 bei Pino Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert. Und er drei Monate später stirbt. Sein Bruder Rambo, bis dahin sehr agil, bricht vier Wochen später zusammen. Diagnose: schwerer Bandscheibenvorfall, ärztlicher Rat: Tod durch Spritze. Eine Operation als Alternative wird mit wenig Hoffnung auf Rehabilitation nicht aktiv empfohlen. Mit viel Eigeninitiative nur hätte der Hund überhaupt eine Chance, wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen. Für Heike Hansen, ihren Mann HP und Tochter Celine ist das jedoch in keinem Moment eine Frage. Sie würden alles dafür tun, dass ihr Rambo wieder laufen kann. Schließlich ist der Hund nur körperlich gelähmt, der wache Blick jedoch zeigt ihnen, wie fit und lebensfroh ihr geliebter Hund noch ist. Verletzend sind die Kommentare der anderen, die raten, den Hund einschläfern zu lassen, um ihm die bevorstehende Tortur zu ersparen.

HP Hansen stirbt

„Diese Vorstellung war so krass. Man tötet doch auch keinen Menschen, nur weil er einen körperlichen Defekt hat.“ Celine ist noch heute fassungslos bei dem Gedanken an die Einstellung von Bekannten und Nachbarn. Rambo übersteht die OP, nicht fähig, sich zu bewegen, aber weiterhin agil und mit Lebenswillen. Da geschieht fünf Wochen später das Unerwartete: HP Hansen stirbt. Der Familienvater lebte seit 13 Jahren mit einer Krebserkrankung, war aber seit Jahren in einem stabilen Zustand. Kolibakterien in Lebensmitteln, für einen gesunden Organismus gefahrlos, rissen ihn jäh aus dem Leben. Heike Hansen steht unter Schock. Und findet Trost allein in der Aufgabe, Rambo wieder auf die Beine zu helfen. Gemeinsam mit ihrer Tochter hievt sie den 40 Kilo schweren Rüden täglich ins Auto und wieder hinaus, fährt mit ihm zur Physiotherapie, arbeitet zu Hause mit Therapiegeräten weite rund freut sich über jeden Erfolg, ist er auch noch so klein.

Vier Monate harte Arbeit für Heike, Celine und Rambo schaffen am Ende das, was selbst der Arzt nicht hatte versprechen wollen: Rambo kann wieder laufen. Überglücklich halten Mutter und Tochter, die so schmerzhaft Ehemann und Vater vermissen, ihren tapferen Rambo in den Armen. Im Februar 2015, 10 Monate nach der OP, ist Rambo tot. Ein Tumor, und diesmal ist die Krankheit stärker als der Lebenswille des Hundes.

Endlich habe ich meine Aufgabe gefunden: ich beschütze Heike und Celine. Die sollen nicht mehr traurig sein. Und dafür tue ich alles. Kuscheln, den Kopf schief legen und nach den beiden schauen. Am liebsten bringe ich sie zum lachen, dann bin auch ich nicht mehr traurig.

Cookie

Bretone, 2,5 Jahre

Heike Hansen fällt in ein tiefes Loch. Verlust schmerzt, innerhalb kurze rZeit drei geliebte Familienmitglieder zu verlieren, scheint unerträglich. Mutter und Tochter rücken in dieser Zeit noch näher zusammen, doch erst der Besuch im Tierheim, an diesem Morgen im April 2015, gibt Heike Hansen neuen Lebensmut. Sie sieht das Foto von Cookie im Internet und verspürt den unbedingten Drang, diesen Hund anzuschauen. In den fünf Wochen zuvor, ist sie täglich in Tierheimen unterwegs, geht mit den Hunden dort Gassi, aber nie ist „ihr“ Hund dabei. Bei Cookie ist alles anders: alle Hunde bellen, nur er nicht. Und als er sich los beißt und fünf Leute versuchen, ihn einzufangen, kniet Heike Hansen sich auf den Boden, und Cookie läuft in ihre Arme.

Die beiden haben einander gesucht – und gefunden.

Vielleicht sind es ihre traurigen Geschichten - Cookie hatte schon zwei Vorbesitzer und bei beiden kam er nie vor die Tür - die die beiden verbindet. Dass es eine starke Verbindung zwischen Heike Hansen und Cookie gibt, ist deutlich zu spüren. Auf ihrer Lieblingsrunde entlang der Felsküste zwischen Tolleric und Badia Gran und im Anschluss bei der Familie zu Hause.Immer wieder legt der Hund seine Schnauze auf ihren Schoß und drückt seinen Kopf an sie. Gerade so, als würde er sich immer zu vergewissern, dass es seinem Frauchen auch gut gehe. Und der Hund macht seine Aufgabe gut: Heike Hansen hat ihr Lächeln zurück.

Das größte Geschenk, dass der Hund ihr und ihrer Tochter Celine machen kann.