Sprachtherapeut Thomas Jakobs - "Mein persönlicher Jakobsweg"

Portrait Kai Voßkämper
von Kai Voßkämper – 31.03.2017

Für meine heutige Hunderunde bin ich in der schönsten Stadt am linken Niederrhein verabredet - meiner eigenen Heimatstadt Mönchengladbach. Diesmal beginnt die Runde allerdings nicht wie gewohnt draußen auf Wald und Flur, sondern in einer Praxis. Im Stadtteil Venn treffe ich Thomas Jakobs und seine elf Jahre alte Gordon- Setter-Hündin Sunny. Jakobs ist Logopäde, ein Sprachtherapeut mit einem besonderen Ansatz, denn Sunny ist sein Therapiehund. In erster Linie für seine Patienten aber auch für ihn persönlich.

Jede Sprachstörung hat auch seelische Ursachen

Mit einem Hund in der Praxis ist die Stimmung eine ganz andere. Dabei ist Jakobs wichtig, dass der Hund nicht zur Unterhaltung dient. Andere Kollegen arbeiten anders mit ihren Therapiehunden. Die können zum Beispiel das ein oder andere Kunststück, wie würfeln mit der Schnauze. Sein Ansatz und seine Methode ist da etwas anders. „Der Hund nimmt Stimmungen auf, die Menschen so manchmal gar nicht wahrnehmen können", sagt Jakobs. Er lockert auch Ängste von Kindern oder erwachsenen Patienten. Oft ermutigt der Hund die Kinder aber auch und schafft Selbstvertrauen, wenn Sunny zum Beispiel auf Platz oder Sitz reagiert und die Kinder merken, dass sie etwas bewirken können. Jakobs verfolgt damit einen ganzheitlichen Therapieansatz. Jede Sprachstörung hat auch seelische Ursachen. Seelisch können sich die Patienten aber nur in einer entspannten Atmosphäre öffnen. Dafür kann Sunny sorgen. Die Hündin ist sozusagen Spürhund für angespannten Stimmungen. Die beiden sind ein eingespieltes Team und so spürt der Therapeut sehr schnell, sobald etwas nicht stimmt im Raum. Wenn Sunny sich zum Beispiel abwendet, anstatt ruhig neben dem Patienten zu sitzen ist das für Jakobs der Zeitpunkt etwas genauer nachzuforschen und anders auf seinen Patienten einzugehen. Wie das genau funktioniert, kann der Logopäde aber gar nicht sagen. „Es ist mehr die Erfahrung und das Vertrauen, das wir beide ineinander haben. Elf Jahre gemeinsamer Lebensweg und Therapieerfahrung mit Sunny verbinden sehr. Für die entspannte Arbeit hat Jakobs sowohl für Sunny und seine Patienten Regeln aufgestellt. Die Hündin hat einen eigenen Platz in der Praxis, der auch für Patienten tabu ist. Gleichzeitig wissen so dann aber auch die ängstlichen Patienten, dass nichts passieren kann, wenn Sunny auf seinem Platz ist.

Zwei Jakobswege täglich

Es ist sein persönlicher Jakobsweg, den Thomas Jakobs jeden Tag zweimal mit seiner Hündin Sunny geht. Ein weites Feld mit einem Waldstück am Stadtrand von Mönchengladbach. So bekommt er seine eigene „Therapie“ während den ausgedehnten Spaziergängen. Für Thomas Jakobs eine Art Mediation und für Sunny sehr nötig. Gordon-Setter sind Jagdhunde und auch wenn Sunny mit elf Jahren schon zum alten Eisen gehört, agil ist sie immer noch und der Jagdtrieb kommt immer noch raus. Zwar nicht so stark wie früher, aber viel Bewegung muss sein. „Sie jagt jetzt nicht mehr jedem Kaninchen hinterher, aber das ein oder andere Mauseloch wird immer noch umgepflügt", sagt Jakobs. Aber auch Jakobs braucht die tägliche Bewegung zum Ausgleich zu seinem Beruf. Er mag es vor allem, dass der Hund keine Ausreden duldet und indirekt immer den leichten Druck ausübt. „Du musst halt raus, egal wie das Wetter ist.“

Bitte verlass mich nie!!!

Sunny

Gordon-Setter, 11 Jahre

Das Herz wollte, doch wie so oft war der Verstand stärker

Hundefreund war der Logopäde schon immer, nur nicht Hundebesitzer. Während eines Aufenthaltes auf einem Bauernhof wurde er dann aber vor 15 Jahren vor die Wahl gestellt. Hund oder nicht Hund? Denn dort gab es einen Wurf von Gordon-Settern, von dem ein kleines Welpenmädchen Bella war. Eigentlich durfte er wegen seinem Vermieter gar keine Hunde haben und seine Frau war auch dagegen. Das Herz wollte, doch wie so oft, war der Verstand stärker. Als die Abreise nahte, stand eine schwere Entscheidung an. Mitnehmen oder dalassen, Herz oder Kopf? Für den Therapeuten eine extrem schwere Entscheidung, für seinen Gastgeber lag die Lösung des Problems jedoch nah. Der Bauer bei dem Jakobs zu Gast war, bat ihn fünf Buchsbäume zu pflanzen, danach wisse er schon was er wolle. Jakobs willigte etwas zögerlich und ungläubig ein, bekam Spitzhacke und Bäume und wurde aufs Feld geschickt. Was dann folgte, waren sechs Stunden harte Arbeit, denn der Boden war hart wie Stein und die Sonne schien an dem Tag unerbittlich. Nach getaner Arbeit allerdings, war der Kopf frei. Was sich anhört wie ein Gleichnis aus der Bibel, war für Jakobs tatsächlich der Weg zur Erkenntnis.  Die Entscheidung war gefallen. Ohne zu zögern packte er Bella ins Auto und fuhr los. Acht Stunden saß Bella auf dem Schoß seiner Frau. Zu Hause angekommen war zumindest sie hin und weg und damit überzeugt. Als dann der Vermieter auch nichts dagegen hatte war die Familie komplett. Dass sich seine zwei Kinder riesig gefreut haben muss an dieser Stelle gar nicht erwähnt werden.

Mehr als die Summe ihrer Teile

Doch wie kam Jakobs zu seiner Sunny. Aus dem einfachen Wunsch der Natur seinen Lauf zu lassen. Einmal sollte sich seine erste Hündin Bella vermehren, so der Gedanke von Thomas Jakobs. Aus dem Wurf entstanden neun weitere Welpen und eben Sunny. Der Beginn einer fruchtbaren und hilfreichen Beziehung und einem guten Beispiel dafür, wie Mensch und Hund als Team mehr sein können als die Summe ihrer einzelnen Teile, denn der Therapieerfolg gibt Thomas Jakobs recht.