Wenn man über Epilepsie-Warnhunde liest, dass diese kurz von den Anfällen zu Hilfe kommen, bzw. Alarm schlagen, ist das nur schwer zu glauben. Speziell ausgebildete Hunde bemerken Anfälle im Vorfeld und zeigen an, deutlich bevor diese eintreten. Der Epileptiker kann sich so frühzeitig hinsetzen oder hinlegen, um mögliche schwere Sturzverletzungen zu vermeiden. Einer dieser außergewöhnlichen Tiere ist der zweijährige Labrador "Hope", ein sehr neugieriger und extrem gut gelaunter Hund, der für Lea ein unverzichtbarer Partner geworden ist.
Auf der Haus- und Hofrunde der 19-jährigen Lea Fellner auf den Feldwegen im münsterländischen Raesfeld, erklärt sie erst einmal, dass sie an einer besonders seltenen Epilepsieform leidet, die sich Dravet-Syndrom nennt. Die französische Psychiaterin und Epileptologin Charlotte Dravet hat diese Krankheit erforscht. Sie hat festgestellt, dass die zunächst gesunden Kinder meist mit der ersten Impfung und dem einhergehenden Fieberschub erstmalig epileptische Anfälle kriegen. Danach verlangsamt sich die motorische Entwicklung der Kinder, vor allem die Sprachentwicklung, meistens ist eine mittlere bis schwere Behinderung die Folge. Bei den meisten "Dravtchen" nehmen die körperlichen und oft auch die geistigen Probleme zu. Die Sterblichkeitsrate liegt bei ca. 16%, und die Gefahr am SUDEP (Plötzlicher Epilepsie-Patienten-Tod) zu sterben, ist viermal höher als bei anderen Epilepsieformen.
"Ich bin die totale Ausnahme!"
Lea ist tatsächlich eine Ausnahme. Die junge Frau spricht wie ein Wasserfall und erklärt frei heraus, was es mit ihrer Krankheit auf sich hat und vor allem, wie sie damit lebt. In dem Haus in Raesfeld wohnt sie mit Freundin Kathy, Vater Sascha und den beiden Hunden Joey (14 Jahre) und dem Labradorrüden Hope (2 Jahre). Hope kommt von Marita Druschel (www.stork-highlands.de), die in Hessen gesunde und wesensfeste Labrador und Australian Shepherd züchtet. Seitdem Hope zehn Wochen alt ist, wohnt der neugierige Labrador bei Lea, ist seitdem ein festes Familienmitglied und wird seitdem unter Mithilfe von Hundetrainer Jochen Scholz ausgebildet. Wichtigstes Kommando: "Hol' die Medis!" Um die Krankheit einigermaßen unter Kontrolle zu halten, muss die 19-Jährige täglich vier verschiedene Medikamente gegen die Epilepsie einnehmen, die "normalerweise ein Pferd ruhig stellen würden". Hope weiß genau, wo die Medis stehen, damit der Hund im Ernst- und Notfall ihrer Besitzerin die rettenden Pillen bringen kann.
Hope erkennt einen Anfall frühzeitig und agiert
"Wenn Hope die Weste mit dem Schriftzug "Servicehund" trägt, ist er zu 100 Prozent im Arbeitsmodus", erklärt das Dravetchen, wie sich Lea selbst scherzhaft nennt. Bei Ausflügen auf den Markt, beim Gang zum Arzt oder zur Physiotherapie weicht der Hund nicht von Leas Seite und passt auf sie auf. Denn ein epileptischer Anfall kann ohne scheinbare Ankündigung von jetzt auf gleich erfolgen. Und zwar in den verschiedensten Formen und Schweregraden: vom kurzen Bewusstseinsverlust (Absence) über eine Verkrampfung (tonisch) bis hin zur rhythmischen Zucken (klonisch). Hope kennt sein Frauchen in- und auswendig, setzt alle Sinne ein und schlägt schon Sekunden vor einem Anfall Alarm. Er springt dann an Lea hoch, bellt aufgeregt und leckt ganz intensiv den Teil zwischen Leas Nase und Oberlippe. "Das ist ein sogenannter Triggerpunkt", erklärt Freundin Kathy, die ausgebildete Rettungssanitäterin ist. "Durch das Lecken beruhigt sich Lea, und der Anfall endet meist nach kurzer Zeit!" Erstaunlich ist, dass weder das Anzeigen noch die "gezielte Schleckaktion" den Epilepsie-Warnhunden beigebracht werden kann. Die Fähigkeit zu warnen, bevor ein solches Ereignis akut wird, kann ein Hund nicht erlernen - entweder er besitzt die Sensibilität für ein solch drohendes Ereignis oder nicht. Und Hope macht das ganz einfach hervorragend.
Lea ist der Dosenöffner meines Vertrauens, und sie lässt sich immer so viele tolle Spiele einfallen. Jedoch hasse ich es, wenn sie meine Zähne putzen will.
Lea und Katharina sind sich erstmals bei einem Einsatz "über den Weg gelaufen". Vor gut zwei Jahren hatte Lea in der Schule einen Anfall und stürzte die Treppe so unglücklich hinunter, dass sie mit einem Hubschrauber ins Klinikum Münster geflogen werden musste. Kathy erkundigte sich später nach ihrem Wohlbefinden, Lea bedankte sich mit einer Einladung zum Tee, sie verliebten sich ineinander und sind seitdem ein Paar.
Schwarze Löcher
"Ich kann mich nicht an die Zeit erinnern, wenn ich die Anfälle habe", erklärt Lea, "da ist nur ein schwarzes Loch!" Darum bittet sie ihre Freundin auch, sie bei epileptischen Anfällen zu filmen. "ich will's einfach wissen!" Einen dieser Videos haben die beiden auf der Facebookseite von Lea & Hope online gestellt - Lea geht mit ihrer Krankheit eben sehr offensiv um. Die Gemeinde ihrer Follower wächst stetig, bereits 1400 Freunde folgen ihren Postings.
Was bringt die Zukunft?
Nach langem Kampf und einer großzügigen Spende kann sich Lea ein akkubetriebenes, mobiles Beatmungsgerät kaufen. Ein solches Gerät, das im Notfall eingesetzt wird, erweitert den Bewegungsradius der 19-Järigen, sie kann sich dann, ohne Versorgungsängste haben zu müssen, immer weiter vom heimischen Krankenzimmer weg bewegen. "Sobald das geliefert wird, fahren Kathy, Hope und ich zu Freunden nach Baden-Württemberg und machen dort ein paar Tage Urlaub", erklärt Lea. Und wenn das klappt, fahren sie ein paar Tage nach Holland an die Nordsee. Natürlich nicht, ohne vorher abzuchecken, dass die ärztliche Versorgung im Notfall gegeben ist. Wichtig ist, dass Hope mit an Bord ist, denn der passt schließlich immer auf.
Mehr Informationen zum Dravet-Syndrom unter www.dravet.de.