Im Wettlauf mit der Zecke: Wirken Isoxazoline schnell genug, um eine Erreger-Übertragung zu verhindern?

Tobias Werner & Torsten J. Naucke

Zecken sind nicht nur lästige Parasiten, sondern auch gefährliche Überträger einer Vielzahl von Krankheitserregern wie Viren, Borrelien, Protozoen und Bakterien, wie Anaplasmen, Ehrlichien und Rickettsien (Tabelle 1). In den letzten Jahren haben sich sowohl die Verbreitungsgebiete der Zecken als auch die von ihnen übertragenen Krankheiten deutlich ausgeweitet. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage nach der Wirksamkeit von Zeckenschutzmitteln, insbesondere der Wirkstoffklasse der 2-Isoxazoline, zunehmend an Bedeutung. Dieser Artikel soll einen etwas genaueren Blick darauf werfen, ob Isoxazoline wie Fluralaner (Bravecto®), Afoxolaner (NexGard®), Sarolaner (Simparica®) und Lotilaner (Credelio®) schnell genug wirken, um die Übertragung von Krankheitserregern, die von Zecken übertragen werden mit hoher Sicherheit zu verhindern.

Was sind Isoxazoline und wie wirken sie?

Isoxazoline sind eine Klasse von systemisch wirkenden Ektoparasitika, die seit etwa Mitte der 10’er Jahre auf dem Markt sind. Die in den Produkten enthalten Substanzen sind strukturell sehr ähnlich und zeigen bezüglich ihrer Wirkeffizienz ähnlich gute Eigenschaften. Isoxazoline wirken indem sie nicht-kompetitiv die Glutamat-gated Chlorid-Kanäle (GluCl) blockieren, einem Rezeptor, der nur bei Wirbellosen vorkommt. Die genaue Aminosäurenabfolge der Bindungsstelle am GluCl-Rezeptor der Vektoren unterscheidet sich strukturell deutlich von der des GABAₐ-Rezeptors der Säugetiere, was zu einer stabilen Bindung in den Nerven- und Muskelzellen bei Ektoparasiten führt. Dies blockiert die Signalübertragung im Nervensystem der Parasiten, was zu deren Tod führt.
Unterschiede im Metabolismus und die bei Säugetieren vorhandene Blut-Hirn-Schranke tragen zusätzlich dazu bei, dass keine unerwünschten Wirkungen auf das Nervensystem des Wirtstiers auftreten. Diese Kombination macht die Wirkstoffklasse zu relativ sicheren und zu hocheffektiven Parasitiziden, insbesondere bei der Therapie gegen Flohbefall und zur Behandlung von Befall mit Acari (Milben und Zecken). Allerdings ist trotz der abtötenden Wirkung gegen Zecken, eine zuverlässige Verhinderung der Erregerübertragung beim prophylaktischen Einsatz nicht garantiert. So beinhaltet die Zulassung der Produkte u.a. die Aussage, dass die Abtötung des Vektors beim Einsatz von Isoxazolinen lediglich eine Verringerung des Infektionsrisikos durch Babesia canis bewirkt.

Ein kurzer Blick auf die Biologie der Schildzecken

Der entscheidende Punkt bei der Prävention von durch Zecken übertragenen Krankheiten ist die Geschwindigkeit, mit der das Mittel die Zecke nach dem Anheften abtötet. Es ist zu beachten, dass manche Erreger sehr schnell, andere nicht sofort beim Stich übertragen werden (Abb. 2). Äußerlich sind Schildzecken durch ein deutlich sichtbares Rückenschild gekennzeichnet. Mithilfe des Haller’schen Organs, das sich am Ende ihres ersten Beinpaares befindet, können sie Gerüche ihres Wirts, Feuchtigkeit, CO2 und Temperatur wahrnehmen. Beim Stich reißt ihr stilettartiges Mundwerkzeug (Hypostom) mit rückwärts gerichteten Zähnen die Haut des Wirts auf und verankert sich dort fest. Anschließend saugt die Zecke Blut und Gewebeflüssigkeit aus der entstandenen Wunde. Wenige Minuten nach dem Stich beginnt die Ausscheidung eines speziellen Speichelsekretes, das als „Zement“ bezeichnet wird der um den Stechapparat herum aushärtet, um den Halt in der Haut zu verstärken. Die Speicheldrüsen der Zecke produzieren Sekrete mit zahlreichen Funktionen: Neben der Zementbildung bewirken sie eine Gefäßerweiterung, hemmen die Thrombozytenaggregation, blockieren Proteasen und unterdrücken Entzündungsreaktionen.

Pathogene, die auf einen Wirt übertragen werden, können hier bereits im Speichel vorhanden sein. Der Mitteldarm stellt das eigentliche Reservoir der meisten Pathogene dar, die mit dem Wirtsblut aufgenommen wurden und die hier bis zum nächsten Blutmal verbleiben oder zu den Eierstöcken der Zecke wandern, wo sie die Eier infizieren (vertikale Übertragung). Von hier müssen die Pathogene über die sogenannte Hämolymphe in die Speicheldrüsen wandern wo sie mit den Speichelproteinen interagieren können, von denen einige an die Oberfläche der Erreger gebunden werden und somit eine effektive Immunantwort des Zielwirts verhindert wird.

Der Countdown: Tickt die Zecke oder der Wirkstoff schneller?

In der Studienliteratur wird die Abtötungsgeschwindigkeit von Isoxazolin-Präparaten zum nahezu 100%igen Abtöten von Schildzecken mit ca. 24-48 Stunden beschrieben, wobei auch Studien vorliegen, die belegen, dass 93 % von bereits angehefteten Ixodes-Zecken innerhalb von 12 Stunden abgetötet werden können. Mutmaßlich variiert die Effizienz der verschiedenen Produkte bei vergleichbarer Wirkstoffkonzentration nicht signifikant. Dem gegenüber sind jedoch die beschriebenen Übertragungszeiten für verschiedene Erreger sehr unterschiedlich!

Viren, wie das FSME-Virus sind fest in den Speicheldrüsen integriert, wo sie sich in den Zellen der Speicheldrüse vermehren und fundamentaler Teil des Sekrets werden, das beim Zeckenstich sofort in die Wunde gelangt. Übertragungszeit < 10 min!

Ehrlichia canis wird nach der Aufnahme mit dem Blut eines infizierten Wirts aus dem Mitteldarmlumen aktiv in die Zellen der Mitteldarmwand der Zecke überführt, wo sie sich vermehren. Anschließend werden sie – ohne Aktivierung - freigesetzt und breiten sich via Hämolymphe im Zeckenkörper aus und infizieren gezielt die Zellen der Speicheldrüsen. In diesen Drüsen vermehren sie sich erneut und vollziehen eine „Pathogen-Anpassung“ indem sie eine strategische Bindung zu Speichelproteinen eingehen, die zur effizienten und auch schnellen Übertragung der Ehrlichien beiträgt. Sie umgehen damit nicht nur die Immunantwort des Wirts, sondern werden auch direkt zu ihren Zielzellen transportiert, die sie nun leicht infizieren können. Übertragungszeit 3-5 Stunden!

Rickettsia spp. verharren nach ihrer Aufnahme im Mitteldarm der Zecke und werden erst durch den physiologischen Reiz des erneuten Saugakts aktiviert. Erst dann beginnt die Migration zu den Speicheldrüsen. Von hier aus erfolgt die Übertragung auf den Wirt. Studien deuten darauf hin, dass auch hier bestimmte Proteine das Eindringen von Rickettsien in die Endothelzellen der Blutgefäße fördern. Übertragungszeit 6-10 Stunden!

Anaplasma phagocytophilum beschreitet den gleichen Weg in der Zecke wie die zuvor genannten Bakterien, ist allerdings in der Lage aktiv die Speicheldrüsen-funktion seines Vektors zu manipulieren. Es stimuliert die Produktion eines Proteins, das sogenannte „Salivary gland protein Salp16“, an die der Erreger binden kann und sich so ein immunologisch unsichtbares Transportvehikel schafft, das die Infektion erleichtert. Allerdings muss bei diesem Erreger wohl eine infektionskritische Dosis überschritten werden, bis die Immunabwehr des Wirts überwunden wird und eine Infektion der Granulozyten stattfinden kann. Übertragungszeit > 12 Stunden!

Borrelia burgdorferi -Erreger verharren nach der Blutmahlzeit zum Teil monatelang im Mitteldarm der Zecke. Erst bei erneutem Saugen erfolgt eine Reaktivierung der Borrelien und eine Wanderung in die Speicheldrüsen. Erst jetzt können sie mit dem Speichel in die Wunde des neuen Wirts abgegeben werden. Übertragungszeit > 42 Stunden

Babesia canis wird erst übertragen, nachdem es sich im Zeckendarm vermehrt und nach mehrtägiger Wanderung die Speicheldrüsen erreicht hat. Eine wichtige Ausnahme sind männliche Zecken; sie saugen wiederholt Blut und können als infizierte Überträger die Erreger sofort bei einem Stich weitergeben. Im Gegensatz zu anderen Schildzecken verankert sich Dermacentor reticulatus ohne stabilen Zementpfropf, was ihre Mobilität und den häufigen Wirtswechsel der Männchen begünstigt. Zusammen mit ihrer Winteraktivität macht das diese Art zu einem besonders effizienten und ganzjährigen Überträger von Babesia canis. Übertragungszeit ca. 48 Stunden, bei Männchen 6-8 h!

    Fazit – und eine Abwägung

    Isoxazoline sind hochwirksame und bequem anzuwendende Zeckenmittel für Hunde, die Zecken nach dem Blutsaugen zuverlässig abtöten. Da sie jedoch keine repellierende Wirkung haben, können Zecken zunächst stechen, was ein Zeitfenster für die Übertragung schnell wirkender Erreger, wie z.B. Viren, Ehrlichien, Rickettsien und Babesien öffnet. Daher sind für einen optimalen Schutz vor zeckenübertragenen Krankheiten Kombinationspräparate mit sowohl abtötender als auch abschreckender Wirkung zu bevorzugen. Für einen umfassenden Schutz vor durch Vektoren (z. Bsp. Stechmücken, Zecken) übertragenen Erkrankungen, insbesondere auf Reisen in südliche Regionen, ist die Kombination aus einem repellierenden Halsband und der gleichzeitigen Verabreichung eines makrozyklischen Laktons zur Abtötung von Filarien nach unserer Einschätzung die optimale Präventionsstrategie. Um eine zusätzliche, zeckenabtötende Wirkung für einen zuverlässigen Schutz gegen zeckenübertragene Krankheiten zu erreichen, kann nach Rücksprache mit dem Hersteller ergänzend ein systemisch wirkendes Isoxazolin-Präparat verabreicht werden.

    Take-Home Message

    Isoxazoline töten Zecken sehr zuverlässig ab und sind inzwischen Standard bei der Behandlung von Floh- und Milbenbefall. Sie bieten vor zeckenübertragenden Infektionen allerdings keinen sofortigen Schutz, da die Zecke erst zustechen muss. Für den optimalen Schutz, besonders für Reisen mit dem Hund in den Süden, ist daher eine Kombinationstherapie aus repellierenden Spot-On Produkten oder Halsbändern und der Gabe eines makrozyklischen Laktons zu bevorzugen.