Phytotherapeutika zur schnellen Hilfe bei unspezifischen Durchfällen


Diarrhö ist ein Symptom akuter und chronischer Darmerkrankungen, die zahlreiche und komplexe Ursachen haben können. Prinzipiell gilt es, den zugrundeliegenden Ursachen auf die Spur zu kommen und diese zu beheben. Doch haben die Tierhalter:innen den vordringlichen Wunsch, die Diarrhö zu stoppen. Denn Wohnungshaltung, insbesondere ohne direkte Auslaufmöglichkeit, nächtliche Ruhestörung und Berufstätigkeit, durch die der Hund mehrere Stunden allein in der Wohnung verbringen muss, lassen Durchfälle zum großen Problem werden.

Diarrhö bei Welpen und Jungtieren

Welpen und Jungtiere sind häufig von Diarrhö betroffen, denn ihr Darm reagiert besonders empfindlich auf fremde oder ungeeignete Futtermittel und gefressenen Unrat. Auch sind bei ihnen Darminfektionen durch das noch ungeübte Immunsystem häufiger. Die Diarrhö soll darmpathogene Erreger und ihre Toxine eliminieren (sie ist andererseits eine Strategie zur Erregerverbreitung). Diarrhö ist in diesen Fällen ein Selbstheilungsmechanismus des Organismus: Das Unverträgliche oder gar Toxische wird verdünnt und durch eine verstärkte propulsive Darm-Peristaltik möglichst schnell ausgeschieden. Dadurch wird das Allgemeinbefinden meist nur wenig beeinträchtigt. Die Diarrhö sistiert, sobald das auslösende Agens eliminiert ist.

In frühen Lebensphasen kann Diarrhö jedoch einen lebensbedrohlichen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust verursachen. Insbesondere unter unhygienischen Lebensumständen können Infektionen mit Rota- und Coronaviren, Kokzidien, Giardien, Kryptosporidien etc. und die durch sie verursachte Diarrhö zum Tod führen.

Was tun? Alles so komplex…

Darmerkrankungen sind traditionell eine Domaine der Phytotherapie, eben weil Verdauung ein sehr komplexes Geschehen ist und der Wirkstoffcocktail der Arzneipflanzen eine Vielzahl voneinander abhängiger Prozesse im Verdauungstrakt günstig beeinflussen kann. Pflanze und Tier sind hier sozusagen schon ein eingespieltes Team. Zu vergleichbar komplexer positiver Einflussnahme sind die auf nur ein Target optimierten synthetischen Medikamenten nicht in der Lage. Im Gegenteil:

Antibiotika?

Eine Antibiose bei einer Diarrhö aufgrund einer infektiösen Enteritis birgt immer die Gefahr einer Resistenzbildung bei einzelnen Bakterienspezies. Und damit ist das Gleichgewicht in der Darmmikrobiota gestört, was durch die Antibiose-bedingten zwangsläufigen Schäden in der physiologischen residenten Keimflora noch verschärft wird (Dysbiose). Infektionen mit fakultativ pathogenen Darmbakterien wie E. coli, Clostridien und Pilzen wie Candida spp. etc. werden dadurch begünstigt. Es hat sich z.B. gezeigt, dass Antibiotika-Einsatz bei der Diarrhö durch Salmonellen vermehrt zu Dauerausscheidern führt (Allenspach K, Suter PF, 2012).

Motilitätshemmer?

Motilitätshemmende Arzneimittel, wie z. B. Parasympatholytika (z.B. Metamizol plus Butylscopolamin) oder Loperamid, die schon in therapeutischer Dosierung erhebliche Nebenwirkungen haben können, unterbinden den Selbstreinigungsprozess des Darmes. Erreger und ihre Toxine bleiben länger im Organismus. Bei Neugeborenen und Säuglingen und bei solchen Hunderassen, die für eine MDR1-Gen-Mutation prädisponiert sind (Collies, Australian Shepherds, Shetland Sheepdogs etc.), sollte Loperamid nicht eingesetzt werden. Hier kann es bereits bei therapeutischer Dosierung zu zentralnervösen Intoxikationserscheinungen kommen (https://www.vetpharm.uzh.ch/).

Diätetische Maßnahmen

Auch in der konventionellen Therapie der Diarrhö stehen heute diätetische Maßnahmen im Vordergrund:

  • 24-stündige Nahrungskarenz (Kontraindikationen beachten!)
  • flüssigkeitsbindende ("kosmetisch wirksame") Quellstoffe
  • Adsorbenzien für schädliche Substanzen (Bentonit, Kaolin, Siliciumdioxid, Huminsäuren, Aktivkohle etc.)
  • Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution

Pflanzliche Ballaststoffe

Quell- oder Ballaststoffe sind natürliche Bestandteile von Getreide, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse. Besonders reich an Ballaststoffen sind Getreidekleien, Leinsamen, Guarkernmehl, Apfelschalen, Topinamburknollen und Karotten. Isolate aus diesen pflanzlichen Nahrungsmitteln sind z.B. Futterzellulose, Pektine, Fructoologosaccharide (FOS) und Galactooligosaccharide (GOS). Ballaststoffe sind in der Lage, überschüssiges Wasser im Kot zu binden und die Dickdarmpassage zu verlangsamen. Von Diarrhö betroffene Tiere spüren deshalb nach Aufnahme von Ballaststoffen seltener Kotdrang. Diese Pflanzenstoffe sind jedoch nicht nur bei Diarrhö von Bedeutung, sondern als Substrat für die physiologische Darmmikrobiota generell an der Stabilisierung der Darmgesundheit und damit an der Prophylaxe einer Diarrhoe beteiligt (Riedel-Caspari G, 2020).

Lebensbedrohliche Darminfektionen

Antibiotika sind Mittel der Wahl bei drohender Sepsis wegen starker Schleimhautschädigung der meist durch Viren verursachten, hämorrhagischen Durchfälle. Doch was tun bei Antibiotika-Resistenzen in solchen Fällen? Hier kann die Moro’sche Karottensuppe Leben retten:

Erst vor 120 Jahren erkannte der in Heidelberg wirkende österreichische Professor für Kinderheilkunde, Ernst Moro (1874-1951) die antidiarrhoischen Qualitäten der Karotte. Mit der von ihm entwickelten und nach ihm benannten Karottensuppe ließ sich die Komplikations- und Sterberate bei Durchfallerkrankungen von Säuglingen und Kleinkindern deutlich senken. Mit Entdeckung der Antibiotika schien diese Rezeptur obsolet. Seit Anfang des 21. Jh. sind die Wirkmechanismen bekannt. Da sie auch gegen Antibiotika-resistente darmpathogene Erreger wirkt, ist die Moro'sche Karottensuppe wieder aktuell und wird mittlerweile auch in der Tierheilkunde erfolgreich eingesetzt. Die meisten Jungtiere fast aller Tierarten nehmen die Moro'sche Karottensuppe gerne auf.

Wirkmechanismus der Moro'schen Karottensuppe

Voraussetzung für die Entstehung einer gastrointestinalen Infektion ist, dass die pathogenen Keime an entsprechenden Kohlenhydratstrukturen der Oberfläche der Darmmukosa anhaften können. Werden diese Rezeptoren auf der Mukosa anderweitig besetzt, ist eine Infektion nicht möglich. Wird die Karotte lange genug gekocht, lösen sich saure Oligosaccharide, insbesondere Trigalakturonsäure, die als infektionsverhinderndes Rezeptoranalogon wirkt. Dies konnte in vitro und in klinischen Studien bei Kindern belegt werden (Kastner et al., 2002). Hier gibt es also auf die Frage verzweifelter TierhalterInnen: „Was kann ich tun?“ eine vernünftige Antwort:

Rezeptur Moro'sche Karottensuppe (E. Moro, 1908)

  • 500 g geschälte Karotten in 1 l Wasser 1-1,5 Stunden kochen, anschließend pürieren. Gesamtmenge auf 1 l auffüllen und 3 g Kochsalz zufügen.
  • Zur Akzeptanzverbesserung Knochen- oder Fleischbrühe statt Wasser zusetzen; für Säuglinge evtl. dünnflüssiger zubereiten.
  • teelöffelweise eingeben

Gerbstoffdrogen – ebenfalls antimikrobiell wirksam

Bei unspezifischer, akuter Diarrhö werden in erster Linie Gerbstoffdrogen eingesetzt. Sie stoppen die Diarrhö durch adstringierende und antimikrobielle Wirkungen. Für Brombeerblätter, Eichenrinde, Gänsefingerkraut, Grün- und Schwarztee, Tormentillwurzelstock und getrocknete Heidelbeeren gibt es eine lange Anwendungstradition. Die Gerbstoffzusammensetzung der einzelnen Drogen ist bekannt und sollte bei der individuellen Therapie berücksichtigt werden. Es gibt erfahrungsmedizinische Hinweise auf hundegerechte Zubereitungen, Dosierung und Anwendung (Brendieck-Worm C., Melzig MF, 2021)

Die meisten Gerbstoffdrogen enthalten ein Gemisch aus unterschiedlich komplexen Gerbstoffen. Die Wasserlöslichkeit und die Komplexität der Moleküle bestimmen dabei über Wirkung und Nebenwirkung (Brendieck-Worm C., Melzig MF, 2021).

Wirkungen und Nebenwirkungen

Gerbstoffe bilden wasserunlösliche Eiweiß-Gerbstoff-Komplexe: sie denaturieren sowohl die Oberflächenstrukturen der Schleimhaut, die für das Anhaften/Eindringen von pathogenen Erregern Voraussetzung wären (Bildung einer Koagulationsmembran), als auch die Oberflächenstrukturen bei Bakterien, eventuell auch bei behüllten Viren. Diese sind zum Anhaften an und Eindringen in die Schleimhaut essentiell. Eine Resistenzentwicklung gegen diese Wirkmechanismen, wie sie bei pathogenen Erregern gegen Antibiotika vermehrt auftritt, ist bei Gerbstoffen nicht zu erwarten (Brendieck-Worm C., Melzig MF, 2021).

Beim praktischen Einsatz von Gerbstoff-Drogen ist zu beachten: Gerbstoffe kommen sowohl als große, komplexe Moleküle (Catechingerbstoffe) als auch als kleinere, hydrolysierbare Molekülstrukturen vor (Tannine). Die Molekülgröße ist für Wirkung und Verträglichkeit entscheidend: Je kleiner die Gerbstoffmoleküle (Tannine), umso besser sind sie wasserlöslich, umso leichter sind sie resorbierbar und umso eher entfalten sie systemische Wirkung, was bei oraler Gabe zur Diarrhö-Therapie nicht gewünscht ist (Brendieck-Worm C., Melzig MF, 2021).

Achtung Leberbelastung und Nährstoffmangel

Bei hochdosiertem, bzw. längerfristigem oralem Einsatz wasserlöslicher Gerbstoffe kann es zu Leberschäden kommen (Abbauprodukt: Phenole!). Gerbstoffe allgemein haben bei längerfristiger Einnahme eine antinutritive Wirkung. Sie inaktivieren Verdauungsenzyme (Proteine!) und bilden mit Nahrungsprotein unlösliche Komplexe. Insbesondere eine Verabreichung von Gerbstoffzubereitungen mit Milch ist deshalb kontraindiziert. Stattdessen ist die Verabreichung in Elektrolytlösungen zu empfehlen.

Fazit

Die Phytotherapie bietet zum Thema Diarrhoe, wie zu Problemen im Gastrointestinaltrakt überhaupt, reiches Erfahrungswissen, solide Belege aus der Wissenschaft und die Möglichkeit komplexe Verdauungsstörungen individuell zu therapieren.

Literatur

  • Brendieck-Worm C, Melzig MF (Hrsg). Phytotherapie in der Tiermedizin. 2. Aufl., Thieme Verlag 2021
  • CliniPharm CliniTox (https://www.vetpharm.uzh.ch/)
  • Allenspach K, Suter PF. Darmerkrankungen. In: Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg). Praktikum der Hundeklinik. 11. Aufl., Enke Verlag, Stuttgart 2012
  • Riedel-Caspari G. Ballaststoffe/Nahrungsfasern. In: Bolbecher G, Dillitzer N (Hrsg.). Ganzheitliche Ernährung für Hund und Katze. Thieme Verlag 2020
  • Kastner U, Glasl S, Follrich B et al. Saure Oligosaccharide als Wirkprinzip von wässrigen Zubereitungen aus der Karotte in der Prophylaxe und Therapie von gastrointestinalen Infektionen. Wiener Medizinische Wochenschrift 2002; 152:379-381