Bring your own case: Funktioneller Ileus bei einer Yorkshire-Terrier Hündin

„Bring your own case“ ist ein besonderes Angebot der FRONTIER Kleintierspezialisten. Die beiden Gründer des Überweisungszentrums, Dr. Anna Adrian und Pieter Nelissen, bieten Kolleg:innen an, Spezialfälle aus der Praxis einzusenden, die dann mit den FRONTIER-Oberärzt:innen diskutiert werden. Besonders interessante Fälle werden dann jeden Monat in den Tierarztmagazinen KATZENMEDIZIN & HUNDERUNDEN veröffentlicht.

Liebes FRONTIER-Team!

Die knapp 3-jährige Yorkshire-Terrier Hündin Stella war heute aufgrund akuten Erbrechens, Anorexie und Durchfall vorstellig. Wir haben eine dorsoventrale und zwei laterale Aufnahmen des Abdomens angefertigt. Können Sie uns weiterhelfen? Handelt es sich hierbei um einen Ileus?

3-jährige Yorkshire-Terrier Hündin Stella mit akutem Erbrechen, Anorexie und Durchfall."

Laterale Aufnahme des Abdomens.

Dr. Anna Adrian, MS, DACVR antwortet:

Vielen Dank für die Zusendung der Röntgenaufnahmen.

Im Magen befindet sich eine moderate Menge Gas (pinker Pfeil) und ebenso geringgradig Flüssigkeit. Dies ist noch im Normbereich. Allgemein stellen sich die Dünndarmschlingen diffus dilatiert dar und sind zum Teil mit Flüssigkeit und Gas gefüllt, was auf einen funktionalen Ileus hinweist. Im kaudalen Aspekt des Abdomens befindet sich eine Dünndarmschlinge, die ein deutlich ausgeprägtes heterogenes Gas-Muster vorweist (pinker Kreis). Auch wenn kein röntgendichter Fremdkörper sichtbar ist, kann hier eine zusätzliche frühe Phase eines mechanischen Ileus nicht ausgeschlossen werden.

Im linken Aspekt des Abdomens, medial der Milz befindet sich eine schlecht abgrenzbare Weichteilverschattung (pinker Pfeilkopf). Hierbei kann sich um die von Dünndarmschlingen überlagerte Milz handeln, jedoch ist dies auch die anatomische Position des linken Pankreasschenkel. Das Pankreas ist vor allem bei Hunden in der Norm nicht anhand von Röntgenaufnahmen nachvollziehbar. Bei Pankreatopathien, wie beispielsweise Pankreatitis oder Neoplasien des Pankreas, kann dieser röntgenologisch sichtbar werden.

Im kaudalen Aspekt des Abdomens befindet sich eine Dünndarmschlinge, die ein deutlich ausgeprägtes heterogenes Gas-Muster vorweist (pinker Kreis).

Dr. Anna Adrian, FRONTIER Kleintierspezialisten

Die Leber und Milz und die radiologisch sichtbaren Harnorgane sind ohne besonderen Befund. Die Bauchhöhle ist normal ohne Verdacht auf freie Flüssigkeit oder freies Gas. Die linke letzte Rippe ist verdünnt im Vergleich zur rechten Seite, was einen Zufallsbefund darstellt.

Allgemein kann zwischen eines funktionalen (paralytischen) und mechanischen Ileus unterschieden werden. Bei einem mechanischen Ileus besteht eine physische Obstruktion (z.B. Fremdkörper, Invagination, Neoplasie). Hingegen bei einem funktionalen Ileus herrscht eine Verringerung oder gar Abwesenheit von peristaltischer Darmkontraktion (z.B. Ischämie, neuromuskuläre Störung, sekundär zu Schmerzen).

Röntgenologisch hinweisend für einen mechanischen Ileus ist eine hochgradige Dilatation von Dünndarmschlingen, mit Darmsegmenten, welche sich normal darstellen. Dies nennt sich auch das vorhanden sein von zwei Darmschlingen-Populationen. Bei einem mechanischen Ileus befindet sich Flüssigkeit und Gas im Lumen. Bei einem funktionalen Ileus erwarten wir bei einer generalisierten Ausbreitung einen auf ganzer Länge moderat dilatierten Darm mehrheitlich mit Gas gefüllt, jedoch kann es auch hier zu einer Flüssigkeitsfüllung kommen.

Neben der subjektiven Beurteilung kann eine Dilatation einer oder mehrerer Darmschlingen objektiv gemessen werden. Dazu vergleicht man die Höhe der Darmschlinge zu der Höhe des mittleren Aspektes des Wirbelkörpers von L5. Ein Wert unterhalb 1,6 mal der Höhe von L5 ist im Normbereich, darüber geht man von einem Ileus aus.

Ein linearer Fremdkörper ist in den Dünndarmschlingen im kaudalen Aspekt sichtbar (orange Pfeilköpfe). Im kranialen Aspekt wurde der Durchmesser der ersichtlichen am stärksten dilatierten Schlinge untersucht (orange Linie). Dieser beträgt ca. 26,50 mm. Der Wirbelkörper hat eine Höhe von 12,17 mm (orangene Linie).

Dr. Anna Adrian, FRONTIER Kleintierspezialisten

Hier ein Beispiel eines mechanischen Ileus. Ein linearer Fremdkörper ist in den Dünndarmschlingen im kaudalen Aspekt sichtbar (orange Pfeilköpfe). Im kranialen Aspekt wurde der Durchmesser der ersichtlichen am stärksten dilatierten Schlinge untersucht (orange Linie). Dieser beträgt ca. 26,50 mm. Der Wirbelkörper hat eine Höhe von 12,17 mm (orangene Linie). Das Verhältnis beträgt 2,18 und es handelt sich hiermit um eine hochgradige Dilatation. Ebenso sind normale Darmschlingen in der VD-Aufnahme zu erkennen (orangener Pfeil) und es handelt sich somit um zwei Populationen.

In der unteren Aufnahme ist ein generalisierter funktionaler Ileus erkennbar. Die Darmschlingen sind auf ganzer Länge moderat dilatiert. Es ist kein Fremdkörper ersichtlich und die Darmschlingen sind mehrheitlich bis komplett nur mit Gas gefüllt.

Next steps:

Nächste Schritte bei Stella: Bei diesem Patienten sind weitere diagnostische Maßnahmen, wie eine Ultraschalluntersuchung zur weiteren Abklärung des Pankreas und des Darminhaltes und eine komplette Blutuntersuchung inklusive einer cPLi, sinnvoll. Falls ein Ultraschall nicht verfügbar ist, können die abdominalen Röntgenbilder nach 12-24 Stunden ohne vorherige Futteraufnahme wiederholt werden, um sicherzustellen, dass sich kein eindeutiges obstruktives Muster der Darmschlingen darstellt.