Gesundheit beginnt im Darm

Molly, eine achtjährige Retrieverhündin, leidet seit vier Jahren an wiederkehrenden Durchfällen. „Es geht ihr immer wieder ein paar Tage schlecht, dann ist ihr Zustand für 3-4 Wochen unauffällig. Der Kot ist gut ist geformt und die Hündin ist fröhlich. Doch dann sind die Symptome wieder da. Sie will nicht fressen, schmatzt, hat Bauchschmerzen und Durchfall, oft so schlimm, dass der Weg zum Tierarzt die einzige Lösung ist. Nach Gabe von verschiedenen Medikamenten wird es nach ein paar Tagen wieder besser, bei schlimmen Schüben muss sie sogar beim Tierarzt infundiert werden“, so berichtet es die verzweifelte Hundebesitzerin.

Wie alles beginnt

Dies ist kein Einzelfall und auf genaueres Nachfragen stellt sich oft heraus, dass viele Hunde bereits als Junghund Probleme mit dem Darm hatten. Vom Züchter in ihre neue Umgebung, das ist eine Umstellung, die für viele Welpen eine Herausforderung darstellt. Der Trennung von der Mutter und den anderen Welpen, viele neue Eindrücke und eine neue Futterzusammensetzung sind oft Stressoren für den jungen Hund und machen ihn für Erkrankungen anfällig. Und dann dauert es nicht lange und die Junghunde reagieren mit Durchfall. Eine Kotuntersuchung wird durchgeführt. Und wie so oft werden Giardien nachgewiesen. Giardien sind kleine einzellige Parasiten. Sie leben im Dünndarm und heften sich an der Schleimhaut fest. Die Tiere zeigen wiederholt Durchfälle unterschiedlicher Intensität. Der Kot zeigt ein uneinheitliches Bild, weich oder nicht geformt, manchmal sogar wässrig, mit Schleim überzogen, hell und oft faulig riechend. Giardien lauern überall, z.B. in verunreinigtem Wasser oder beim Kontakt mit infizierten Tieren. Sind sie nun Ursache oder Folgeerscheinung?

Warum haben Hunde immer wieder Durchfälle?

Bakterien aus der Umwelt und andere Umwelteinflüsse, falsche Ernährung, Giardien, Wurmbefall, Stress und Angst, Impfungen und andere Medikamente, all das können Auslöser für Durchfälle sein. Wird der junge Hund in den ersten Lebenswochen und Monaten mit Wurmkuren und anderen chemischen Präparaten überlastet, kann dies ebenfalls zu chronischen Magen-Darmerkrankungen führen. Vor allem die Gabe von Antibiotika beeinflusst das Darmmikrobiom, eine Dysbiose entsteht.

Die Dysbiose ist von außen nicht sichtbar, nur durch eine Analyse der Zusammensetzung der Miroorganismen können die Veränderungen festgestellt werden, die über mehrere Monate andauern können.

Kennen Sie das Darmmikrobiom?

Das Darmmikrobiom ist eine lebendes Ökosystem, das für die Gesundheit des Magen-Darmtraktes und somit auch für die Gesunderhaltung des Individuums eine wichtige Rolle spielt. Im Darm tummeln sich über 100 Billionen Zellen, Bakterien, Pilze, Viren, Protozoen und andere Mikroorganismen, die die Gesundheit beeinflussen. Die Gesamtheit aller Mikroorganismen ist zehnfach höher als die Zellen des Wirtsorganismus. Über 80% der Immunzellen sitzen im Darm und informieren den Körper über das, was von außen kommt.

Die Mikroorganismen sind bei der Resorption und Produktion von Nährstoffen beteiligt. Sie produzieren kurzkettige Fettsäuren, die der Gesunderhaltung der Schleimhaut dienen und dem Wirtstier als Energiesubstrat zur Verfügung stehen. Viele Darmbakterien schützen vor krankmachenden Bakterien, wehren diese ab und beeinflussen in entscheidendem Maße die Ausbildung des Immunsystems im Darm. Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms ist sehr individuell und charakterisiert jedes einzelne Individuum wie ein Schnauzenabdruck. Die Anzahl der Bakterien steigt entlang des Verdauungstraktes an, im Magen ist sie am niedrigsten und im Dickdarm am höchsten. In einem Tropfen Dickdarmflüssigkeit leben mehr als 1 Mrd. Bakterien. Ob sich Darmmikroben wohl fühlen, hängt vor allem von dem Substrat ab, das ihnen für ihre Ernährung zur Verfügung steht.

Täglich strömen Tausende von Mikroorganismen, Toxine, Futterbestandteile und andere Stressoren auf den Darm ein. Aufgabe des Darmmikrobioms ist es, das Eindringen von Fremdstoffen in den Körper zu verhindern. Dafür ist eine intakte Darmschranke nötig. Bei einem gesunden Mikrobiom sind die Zellen der Darmschleimhaut eng miteinander verbunden. Wenn das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht gerät, entsteht eine Dysbiose und die Darmschranke wird gestört, auch als Leaky Gut Syndrom beschrieben. Leaky Gut bedeutet undichter, löchriger Darm. Die Darmzellen lösen sich voneinander, die Barrierefunktion ist aufgehoben, sodass Futtermittelbestandteile, Mikroorgansimen und Toxine in den Körper eindringen können, eine Futtermittelunverträglichkeit entsteht. In diesem Zustand können normale Futterbestandteile vom Körper als allergen eingestuft werden. Vor allem Jungtiere sind für diese Entwicklung besonders empfänglich. Bei Hunden können Gaben von Antibiotika in den ersten Lebensmonaten das Darmmikrobiom nachhaltig schädigen. Die Hunde entwickeln vermehrt chronische Magen-Darmprobleme und Futtermittelunverträglichkeiten. Das gestörte Mikrobiom kann die Entwicklung von z.B. Giardien nicht verhindern.

Diskutiert werden auch Zusammenhänge zwischen veränderten Darmmikrobiom und einer erhöhten Anfälligkeit für Adipositas, Autoimmunerkrankungen, Stoffwechselstörungen und chronisch-entzündliche Erkrankungen. Es gibt immer mehr Hinweise, dass die Darmmikroben auch die Entwicklung und das Verhalten des Gehirns beeinflussen können. Kanadische Forscher haben gezeigt, wie die Übertragung von Darmmikrobiom das Verhalten von Mäusen beeinflussen kann. Diese Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, und es bleibt abzuwarten, ob diese therapeutisch genutzt werden kann.

Mit Futtermitteln ernähren wir nicht nur unsere Hunde, sondern vor allem auch das Darmmikrobiom. Störungen der Zusammensetzung der Mikroben können weitreichende Folgen für den gesamten Organismus haben. Prä- und Probiotika fördern die Gesundheit."

Dr. Gisela Bolbecher, Tierärztin

Unterstützen Sie das Darmmikrobiom!

Zu Beginn einer Darmsanierung kann es sinnvoll sein, eine Mikrobiomanalyse durchzuführen. Anhand der Analyse wird ein Therapieplan aufgestellt, um die Darmdysbiose und die Beschwerden zu verbessern. Die Bewertung der Befunde ist nur im Zusammenhang mit dem gesamten Krankheitsbild zu interpretieren.

1. Auswahl eines geeigneten Futters

Als erstes sollte ein Futter gewählt werden, das für den Hund gut verträglich ist. Dies kann z.B. ein leicht verdauliches, hypoallergenes Futter sein. Alternativ wird eine Eliminationsdiät durchgeführt, d.h. der Hund erhält je eine Eiweiß- und Kohlenhydratquelle, die er bisher in seinem Leben noch nicht bekommen hat. Häufig gestaltet sich die Suche nach einer „unbekannten“ Futterquelle schwierig, da viele Hunde schon in frühen Lebensmonaten die vielfältigsten Eiweißquellen getestet haben, teils als Hauptfutter teils als Leckerlis. Es ist individuell zu klären, welche Eiweißquellen verträglich sind oder nicht. Als häufige Auslöser für Futtermittelunverträglichkeiten gelten beim Hund Rind, Huhn, Weizen (bei ca. 70% der Tiere), Milchprodukte, Eier, Lamm, Soja und Mais. Diese Bestandteile sind nicht per se stärker allergen, sondern sind in der Fütterung weit verbreitet und werden deshalb häufiger zu Allergenen. Der Trend, Welpen bereits sogenannte „Reserveproteine“ wie z.B. Insektenprotein oder Känguru zu füttern, schützt nicht vor Allergien. Sie sind zwar scheinbar weniger allergen als Rind und Huhn, können aber bei einem Darm mit Leaky gut Syndrom ebenso eine Futtermittelunverträglichkeit hervorrufen.

Bei einer Futterumstellung sind v.a. auch die versteckten Allergenquellen zu meiden, wie z.B. Spuren von diesen Futterbestandteilen in Leckerlis, Kauspielzeugen, Ölen, flavourisierten Medikamenten oder in Futterschüsseln von anderen Mitbewohnern. Beim Hundefutter ist es modern, dieses mit einer Vielzahl an Kräutern anzureichern. Bei der Suche nach einer geeigneten Futterquelle sollten Kräuterzusätze vermieden werden, da auch Kräuter zu anderen Allergenen Kreuzreaktionen aufweisen können.

2. Zugabe von Präbiotika

Präbiotika nähren und stärken die erwünschten Darmbakterien. Sie sind langkettige Kohlenhydrate. Bekannte Wirkstoffe sind Fructooligosaccharide (FOS), Mannan-Oligosaccharide (MOS), Inulin, Lactulose, Topinambur, Pektin, Flohsamen, Hafer- und Weizenkleie und Zellulose. In Bohnen, Chicorée und Erbsen sind präbiotisch wirkende Pflanzenstoffe enthalten. Der Hund erhält ca. 0,5-2,0 g pro kg Körpergewicht. Die Kotkonsistenz, die für gut befunden wird, ist dann erreicht, wenn der Kot mit dem Fuß weggekickt werden kann, ohne dass Reste am Schuh hängen bleiben.

3. Zugabe von Probiotika

Probiotika sind Mikroorganismen, wie z.B. Enterococcus faecium, Lactobacillus, E. Coli und Bifidobakterium. Probiotika führen zu einer vermehrten Expression von „tight junction“ Proteinen. Durch die Gabe von Probiotika werden u.a. die Leaky guts geschlossen und die Darmschranke funktioniert wieder. Es gibt eine Vielzahl von Produkten, die sich in der Zusammensetzung der Mikroorganismen unterscheiden.

Und wie geht es Molly heute?

Nach einer kompletten Futterumstellung und einer Darmsanierung ist die Retrieverhündin auf dem besten Wege zu mehr Gesundheit. Die wiederkehrenden Schübe sind verschwunden. Es geht ihr gut.

PS: Weitere Information um das Thema Ernährung und Gesundheit finden Sie in dem Buch „Ganzheitliche Ernährung für Hund und Katze“.