Trost in der Tierarztpraxis: Ein Guide für den Umgang mit Tiertrauer

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Familie mit zwei kleinen Kindern verabschiedet sich von ihrem alten Hund, der über 14 Jahre hinweg ein treuer Begleiter war. Die Tierärztin sagt nach dem Einschläfern eher trocken: „Mein Beileid, aber er war halt schon alt.” Ohne den trauernden Tierbesitzer:innen so richtig die Möglichkeit zu geben, einen Moment innezuhalten, wird nach kurzem Händedruck auch gleich noch die Rechnung für den gerade durchgeführten Eingriff von der Tiermedizinischen Fachangestellten überreicht. Die Familie, emotional aufgewühlt und erschöpft, verlässt mit Tränen in den Augen die Praxis, ohne eine Chance zu bekommen, sich an einem ruhigen Ort in Ruhe zu sammeln oder angemessen Abschied zu nehmen.

Diese Art von Reaktion – so sachlich sie auch gemeint sein mag – hinterlässt einen sehr nüchternen Beigeschmack. Der Verlust eines Haustiers ist für viele Menschen, nicht zuletzt für Kinder, ein einschneidendes Erlebnis und ihre oftmals erste Berührung mit dem Tod. Die Art und Weise, wie Tierärzt:innen in diesen schwierigen Momenten mit der Gesamtsituation umgehen, ihr eigenes Team im Umgang unterstützen und den Besitzer:innen gegenübertreten, kann den Unterschied zwischen einem würdevollen Abschied und einem belastenden Erlebnis ausmachen. Es lohnt sich also, mal die eigenen Abläufe genauer unter die Lupe zu nehmen - sicher gibt es bei uns allen zumindest etwas Luft nach oben.

Einfühlsame Kommunikation schafft Vertrauen

Der Abschied von einem Haustier ist für die meisten Menschen eine zutiefst emotionale Herausforderung und ja, völlig verständlich, auch für das Praxisteam in in den täglichen Prozessen nicht immer leicht zu bewerkstelligen. Tierbesitzer:innen, die den letzten Weg mit ihren Tieren gehen, brauchen Verständnis und Trost – nicht nur medizinische Expertise, auch wenn der Praxisalltag dazwischenfunkt. Während z.B. der Moment des Einschläferns schon schwer genug ist, nagen oft Schuldgefühle an den Tierhalter:innen. Denn aus ihrer Sicht haben sie ihren loyalsten Partner in diesem Moment “ausgeliefert” - so zumindest berichten nicht wenige unserer Kund:innen später im Trauer-Coaching. Umso wichtiger das Fingerspitzengefühl in der Praxis.

Zuallererst einmal kann eine offene und vorbereitende Kommunikation helfen:

  • Sprechen Sie am besten bereits vor dem Termin einfühlsam darüber, was direkt nach dem Einschläfern geschehen soll. Möchte die Tierhalter:innen das Tier selber mit nach Hause nehmen oder soll eine Abholung durch ein Krematorium organisiert werden – bieten Sie klare, aber einfühlsame Optionen an. Ein klarer Plan gibt den Menschen ein Gefühl der Kontrolle und hilft so, die Situation besser durchzustehen, in der man selten einen klaren Kopf hat.
  • Beginnen Sie mit einer einfühlsamen Erklärung des Prozesses des Einschläferns. Erläutern Sie am besten schon in einem Vorgespräch, wie die Medikamente wirken und was genau wie zu erwarten ist. Diese Erklärungen sollten ruhig und klar formuliert werden, um Unsicherheiten und Ängste zu mindern und Klarheit zu schaffen.
  • Geben Sie den Besitzer:innen Zeit und Raum, ihre Emotionen auszudrücken. Jede Trauer ist individuell, und einige Menschen brauchen vielleicht mehr Zeit als andere, um sich zu sammeln. Als Tierarzt können Sie unterstützen, indem Sie Verständnis und Geduld zeigen, damit der Abschied z.B. nicht gehetzt wirkt - auch wenn im Wartezimmer die nächsten Patienten sitzen. Wo, wenn nicht hier darf geweint werden…

Raum für den Abschied schaffen

Ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird, ist der unmittelbare Moment danach. Tierbesitzer:innen brauchen Zeit, um sich von ihrem Tier zu verabschieden. Manche Kolleg:innen, öffnen z.B. das Fenster, damit die Tierseele losfliegen kann - ganz schöne Idee, oder? Wenn vielleicht auch zu spirituell für manche. Statt die Familie zu schnell nach Hause zu schicken, bieten Sie ihnen einen speziellen Raum (Ideal-Lösung, aber leider meist nicht machbar) oder einen ruhigen Bereich in Ihrer Praxis an, in dem sie einen letzten Moment mit ihrem Tier verbringen und sich vor dem Verlassen der Praxis kurz sammeln können. Vielleicht gibt es eine Bank im Garten, einen Innenhof oder sonst eine Sitzmöglichkeit im Büro. Wichtig und wünschenswert für einen solchen “Safe Space” ist natürlich Privatsphäre - vielleicht mit einer Tasse Tee. Eine Lösung, von der sehr positiv berichtet wurde, ist das Einschläfern im Garten der Tierhalter:innen. In ihrem eigenen Territorium können sie sich dann mit der Verabschiedung genug Zeit lassen, haben ihre Privatssphäre und auch entfällt für das Tier der meist mit Stress beladene Gang in die Praxis.

Ciao Miao ist mehr als eine Plattform – es ist eine Community, die sich dem einfühlsamen aber auch zeitgemässen Umgang mit Tiertrauer verschrieben hat."

Cordelia Noe, Ciao Miao

Was passiert danach? Würdevolle Optionen für den letzten Weg.

Nach dem Tod eines Haustieres stehen viele Tierbesitzer:innen vor der Frage, was mit dem Körper geschehen soll. Hier ist es wichtig, die Tierhalter:innen mit Einfühlungsvermögen und klaren Optionen zu beraten. In vielen Fällen bevorzugen Tierbesitzer:innen eine Kremierung, aber auch die Mitnahme des Tieres für eine Bestattung im Garten kann eine Option sein. Arbeiten Sie am besten mit einem vertrauenswürdigen Tierkrematorium zusammen und bieten Sie den Besitzer:innen die Möglichkeit, das Tier aus der Praxis von einem solchen Partner abholenzulassen und die Asche in einer Urne zurückzubekommen. Dies gibt vielen Menschen das Gefühl, ihr Tier auf eine besondere Weise in Erinnerung zu behalten.

Unterstützung über den Moment hinaus: Trauerbewältigung gezielt fördern

Der Schmerz des Verlustes endet bekanntermaßen nicht mit dem Tod des Tieres. Viele Tierhalter:innen fühlen sich in den Tagen und Wochen danach und natürlich auch kurz vor dem Termin emotional überwältigt, besonders, wenn ihr Umfeld den Verlust nicht nachvollziehen kann. Immer noch fallen Sätze wie „Es war doch nur ein Tier“ oder „Im Tierheim gibt es so viele Hunde und Katzen, die auf ein schönes neues Zuhause warten“, die die tiefe emotionale Bindung herabsetzen. Dies führt dazu, dass sich viele Menschen in ihrer Trauer alleingelassen fühlen. Vor allem nach den ersten Tagen des Beistands durch Familie und Freunden, der meist schneller nachlässt, als der Trauerprozess so richtig startet.

Hier können Sie als Tierärzt:in eine wichtige Rolle spielen, indem Sie den Besitzer:innen signalisieren, dass ihre Gefühle legitim sind. Ein offenes Gespräch, bei dem Sie zeigen, dass Sie den Verlust verstehen und mitfühlen, kann enorm helfen. Es ist auch wichtig zu wissen, dass Trauer verschiedene Gesichter haben kann – von tiefster Traurigkeit bis hin zu Wut – wie im bekannten „Fünf-Phasen-Modell“ nach Elisabeth Kübler-Ross beschrieben. Seien Sie darauf vorbereitet, dass manche Menschen ihre Trauer auf unterschiedliche Weise ausdrücken. Auch in ihren Räumlichkeiten.

Neben der Tatsache, den Tierbesitzer:innen klarzumachen, dass die Trauer berechtigt ist und sie keineswegs allein damit sind, können auch folgende Vorschläge in der akuten Situation helfen.

  • Es gibt lokale und online Trauergruppen, in denen Menschen den Verlust eines Haustiers verarbeiten können. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann helfen, den Schmerz zu lindern. Geben Sie konkrete Empfehlungen für solche Angebote. Stellen Sie sich ein paar solcher Kontakte zusammen.
  • Überlegen Sie, ob Sie in Ihrer Praxis oder auf Ihrer Website eine Möglichkeit schaffen können, wo Tierbesitzer:innen Erinnerungen an ihre Haustiere teilen können. Eine „Erinnerungswand“ oder ein sogar Online-Forum bietet den Menschen die Möglichkeit, sich auszutauschen und Trost zu finden.
  • Wenn der Verlust eines Tieres zu einer ernsthaften emotionalen Belastung führt, sollten Sie nicht zögern, den Tierbesitzer:innen zu empfehlen, auch ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, etwa in Form einer Krankschreibung. Viele Menschen fühlen sich schuldig oder schämen sich, diesen Schritt zu gehen – sollten sie aber nicht müssen.

Die emotionale Intelligenz der Tierarztpraxis macht den Unterschied.

Die Trauerbegleitung nach dem Verlust eines Haustiers ist eine der sensibelsten Aufgaben in der Tierarztpraxis. Durch eine empathische Kommunikation, eine liebevolle Gestaltung des Abschieds und eine fortlaufende Unterstützung können Tierärzt:innen den Trauerprozess der Besitzer:innen positiv beeinflussen helfen, den Verlust zu verarbeiten. Ihre Fürsorge in diesen schwierigen Momenten wird einen bleibenden Eindruck hinterlassen und zeigt, dass Ihre Praxis nicht nur für die medizinische Versorgung der Tiere, sondern auch für das emotionale Wohl der Besitzer:innen da ist. Und die Kund:innen kommen dann bestimmt wieder zu Ihnen in die Praxis, wenn ein neues Tier ins Haus zieht.

Zu guter Letzt: Nicht aus dem Auge lassen, sollten Sie aber auch die eigene mentale Gesundheit und die, ihres Teams, denn solch emotionsgeladene Erfahrungen wühlen alle Beteiligten auf. Ein eigenes Ritual - von Kerze aufstellen bis hin zum “Ausschütteln” vor dem Verlassen der Praxis - das man im Team entwickelt, kann dabei richtig wertvoll sein.