Praxisgründung des Monats: Tiergesundheitszentrum Bad Birnbach

In der Tierärzteschaft wird aktuell erfreulicherweise eine höhere Bereitschaft zur Praxisneugründung festgestellt. Dr. Michelle Becker, die mit ihrem Team bei TVD-Finanz als Co-Pilotin bei Praxisgründungen und -übernahmen fungiert, bestätigt diesen Trend. Das Unternehmen hat 2023 knapp 60 Praxisgründungen besonders in den Bereichen Businessplanung, Finanzierung, Versicherungen und Marketing begleitet. Mit der neuen Rubrik „Praxisgründung des Monats“ werden an dieser Stelle Gründer:innen, ihre Praxis- und Klinikprojekte mit all Ihren individuellen Visionen, Zielen aber auch zu stemmenden Hürden vorgestellt. Dr. Anna Draschka startet mit dem Tiergesundheitszentrum Bad Birnbach, das im Juli 2024 seine Pforten öffnet.

Die erste Gründerin, die ich Euch vorstellen möchte, ist Myriam Simon, die im Juli 2024 mit Ihrem Tiergesundheitszentrum im niederbayerischen Bäderdreieck Bad Birnbach starten wird. Nach dem Tiermedizinstudium hat die Mutter von zwei kleinen Kindern noch ein BWL-Studium angehängt. Gemeinsam absolvieren Myriam und ich gerade ein einjähriges Leadership-Programm, um unsere Fähigkeiten in der Teamleitung zu entwickeln. Regelmäßig tauschen wir uns über Gründungshemen aus. Myriam beeindruckt nicht nur durch ihren Lebenslauf, sondern besonders durch ihre Zielstrebigkeit, mit der sie dieses Projekt durchzieht, obwohl sich ihr einige unvorhergesehene Hindernisse in den Weg gestellt haben.

Welche Erfahrungen hast Du als angestellte Tierärztin gemacht? Warum wolltest Du Geschäftsführerin sein?

Ich war lange zufrieden als angestellte Tierärztin, da ich immer nette Kolleg:innen und einen spannenden Arbeitsalltag hatte. Immer konnte ich auch Ideen einbringen und an Projekten mitwirken. Ich hatte aber nie zu 100 % Einblick in das große Ganze und nicht das Gefühl, etwas voranzutreiben, sondern die bestehenden Probleme zu managen. In manchen Praxen gab es Entscheidungsträger:innen, die in alten Strukturen festgefahren waren und meinten, diese oder jene Neuerung könne man dem Team nicht zumuten – oder auch den Kund:innen. Für mich war keine Praxis wirklich „meine“. Manche brauchen diese Abgrenzung, für mich fühlte sich das nicht richtig an.

Erzähl' uns über Deine Vision und Deine Ziele.

Für mich war klar, dass ich keine bestehende Praxis übernehmen möchte. Ich wollte, dass wir alle gemeinsam auf einem weißen Blatt beginnen und sich alle mit einbringen können. Ich bin nicht der Meinung, dass Altbewährtes schlecht ist – es muss aber auch immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Ich bin ein Fan des ständigen Verbesserungsprozesses (kaizen), in dem man offen sein muss, aus alten Mustern auszubrechen.

Ich bin auch ein recht ungeduldiger Mensch. Nach über anderthalbjähriger Planung eröffnen wir daher bereits unsere Praxis in einem Modulbau, bis das Hauptgebäude in circa einem Jahr fertiggestellt wird.

Wäre es als Mutter zweier Kinder nicht angenehmer, irgendwo in Teilzeit angestellt zu arbeiten?

Das hatte viele Vorteile, als die Kinder noch sehr klein waren, da ich mich nach seiner Arbeitszeit komplett ins Private zurückziehen konnte. Wie gesagt, manche brauchen diese Abgrenzung. Für mich war das nicht das richtige: ich bin jeweils nur kurz in Elternzeit gegangen, weil mir die Arbeit wichtig war und ich nah an allen Entwicklungen dran sein wollte. Letztlich musste es dann die eigene Praxis sein: Nicht nur mir zugeteilte Aufgaben erledigen, sondern meinen Arbeitsplatz komplett gestalten. Und ja, auch meine Entscheidungen komplett verantworten.

Im Tiermedizinstudium erhalten wir keine Ausbildung zum Thema Praxismanagement. Erzähl' uns bitte, wie Du auf die Idee zum BWL-Studium gekommen bist und welche Vorteile Du nun hast.

Als ich vor vielen Jahren auf Jobsuche war und nicht wusste, ob ich den richtigen Platz in der Tiermedizin für mich finde, sagte mir die Beraterin im Jobcenter, dass ich ohne handwerkliche oder betriebswirtschaftliche Ausbildung am Arbeitsmarkt schwer vermittelbar sei. Das war noch vor dem großen Tierärztemangel. So habe ich mich ganz pragmatisch für das BWL-Studium entschieden. Vorteil ist das hinzugewonnene Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, z.B. wie ich eine Preiskalkulation mache und wie sich diese auf das gesamte Arbeiten auswirkt. Das war in Diskussionen mit ehemaligen Arbeitgeber:innen hilfreich. Außerdem war der Blick über den Tellerrand in die Themen Finanzmathematik, Buchhaltung und Recht hilfreich. Als Schülerin eines musischen Gymnasiums ist das wie ein Kurs in Allgemeinbildung!

Warum hast Du Dir mit TPP einen Partner gesucht?

Der Kontakt zu Tierarzt Plus Partner kam über eine Empfehlung zustande. Dr. Anne Becher, Tierärztin und Betriebswirtin, hat mich auf das Netzwerk aufmerksam gemacht, als es um das Thema Praxisgründung ging. Ich wollte nie alleine gründen, da ich die enge Zusammenarbeit mit Kolleg:innen in Kliniken immer sehr geschätzt habe. Zudem hatte ich trotz meiner Erfahrung im Praxismanagement großen Respekt vor den Aufgaben wie Bauplanung, Personalmanagement, Buchhaltung und Marketing. TPP ist ein Netzwerk, in dem ich die Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung sowie die beste Unterstützung für meine Praxis sehe. Mir ist zudem wichtig, das kollegiale Miteinander zwischen Praxisinhaber:innen und in der Branche insgesamt zu stärken. Ich habe viele großartige Kolleg:innen im Netzwerk getroffen und schätze den Austausch sehr.

Am 1. Juli geht’s los! Was wirst Du anders machen? Welche Schwerpunkte wollt Ihr anbieten?

Wir sind anders, weil wir hier in Niederbayern die Tiermedizin in die
Moderne führen wollen: mit moderner Mitarbeiterführung, digitalen Services für unsere Kund:innen, sowie Fachwissen und Ausstattung am Puls der Zeit. Unsere tiermedizinischen Schwerpunkte sind die Innere Medizin, Dermatologie und Kardiologie. Im Laufe des Jahres wird auch unsere Abteilung für Zahnheilkunde ausgebaut. Wir bieten außerdem eine hochwertige haustierärztliche Versorgung. Nach unserem Umzug ins Hauptgebäude stehen uns auf 500 Quadratmeter noch mehr Möglichkeiten offen. Ein CT und der Ausbau des chirurgischen Bereichs stehen auf der Agenda.

Welche Überlegungen für Katzen sind in der Planung?

Unsere Praxis soll "cat friendly" zertifiziert sein. Im Modulbau sind unsere Räumlichkeiten noch begrenzt, im Hauptgebäude bieten wir getrennte Warteräume für Hunde und Katzen, ein Katzenbehandlungszimmer und eine eigene Katzenstation an. Interne Schulungen zu katzengerechtem Umgang und eine reine Terminsprechstunde dienen dazu, Stress zu minimieren. Auch die Halter:innen sollen sich bei uns wohlfühlen und damit den Katzen Sicherheit geben.

Was waren bislang die größten Hindernisse und unvorhergesehene Katastrophen? Und wie hast Du diese Themen lösen können?

Ich möchte nicht sagen, dass in der Partnerschaft mit TPP alles immer wunderbar war. Gerade mit dem Projektmanagement gab es anfangs auch Reibungspunkte und Strategien, hinter denen ich nicht zu 100 % stand. Ich habe gelernt, dass ich da an meiner Kommunikation arbeiten musste. Auch TPP als junges Unternehmen hat Lerneffekte mitgenommen. Jetzt bin ich sehr zufrieden. Ich bin froh, dass das Projektmanagement bei TPP liegt und hier viele Augen auf das schauen, was passiert und passieren könnte.

Tatsächlich gab es einige Rückschläge in diesem Projekt. Ein Meilenstein war es, als wir den richtigen Vermieter gefunden hatten, der mit viel Engagement unser Projekt erst möglich macht. Ohne Immobilie oder Grundstück keine Praxis und das war eine Suche im Heuhaufen! Jede Woche birgt immer noch ungeahnte Herausforderungen. Zuletzt ging es um die Abwasserentsorgung im Modulbau, da die eingeplante Abwasserleitung auf dem Grundstück nicht mehr existiert. Erst kurz vor Bestellung unserer OP- und Untersuchungslampen haben wir erfahren, dass entgegen der Zusagen, nichts an den Wänden und Decken befestigt werden durfte und wir uns um Alternativen kümmern mussten. Zwischendrin immer wieder Hiobsbotschaften bezüglich Lieferzeiten und Verfügbarkeiten von Ausstattung, die wir mit unseren Lieferanten aber managen konnten.

Meine Sorge, keine Mitarbeiter:innen zu finden, war unbegründet. Wir können mit der gewünschten Teamgröße starten. Ich hoffe, dass wir im Wettbewerb um die vielgesuchten Tierärzt:innen als Netzwerk künftig mehr überzeugen als die Mitbewerber.

Bad Birnbach ist wunderschön. Warum hast Du Dich für diesen Standort entschieden? Warum sollte man unbedingt hierherziehen und mit Dir gemeinsam Dein Projekt aufbauen?

Für mich war klar, dass die Praxis im Rottal stehen sollte. Die Standortanalyse hat meinen Wunsch unterstützt. Die Lage an der von West nach Ost durch den Landkreis verlaufenden B388 ist ideal. Und wie du schon sagst, Bad Birnbach ist wunderschön. Therme, Golfen, Radfahren, Reiten – hier ist viel für umzugswillige Mitarbeiter:innen geboten. Die Arbeit in unserem Tiergesundheitszentrum bietet die Chance, mit der Unterstützung eines großen Netzwerks an der Umgestaltung der Tiermedizin mitzuwirken. Konkret suchen wir noch erfahrene Tierärzt:innen – für dieses Jahr einen Allrounder, nächstes Jahr eine Chirurg:in.

Am 30. Juni wird gefeiert ...

Richtig, wir starten mit einem "Tag der offenen Tür", zu dem alle eingeladen sind, die unser Team kennenlernen und unseren Modulbau besichtigen wollen.

Anna Draschka