VET REKORDER #1: Strahlen, die Leben schenken - ein Besuch bei EQUINOX Healthcare

Ein Husky und ein Damatiner im Büro, ein Klinikpferd in den Stallungen, Hightech-Anlagen wie in der Humanmedizin – und zwei Spezialist:innen, die sich ganz der Lebensqualität ihrer tierischen Patienten verschrieben haben. Der Besuch bei EQUINOX Healthcare im hessischen Linsengericht zeigt, wie moderne Strahlentherapie in der Tiermedizin Leben verändern kann. Das Strahlentherapiezentrum für Pferde und Kleintiere wirkt von außen wie ein moderner Klinikbau, entpuppt sich drinnen als hochspezialisierte Welt, in der Technik und Tiermedizin Hand in Hand arbeiten mit dem Ziel, die Lebensqualität tierischer Patienten zu verbessern.

Zwei Wege, eine Mission

Dr. Alena Soukup, Diplomate des American College of Veterinary Radiology (Radiation Oncology), und Dr. Jan Kuntz, Tierarzt mit einem Hintergrund als Ingenieur in der Krebsforschung, könnten unterschiedlicher kaum sein – und ergänzen sich doch perfekt. Soukup kam über Zürich und eine prägende Begegnung mit einem Assistenzhund mit Gehirntumor zur Strahlentherapie. Kuntz’ Weg führte ihn aus der Bildgebung am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg in die Veterinärmedizin – mit dem Wunsch, die technisch anspruchsvollste Disziplin kennenzulernen.

Ein Zentrum wie in der Humanmedizin – eben nur für Tiere

EQUINOX ist einzigartig im deutschsprachigen Raum: Ein reines Strahlentherapiezentrum, spezialisiert auf alle Tierarten – vom Hund über die Katze bis hin zum Pferd. Das Gebäude ist von Grund auf für diesen Zweck entworfen: großzügige Stallungen für Pferde, Hightech-Bestrahlungseinheiten, individuell angepasste Lagerungssysteme und Platz für interdisziplinäres Arbeiten. Die Gesamtfläche des Geländes beträgt rund 8.000 Quadratmeter, wovon etwa 1.000 Quadratmeter auf Gebäude und Stallungen entfallen. In den Stallungen lebt auch „Lotte“, das Klinikpferd. Vor dem Schlachthof gerettet, ist sie heute fester Bestandteil des Teams – und sorgt mit ihrer ruhigen Art dafür, dass sich neu ankommende Pferde während der Behandlung nicht allein fühlen. Das Zentrum wird von einem interdisziplinären Team aus knapp zehn Fachkräften betrieben – darunter Tierärzt:innen, Physiker:innen und speziell geschulte Mitarbeiter:innen, die ihre Expertise in den Dienst der Strahlentherapie stellen.

Neben onkologischen Indikationen behandelt EQUINOX auch chronische Schmerzerkrankungen wie Arthrose. Ein Beispiel ist die Scottish Fold Katze mit Osteochondrodysplasie, bei der die gezielte Bestrahlung zu einer deutlichen Verbesserung der Beweglichkeit und Lebensfreude führte."

Sascha Schiffbauer im Gespräch mit Dr. Alena Soupup und Dr. Jan Kuntz

Mehr als Krebsbehandlung

Strahlentherapie wird oft mit Tumorbehandlung gleichgesetzt – zu Unrecht. Neben onkologischen Indikationen behandelt EQUINOX auch chronische Schmerzerkrankungen wie Arthrose. Ein Beispiel ist die Scottish Fold Katze mit Osteochondrodysplasie, bei der die gezielte Bestrahlung zu einer deutlichen Verbesserung der Beweglichkeit und Lebensfreude führte. Hier geht es nicht um Heilung, sondern um Lebensqualität – und darum, dass Tier und Halter wertvolle gemeinsame Zeit gewinnen.

Zusammenarbeit ist der Schlüssel

EQUINOX versteht sich als reines Überweisungszentrum. Die enge Abstimmung mit Haustierärzt:innen und Kliniken ist essenziell – von der frühen Fallbesprechung über die Bildgebung bis hin zur Nachsorge. „Das Wichtigste ist, dass wir kontaktiert werden“, betont Kuntz. „Je früher, desto besser.“ Dabei ist Offenheit entscheidend: Nicht jeder Fall eignet sich für eine Strahlentherapie, und manchmal bedeutet das beste Ergebnis auch, auf eine Behandlung zu verzichten.

Der fachliche Austausch endet für Dr. Jan Kuntz und Dr. Alena Soukup nicht mit der Entlassung der Patienten. Gemeinsam mit den überweisenden Tierärzt:innen greifen sie spannende Fälle in den Fachmagazinen KATZENMEDIZIN und HUNDERUNDEN auf und veröffentlichen diese für die Kollegenschaft – etwa „Hirntumoren beim Hund“ (mit Dr. Janine Lautersack, Tierklinik Ettlingen), „Nasales Lymphom der Katze“ (mit Dr. Miriam Keiner, Tierklinik Ettlingen), „Ameloblastom beim Hund“ (mit Dr. Franziska Hergt, Kleintierspezialisten Berlin) oder „Purulenter Nasenausfluss beim Hund“ (mit Dr. Anna Trillig, Tierklinik Dr. Trillig). So profitieren auch andere Tiermediziner:innen von den Erfahrungen und Therapieansätzen aus dem Strahlentherapiezentrum.

EQUINOX ist zudem Mitglied im VUK – Verbund Unabhängiger Tierkliniken. Diese Mitgliedschaft sehen Soukup und Kuntz als Chance, den Austausch innerhalb eines starken Netzwerks zu fördern, die Strahlentherapie als wichtige Option in der tiermedizinischen Onkologie noch bekannter zu machen und die Hemmschwelle für Kolleg:innen zu senken, bei potenziell geeigneten Fällen Kontakt aufzunehmen.

Hightech trifft Handarbeit

Viele Lagerungshilfen und Haltesysteme werden im eigenen Haus entwickelt und gefertigt – maßgeschneidert für jeden Patienten. Das Ziel: kurze Narkosezeiten, exakte Bestrahlung, minimale Belastung. Die Technologie stammt oft aus der Humanmedizin, wird hier aber an die Vielfalt tierischer Körperformen angepasst.

Blick in die Zukunft

Für die beiden Strahlentherapie-Spezialist:innen ist klar: Die Onkologie der Zukunft wird interdisziplinärer, vernetzter und datengetriebener sein. Ein europäisches Tumorregister für Tiere wäre ein Meilenstein, ebenso wie spezialisierte Zentren und eine stärkere Aufklärung über die Möglichkeiten der Strahlentherapie – gerade im niedergelassenen Bereich. Als wir das Zentrum verlassen, döst Huskydame „Arlette“ zufrieden in "ihrem" Büro, die die gesamte Aufnahme über wachsam begleitet hat. Bis zur regelmäßig stattfindenden Hunderunde mit Klinikhund "Flaps", Dr. Jan Kuntz, Dr. Alena Soukup und Klinikpferd "Lotte" muss sie jedoch noch ein wenig warten.

VET-Rekorder

Mit dem Besuch in Linsengericht haben Sascha Schiffbauer und ich das erste Mal gemeinsam in die tierärztliche Versorgung reingehorcht. Einmal im Monat besuchen wir Expert:innen aus der Tiermedizin, bauen Verbindungen zur Humanmedizin und zeigen wie spannend, kreativ und komplex Tiermedizin ist. Das Ergebnis ist dann überall dort zu hören, wo es Podcast gibt.

Andreas Moll